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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Die Reform des Militälstiafpiozesses

schaft teil. Zur Vervollständigung dieses Vorteils gehöre, daß die Guts¬
bezirke ausgehoben werden, die es dem Rittergutsbesitzer möglich machen, sich
uicht allein den Gemeindelasten zu entziehen, sondern auch seine eignen Ver¬
pflichtungen, z. B. Schulung seiner Tagelöhnerkinder und Armenpflege, auf
sie abzuwälzen; die Gutshöfe müßten sämtlich "inkommunalisirt" werden (wie
in Westfalen, bemerkte einer der Redner auf der Generalversammlung). Das
andre, was den angesiedelten Arbeitern beim Emporsteigen behilflich sein foll,
ist die Wiederherstellung des Gemeindebesitzes: Wiese, Wald und Torfmoor
muß den kleinen Leuten (gegen angemessene Entschädigung) wieder zur Ver¬
fügung gestellt werden, um thuen die Viehhaltung zu ermöglichen und die
Heizung billiger zu macheu. Außerdem spricht v. d. Goltz das große Wort
gelassen aus, die Dreschmaschine müsse beseitigt und der Flegel wieder in seine
Rechte eingesetzt werden, damit die Leute wieder Winterarbeit bekämen. Der
Verfasser führt aus, wie das Nentengütergesetz zu diesem Zweck umgeformt
werden müsse, entwickelt einen umfassenden Plan sür das bei der Anlage von
Arbeiteransicdlungen zu beobachtende Verfahren und stellt einen Kostenanschlag
nebst Deckungsplan auf. Von einer stärker" Besiedlung des Ostens verspricht
er sich einen gewaltigen Fortschritt der intensivem Bodenkultur, die den Er¬
trag bedeutend steigern werde; doch bewegen sich seine Wahrscheinlichkeits¬
berechnungen in verständigen Grenzen und tragen nichts phantastisches an sich.
Dadurch würde der Übelstand, daß der deutsche Voden seine Bewohner nicht
mehr zu ernähren vermag, wenn auch nicht gehoben, so doch gemildert werden.

(Schluß folgt)




Die Reform des Mlitärstrafprozesses

as Schauspiel äußerster Ratlosigkeit und Zerfahrenheit, das der
verflossene Reichstag unmittelbar vor seiner Auflösung in den
letzten entscheidenden Tagen der Beratung über die Militürvor-
lage bot, war kein Zeugnis für die politische Reife unsers Volkes
und seiner parlamentarischen Vertreter. Hätten namentlich die
liberalen Parteien die Zeichen der Zeit verstanden, so wurden sie, statt un-
fruchtbarer Tiraden über den umsichgreifenden Militarismus, statt kleinlichen
Marktens über das Mehr oder Weniger von einigen Tnuseud neuen Soldaten,
die dem deutschen Volke durch den gewaltigen Ernst der europäischen Lage
aufgenötigte Vorlage gutgeheißen, ihre Zustimmung aber an eine Bedingung
geknüpft haben, die ihnen, wie damals die Dinge lagen, eine geradezu uncm-


Greuzbotm IV 1893 4ki
Die Reform des Militälstiafpiozesses

schaft teil. Zur Vervollständigung dieses Vorteils gehöre, daß die Guts¬
bezirke ausgehoben werden, die es dem Rittergutsbesitzer möglich machen, sich
uicht allein den Gemeindelasten zu entziehen, sondern auch seine eignen Ver¬
pflichtungen, z. B. Schulung seiner Tagelöhnerkinder und Armenpflege, auf
sie abzuwälzen; die Gutshöfe müßten sämtlich „inkommunalisirt" werden (wie
in Westfalen, bemerkte einer der Redner auf der Generalversammlung). Das
andre, was den angesiedelten Arbeitern beim Emporsteigen behilflich sein foll,
ist die Wiederherstellung des Gemeindebesitzes: Wiese, Wald und Torfmoor
muß den kleinen Leuten (gegen angemessene Entschädigung) wieder zur Ver¬
fügung gestellt werden, um thuen die Viehhaltung zu ermöglichen und die
Heizung billiger zu macheu. Außerdem spricht v. d. Goltz das große Wort
gelassen aus, die Dreschmaschine müsse beseitigt und der Flegel wieder in seine
Rechte eingesetzt werden, damit die Leute wieder Winterarbeit bekämen. Der
Verfasser führt aus, wie das Nentengütergesetz zu diesem Zweck umgeformt
werden müsse, entwickelt einen umfassenden Plan sür das bei der Anlage von
Arbeiteransicdlungen zu beobachtende Verfahren und stellt einen Kostenanschlag
nebst Deckungsplan auf. Von einer stärker» Besiedlung des Ostens verspricht
er sich einen gewaltigen Fortschritt der intensivem Bodenkultur, die den Er¬
trag bedeutend steigern werde; doch bewegen sich seine Wahrscheinlichkeits¬
berechnungen in verständigen Grenzen und tragen nichts phantastisches an sich.
Dadurch würde der Übelstand, daß der deutsche Voden seine Bewohner nicht
mehr zu ernähren vermag, wenn auch nicht gehoben, so doch gemildert werden.

(Schluß folgt)




Die Reform des Mlitärstrafprozesses

as Schauspiel äußerster Ratlosigkeit und Zerfahrenheit, das der
verflossene Reichstag unmittelbar vor seiner Auflösung in den
letzten entscheidenden Tagen der Beratung über die Militürvor-
lage bot, war kein Zeugnis für die politische Reife unsers Volkes
und seiner parlamentarischen Vertreter. Hätten namentlich die
liberalen Parteien die Zeichen der Zeit verstanden, so wurden sie, statt un-
fruchtbarer Tiraden über den umsichgreifenden Militarismus, statt kleinlichen
Marktens über das Mehr oder Weniger von einigen Tnuseud neuen Soldaten,
die dem deutschen Volke durch den gewaltigen Ernst der europäischen Lage
aufgenötigte Vorlage gutgeheißen, ihre Zustimmung aber an eine Bedingung
geknüpft haben, die ihnen, wie damals die Dinge lagen, eine geradezu uncm-


Greuzbotm IV 1893 4ki
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[0369] Die Reform des Militälstiafpiozesses schaft teil. Zur Vervollständigung dieses Vorteils gehöre, daß die Guts¬ bezirke ausgehoben werden, die es dem Rittergutsbesitzer möglich machen, sich uicht allein den Gemeindelasten zu entziehen, sondern auch seine eignen Ver¬ pflichtungen, z. B. Schulung seiner Tagelöhnerkinder und Armenpflege, auf sie abzuwälzen; die Gutshöfe müßten sämtlich „inkommunalisirt" werden (wie in Westfalen, bemerkte einer der Redner auf der Generalversammlung). Das andre, was den angesiedelten Arbeitern beim Emporsteigen behilflich sein foll, ist die Wiederherstellung des Gemeindebesitzes: Wiese, Wald und Torfmoor muß den kleinen Leuten (gegen angemessene Entschädigung) wieder zur Ver¬ fügung gestellt werden, um thuen die Viehhaltung zu ermöglichen und die Heizung billiger zu macheu. Außerdem spricht v. d. Goltz das große Wort gelassen aus, die Dreschmaschine müsse beseitigt und der Flegel wieder in seine Rechte eingesetzt werden, damit die Leute wieder Winterarbeit bekämen. Der Verfasser führt aus, wie das Nentengütergesetz zu diesem Zweck umgeformt werden müsse, entwickelt einen umfassenden Plan sür das bei der Anlage von Arbeiteransicdlungen zu beobachtende Verfahren und stellt einen Kostenanschlag nebst Deckungsplan auf. Von einer stärker» Besiedlung des Ostens verspricht er sich einen gewaltigen Fortschritt der intensivem Bodenkultur, die den Er¬ trag bedeutend steigern werde; doch bewegen sich seine Wahrscheinlichkeits¬ berechnungen in verständigen Grenzen und tragen nichts phantastisches an sich. Dadurch würde der Übelstand, daß der deutsche Voden seine Bewohner nicht mehr zu ernähren vermag, wenn auch nicht gehoben, so doch gemildert werden. (Schluß folgt) Die Reform des Mlitärstrafprozesses as Schauspiel äußerster Ratlosigkeit und Zerfahrenheit, das der verflossene Reichstag unmittelbar vor seiner Auflösung in den letzten entscheidenden Tagen der Beratung über die Militürvor- lage bot, war kein Zeugnis für die politische Reife unsers Volkes und seiner parlamentarischen Vertreter. Hätten namentlich die liberalen Parteien die Zeichen der Zeit verstanden, so wurden sie, statt un- fruchtbarer Tiraden über den umsichgreifenden Militarismus, statt kleinlichen Marktens über das Mehr oder Weniger von einigen Tnuseud neuen Soldaten, die dem deutschen Volke durch den gewaltigen Ernst der europäischen Lage aufgenötigte Vorlage gutgeheißen, ihre Zustimmung aber an eine Bedingung geknüpft haben, die ihnen, wie damals die Dinge lagen, eine geradezu uncm- Greuzbotm IV 1893 4ki

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/369>, abgerufen am 22.07.2024.