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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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König Albert

n diesen Tagen haben sich wieder die Blicke ganz Deutschlands
und nicht nur Deutschlands nach Sachsens schöner Hauptstadt
gerichtet. Inmitten eines glänzenden Kreises, wie er Wohl nie¬
mals einen Fürsten aus dem Hause Wettin umgeben hat, beging
König Albert die Feier seines funfzigjährigen militärischen Dienst-
jubiläums. Gewiß war es zunächst eine militärische Feier. Und doch wurde
es ein allgemeines Fest für das sächsische, ja für das deutsche Volk. Denn
längst sind die Zeiten vorüber, wo das wunderliche Wort Friedrichs des
Großen galt: "Der friedliche Bürger soll es gar nicht merken, wenn die Nation
sich schlägt." Damals schlug sich eben nicht die Nation, sondern ein Söldner¬
heer; heute sind Volk und Heer eins, ist das Heer das Volk in Waffen, trügt
jeder wehrtüchtige Mann auf kürzere oder längere Zeit des Kaisers und des
Königs Rock, nimmt jeder Anteil am Heere, wird jeder Krieg zum Volkskriege.
Und eben in Zeiten des Friedens, wie wir ihn nun gegen alle ursprüngliche
Erwartung schon dreiundzwanzig Jahre lang wieder genießen, und unter den
schweren Lasten, die unsre Heeresrüstung dem Volke auferlegt, da thut es not,
zuweilen wieder daran zu erinnern, daß die Sicherheit und die Größe des
Vaterlands in erster Linie nicht auf unserm Reichtum und unsrer Bildung
beruhen, sondern auf unserm Heere, daß nicht das reichste Volk das stärkste
ist, sondern das wehrfähigste, daß die Lebensfragen der Völker nicht durch
Reden und Beschlüsse und das Geschwätz internationaler Friedenskongresse
entschieden werden, sondern durch das Schwert. Aber weiter! Diese Feier
hat auch eine wahrhaft nationale Bedeutung. Ob ein Feldherr seine Begabung
bewahrt, das hängt nicht, wie in jedem andern Berufe, von dem Willen und
dem Streben des Einzelnen ab, sondern von den Umständen, von den großen


Grenzboten IV 1893 2ö



König Albert

n diesen Tagen haben sich wieder die Blicke ganz Deutschlands
und nicht nur Deutschlands nach Sachsens schöner Hauptstadt
gerichtet. Inmitten eines glänzenden Kreises, wie er Wohl nie¬
mals einen Fürsten aus dem Hause Wettin umgeben hat, beging
König Albert die Feier seines funfzigjährigen militärischen Dienst-
jubiläums. Gewiß war es zunächst eine militärische Feier. Und doch wurde
es ein allgemeines Fest für das sächsische, ja für das deutsche Volk. Denn
längst sind die Zeiten vorüber, wo das wunderliche Wort Friedrichs des
Großen galt: „Der friedliche Bürger soll es gar nicht merken, wenn die Nation
sich schlägt." Damals schlug sich eben nicht die Nation, sondern ein Söldner¬
heer; heute sind Volk und Heer eins, ist das Heer das Volk in Waffen, trügt
jeder wehrtüchtige Mann auf kürzere oder längere Zeit des Kaisers und des
Königs Rock, nimmt jeder Anteil am Heere, wird jeder Krieg zum Volkskriege.
Und eben in Zeiten des Friedens, wie wir ihn nun gegen alle ursprüngliche
Erwartung schon dreiundzwanzig Jahre lang wieder genießen, und unter den
schweren Lasten, die unsre Heeresrüstung dem Volke auferlegt, da thut es not,
zuweilen wieder daran zu erinnern, daß die Sicherheit und die Größe des
Vaterlands in erster Linie nicht auf unserm Reichtum und unsrer Bildung
beruhen, sondern auf unserm Heere, daß nicht das reichste Volk das stärkste
ist, sondern das wehrfähigste, daß die Lebensfragen der Völker nicht durch
Reden und Beschlüsse und das Geschwätz internationaler Friedenskongresse
entschieden werden, sondern durch das Schwert. Aber weiter! Diese Feier
hat auch eine wahrhaft nationale Bedeutung. Ob ein Feldherr seine Begabung
bewahrt, das hängt nicht, wie in jedem andern Berufe, von dem Willen und
dem Streben des Einzelnen ab, sondern von den Umständen, von den großen


Grenzboten IV 1893 2ö
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[0201] [Abbildung] König Albert n diesen Tagen haben sich wieder die Blicke ganz Deutschlands und nicht nur Deutschlands nach Sachsens schöner Hauptstadt gerichtet. Inmitten eines glänzenden Kreises, wie er Wohl nie¬ mals einen Fürsten aus dem Hause Wettin umgeben hat, beging König Albert die Feier seines funfzigjährigen militärischen Dienst- jubiläums. Gewiß war es zunächst eine militärische Feier. Und doch wurde es ein allgemeines Fest für das sächsische, ja für das deutsche Volk. Denn längst sind die Zeiten vorüber, wo das wunderliche Wort Friedrichs des Großen galt: „Der friedliche Bürger soll es gar nicht merken, wenn die Nation sich schlägt." Damals schlug sich eben nicht die Nation, sondern ein Söldner¬ heer; heute sind Volk und Heer eins, ist das Heer das Volk in Waffen, trügt jeder wehrtüchtige Mann auf kürzere oder längere Zeit des Kaisers und des Königs Rock, nimmt jeder Anteil am Heere, wird jeder Krieg zum Volkskriege. Und eben in Zeiten des Friedens, wie wir ihn nun gegen alle ursprüngliche Erwartung schon dreiundzwanzig Jahre lang wieder genießen, und unter den schweren Lasten, die unsre Heeresrüstung dem Volke auferlegt, da thut es not, zuweilen wieder daran zu erinnern, daß die Sicherheit und die Größe des Vaterlands in erster Linie nicht auf unserm Reichtum und unsrer Bildung beruhen, sondern auf unserm Heere, daß nicht das reichste Volk das stärkste ist, sondern das wehrfähigste, daß die Lebensfragen der Völker nicht durch Reden und Beschlüsse und das Geschwätz internationaler Friedenskongresse entschieden werden, sondern durch das Schwert. Aber weiter! Diese Feier hat auch eine wahrhaft nationale Bedeutung. Ob ein Feldherr seine Begabung bewahrt, das hängt nicht, wie in jedem andern Berufe, von dem Willen und dem Streben des Einzelnen ab, sondern von den Umständen, von den großen Grenzboten IV 1893 2ö

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/201>, abgerufen am 30.06.2024.