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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Der neueste Stand der Hoincrnlepolitik

Bestrebungen von Jsaak Butt. Aber sie blieben so lange machtlos, als sie
nicht für ihre politischen Ziele die agrarische Frage zum Vorspann nahmen
und ausnützten. Dies that Parnell; er sah, was schon vor ihm Fintan Labor
und John Mitchel gepredigt hatte", daß der Kampf für die Unabhängigkeit
erst dann Kraft gewinnen könne, wenn er zum Kampf für Abschaffung der
Rente werde. Alle die jetzigen irische" Führer, die unter Hvinerule un¬
zweifelhaft die Negierung Irlands in ihre Hände bekommen würden, habe"
den Grundbesitzern hundertmal den Untergang geschworen und "haben sich
- wie es in dein Urteil der Paruellkommission heißt -- in eine Verschwö¬
rung eingelassen, um durch planmäßigen Zwang und durch Einschüchterung
eine agrarische Bewegung gegen die Zahlung der Pachtgelder ins Werk zu
setzen, mit der Absicht, dadurch die irischen Grundbesitzer, die sie die englische
Garnison nennen, zu berauben und aus dem Lande zu treiben." 1886 war
sich Gladstone über diese Pläne seiner Bundesgenossen vollkommen klar, und
er erklärte damals, es sei "eine Verpflichtung der Gerechtigkeit und eine Forde¬
rung der Ehre im Reichsparlament die Landfrage gleichzeitig mit der Home-
rnlefrage z" löse""; er brachte deshalb zusammeiigekoppelt mit der Homernle-
bill eine irische Landankaufsbill ein, die durch einen großartigen Geldauf¬
wand die Ausrandung der Grundbesitzer durch eine irische Negierung un¬
möglich gemacht hätte. Der jetzige Minister Brhce erklärte damals: "Nach
der Macht, über das Land frei zu verfügen, geht der eigentliche Herzenswunsch
der Iren. Mit einer Polizei nnter der Aufsicht gewählter Behörden könnten
die Grundbesitzer auf ihre Reute pfeifen; sie dürften sich glücklich schätzen,
wenn sie ihre heile Haut behielten. Die Ehre Englands ist für ihre Rechte
verpfändet." Die irischen Grundbesitzer haben auf de" verlockenden Köder nicht
angebissen und sind der Union treu gebliebe"; bellte ist deshalb von jenen
feierlichen Verpflichtungen der Ehre und der Gerechtigkeit nicht weiter die Rede.

Neben diesen ins einzelne gehenden Konlpeteuzbeschränkungen dienen nach
Gladstone dem Schutze der Oberhoheit des Neichsparlaments noch zwei weitere
Bestimmungen, nämlich das Veto des Vizekönigs und eine feierliche Er¬
klärung. Der Paragraph, der die Vetobestimmung enthält, lautet: "Der
Lordleutnant soll auf Anweisung des genannten Exekutivausschusses it. h. seines
irischen Kabinets) die Zustimmung Ihrer Majestät der Königin zu einem von
beiden Häusern der irischen Gesetzgebung angenommnen Gesetz geben oder ver¬
weigern, aber trotzdem allen Anweisungen, die von Ihrer Majestät in Bezug
auf irgend ein Gesetz gegeben werden, unterworfen sein." Der letzte Abschnitt
sichert der britischen Krone, durch sie dem Neichsministerinm und durch dieses
dein Neichsparlciment ein Veto gegen jeden Beschluß des irischen Parlaments.
Wie würde sich dies aber in der Wirklichkeit macheu? Unzweifelhaft so, daß,
wenn der Vizekönig dieses Veto gegen den Willen der Mehrheit seines irischen
Parlaments ausübte, die ganze Negierungsmaschiue zum Stillstande käme.


Der neueste Stand der Hoincrnlepolitik

Bestrebungen von Jsaak Butt. Aber sie blieben so lange machtlos, als sie
nicht für ihre politischen Ziele die agrarische Frage zum Vorspann nahmen
und ausnützten. Dies that Parnell; er sah, was schon vor ihm Fintan Labor
und John Mitchel gepredigt hatte», daß der Kampf für die Unabhängigkeit
erst dann Kraft gewinnen könne, wenn er zum Kampf für Abschaffung der
Rente werde. Alle die jetzigen irische» Führer, die unter Hvinerule un¬
zweifelhaft die Negierung Irlands in ihre Hände bekommen würden, habe»
den Grundbesitzern hundertmal den Untergang geschworen und „haben sich
- wie es in dein Urteil der Paruellkommission heißt — in eine Verschwö¬
rung eingelassen, um durch planmäßigen Zwang und durch Einschüchterung
eine agrarische Bewegung gegen die Zahlung der Pachtgelder ins Werk zu
setzen, mit der Absicht, dadurch die irischen Grundbesitzer, die sie die englische
Garnison nennen, zu berauben und aus dem Lande zu treiben." 1886 war
sich Gladstone über diese Pläne seiner Bundesgenossen vollkommen klar, und
er erklärte damals, es sei „eine Verpflichtung der Gerechtigkeit und eine Forde¬
rung der Ehre im Reichsparlament die Landfrage gleichzeitig mit der Home-
rnlefrage z» löse»"; er brachte deshalb zusammeiigekoppelt mit der Homernle-
bill eine irische Landankaufsbill ein, die durch einen großartigen Geldauf¬
wand die Ausrandung der Grundbesitzer durch eine irische Negierung un¬
möglich gemacht hätte. Der jetzige Minister Brhce erklärte damals: „Nach
der Macht, über das Land frei zu verfügen, geht der eigentliche Herzenswunsch
der Iren. Mit einer Polizei nnter der Aufsicht gewählter Behörden könnten
die Grundbesitzer auf ihre Reute pfeifen; sie dürften sich glücklich schätzen,
wenn sie ihre heile Haut behielten. Die Ehre Englands ist für ihre Rechte
verpfändet." Die irischen Grundbesitzer haben auf de» verlockenden Köder nicht
angebissen und sind der Union treu gebliebe»; bellte ist deshalb von jenen
feierlichen Verpflichtungen der Ehre und der Gerechtigkeit nicht weiter die Rede.

Neben diesen ins einzelne gehenden Konlpeteuzbeschränkungen dienen nach
Gladstone dem Schutze der Oberhoheit des Neichsparlaments noch zwei weitere
Bestimmungen, nämlich das Veto des Vizekönigs und eine feierliche Er¬
klärung. Der Paragraph, der die Vetobestimmung enthält, lautet: „Der
Lordleutnant soll auf Anweisung des genannten Exekutivausschusses it. h. seines
irischen Kabinets) die Zustimmung Ihrer Majestät der Königin zu einem von
beiden Häusern der irischen Gesetzgebung angenommnen Gesetz geben oder ver¬
weigern, aber trotzdem allen Anweisungen, die von Ihrer Majestät in Bezug
auf irgend ein Gesetz gegeben werden, unterworfen sein." Der letzte Abschnitt
sichert der britischen Krone, durch sie dem Neichsministerinm und durch dieses
dein Neichsparlciment ein Veto gegen jeden Beschluß des irischen Parlaments.
Wie würde sich dies aber in der Wirklichkeit macheu? Unzweifelhaft so, daß,
wenn der Vizekönig dieses Veto gegen den Willen der Mehrheit seines irischen
Parlaments ausübte, die ganze Negierungsmaschiue zum Stillstande käme.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/14>, abgerufen am 04.07.2024.