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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Die Krisis in Amerika

zu halten, verbanden sich die Großindustriellen zu Trusts und Vereinigungen,
zu einem gemeinschaftlichen Vorgehen gegen die Arbeiter, deren Löhne überall
statt aufgebessert beschnitten wurden. Es scheint fast, als ob die Gewalthaber
schon damals gefürchtet hätten, ihre Herrschaft werde nicht lange dauern, und
da müsse man die Gelegenheit beim Schöpfe fassen, möglichst billig zu Pro¬
duziren und, durch Hochzoll geschützt, möglichst teuer zu verkaufen.

Was Wunder, daß unter diesen Umständen die Unzufriedenheit mit den
bestehenden Verhültnisfen in den Kreisen denkender Männer größer und größer
wurde! Dazu kam, daß die republikanische Partei, um ihre Zahl zu stärken,
auf einen schimpflichen Schacher mit den Veteranen aus dem Sklavenkriege
und deren Hinterlassenen und Angehörigen einging, indem sie ein neues
Peusionsgesetz schuf, das dem Bunde achtundzwanzig Jahre nach jenem Kriege
größere Lasten auferlegte, als Deutschland sür seine ganze kriegsbereite Armee
einschließlich der Pensionen zu tragen hat. Dieses Gesetz bereitete nicht allein
dem Überschuß im Schatzamt ein jähes Ende, sondern machte auch die Be¬
schaffung weiterer Barmittel notwendig. Woher diese zu nehmen seien, darüber
zerbrach man sich aber nicht den Kopf.

Einer Vorlage des Abgeordnetenhauses (der Blandbill), die auf Betreiben
der Vertreter der silberproduzirenden westlichen Staaten freie Silberprägung
vorschlug, sträubten sich Präsident Harrisvn und mehr noch sein tüchtiger,
leider während seiner Amtsführung zu .früh verstorbner Schatzamtssekretär
Wiudvm ihre Zustimmung zu geben. Nur mit den allergrößten Anstrengungen
gelang es diesen beiden einsichtsvollen, weit über ihrer Partei stehenden Männern,
den Senat zu veranlassen, die Blandbill beiseite zu schiebe" und statt ihrer
eine Kompromißvorlage anzunehmen, der schließlich auch das Abgeordnetenhaus
seine Zustimmung gab. Diese Bill -- dies zur Steuer der Wahrheit! -- hat
niemals den ungeteilten Beifall ehrlicher Finanzmänner gefunden, am aller¬
wenigsten den des einsichtsvollen Staatsmannes von Ohio, des Senator Sher-
mcm, der die Vorlage mit seinem Namen deckte und sie selbst dem Kongreß unter¬
breitete, lediglich um die Annahme einer noch schädlichem Maßregel zu ver¬
hüten.

Diese Sherman-Acte, das jetzige Silbergesetz, weist den Schatzamtssekretär
an, monatlich für 5500000 Dollar Silber in Barren zum Marktpreise zu kaufen
und mit Gold zu bezahlen. Die Barren sollen vor der Hand nicht geprägt,
sondern im Schatzamte niedergelegt werden. Für die Differenz zwischen dem
Nominalwert des Silbergeldes, das unter Beimischung andrer Metalle aus
diesen Barren geprägt werden könnte, und dem für die Barren thatsächlich
bezahlten Preise sollen Schcitzamtsnoteu (Lilvsr Osriitieatss), die in Silber
einlösbar sind, namentlich in kleinern Beträgen (1, 2 Dollar u.s. w.) ausgegeben
werden. Es liegt auf der Hand, daß, solange diese Differenz weniger als
50 Prozent betrügt (sie ist heute etwa 35 Prozent), das Barrensilber genügende


Die Krisis in Amerika

zu halten, verbanden sich die Großindustriellen zu Trusts und Vereinigungen,
zu einem gemeinschaftlichen Vorgehen gegen die Arbeiter, deren Löhne überall
statt aufgebessert beschnitten wurden. Es scheint fast, als ob die Gewalthaber
schon damals gefürchtet hätten, ihre Herrschaft werde nicht lange dauern, und
da müsse man die Gelegenheit beim Schöpfe fassen, möglichst billig zu Pro¬
duziren und, durch Hochzoll geschützt, möglichst teuer zu verkaufen.

Was Wunder, daß unter diesen Umständen die Unzufriedenheit mit den
bestehenden Verhültnisfen in den Kreisen denkender Männer größer und größer
wurde! Dazu kam, daß die republikanische Partei, um ihre Zahl zu stärken,
auf einen schimpflichen Schacher mit den Veteranen aus dem Sklavenkriege
und deren Hinterlassenen und Angehörigen einging, indem sie ein neues
Peusionsgesetz schuf, das dem Bunde achtundzwanzig Jahre nach jenem Kriege
größere Lasten auferlegte, als Deutschland sür seine ganze kriegsbereite Armee
einschließlich der Pensionen zu tragen hat. Dieses Gesetz bereitete nicht allein
dem Überschuß im Schatzamt ein jähes Ende, sondern machte auch die Be¬
schaffung weiterer Barmittel notwendig. Woher diese zu nehmen seien, darüber
zerbrach man sich aber nicht den Kopf.

Einer Vorlage des Abgeordnetenhauses (der Blandbill), die auf Betreiben
der Vertreter der silberproduzirenden westlichen Staaten freie Silberprägung
vorschlug, sträubten sich Präsident Harrisvn und mehr noch sein tüchtiger,
leider während seiner Amtsführung zu .früh verstorbner Schatzamtssekretär
Wiudvm ihre Zustimmung zu geben. Nur mit den allergrößten Anstrengungen
gelang es diesen beiden einsichtsvollen, weit über ihrer Partei stehenden Männern,
den Senat zu veranlassen, die Blandbill beiseite zu schiebe» und statt ihrer
eine Kompromißvorlage anzunehmen, der schließlich auch das Abgeordnetenhaus
seine Zustimmung gab. Diese Bill — dies zur Steuer der Wahrheit! — hat
niemals den ungeteilten Beifall ehrlicher Finanzmänner gefunden, am aller¬
wenigsten den des einsichtsvollen Staatsmannes von Ohio, des Senator Sher-
mcm, der die Vorlage mit seinem Namen deckte und sie selbst dem Kongreß unter¬
breitete, lediglich um die Annahme einer noch schädlichem Maßregel zu ver¬
hüten.

Diese Sherman-Acte, das jetzige Silbergesetz, weist den Schatzamtssekretär
an, monatlich für 5500000 Dollar Silber in Barren zum Marktpreise zu kaufen
und mit Gold zu bezahlen. Die Barren sollen vor der Hand nicht geprägt,
sondern im Schatzamte niedergelegt werden. Für die Differenz zwischen dem
Nominalwert des Silbergeldes, das unter Beimischung andrer Metalle aus
diesen Barren geprägt werden könnte, und dem für die Barren thatsächlich
bezahlten Preise sollen Schcitzamtsnoteu (Lilvsr Osriitieatss), die in Silber
einlösbar sind, namentlich in kleinern Beträgen (1, 2 Dollar u.s. w.) ausgegeben
werden. Es liegt auf der Hand, daß, solange diese Differenz weniger als
50 Prozent betrügt (sie ist heute etwa 35 Prozent), das Barrensilber genügende


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/304>, abgerufen am 22.07.2024.