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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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wurden wegen der knauserigen Art, womit die reichen Geldmänner die Ärzte für
ihre Benus"ngen abzufinden gedachten, an demselben Nachmittage, wo der Senat
das Ultimatum veröffentlichte: "Die herangezogenen Ärzte und Studirenden be¬
kommen nicht mehr als drei Mark dreißig Pfennige für den Tag und find
schleunigst aus der Anstalt zu entfernen," wurde der Herr Senator Schulz
durch einen Eilboten von einem der bekanntern Notare der Stadt an daS
Krankenbett seiner Stieftochter Mnrcelitn berufen.

Von Mexiko aus kannten sich der Arzt und der Senator sehr wohl. Die
herrliche Nickeltransaktivn, durch die der Senator zu seinem Reichtum ge¬
kommen war, war dem deutschen Arzt genügend bekannt, ja sogar offen von
ihm gebrandmarkt worden. Denn in der Hauptstadt Mexiko war der deutsche
Arzt durch seine kosmopolitischen Eigenschaften so gestellt, daß er vor dem
Hamburger Krösus in sxo nicht zu kriechen brauchte. Er hatte darüber in
den Zeitungen sein Urteil abgegeben, und es hatte dem Nickelfürsten große
Mühe gekostet, zu verhindern, daß die Nachrichten nach Hnmbnrg drangen,
denn das Hütte der Erreichung der Senatvrwürde im Wege gestanden. Nun
stand der vor jedem Windhauch eines solchen Gerüchtes zitternde Mann plötz¬
lich Ange in Auge seinem Widersacher, dem Arzte, und seiner Stieftochter,
deren Hand der Arzt begehrte, in Gegenwart des Notars gegenüber, der die
Volljährigkeit Mareelitas erklärte und die Herausgabe ihre? Erbteils und ihrer
Person beantragte.

Ein Blickwechsel, und -- "Fürst Schulze" begriff die Lage. Er mußte
in alles willigen, was verlangt wurde, wenn nicht andres ruchbar werden
sollte, und an demselben Abend, wo eine anständige Bezahlung der ärzt¬
lichen Dienste im Cholerahospital von dem Herrn Senator verweigert wurde,
mußte er, ohne eine Miene zu verziehen, sehen, wie sein Wille durchkreuzt und
seiue Stieftochter, die er schon für seine sichere Beute gehalten hatte, ihm von
seinem Feinde entführt wurde. Eine größere Genugthuung als die Angst des
mit bleichem Antlitz davoneilenden Stiefvaters zu sehen, konnte Mnrcclita und
ihrem Bräutigam kaum werden.

Ehe dieser aber mit der Genesenen das Krankenhaus verließ, konnte er
nicht umhin, sich von dem Kassirer die drei Mark dreißig Pfennige für den
Tag wirklich auszahlen zu kahlen -- diesem Arztlvhu, dessen die Nachwelt ewig
gedenken wird. --

Der Erzähler hatte geendet. Wir standen an der Brüstung der Brücke
und schauten hinab in die Menge der bunten, schnell dahinschießender Lichter
der Schiffe und Schiffchen, der schwimmenden turmartigen Speicher, der kleinen
Propellvrs und der großen Auswandererdampfer auf dem Meeresarme tief
unter uns. Die Abendsonne vergoldete die düstern Paläste, das Häusermeer
und die Freiheitsstatue draußen im Hafen. Nur ein roter Humes lagerte noch
ans all diesen Denkmäler" der Allmacht des Dollars.


wurden wegen der knauserigen Art, womit die reichen Geldmänner die Ärzte für
ihre Benus»ngen abzufinden gedachten, an demselben Nachmittage, wo der Senat
das Ultimatum veröffentlichte: „Die herangezogenen Ärzte und Studirenden be¬
kommen nicht mehr als drei Mark dreißig Pfennige für den Tag und find
schleunigst aus der Anstalt zu entfernen," wurde der Herr Senator Schulz
durch einen Eilboten von einem der bekanntern Notare der Stadt an daS
Krankenbett seiner Stieftochter Mnrcelitn berufen.

Von Mexiko aus kannten sich der Arzt und der Senator sehr wohl. Die
herrliche Nickeltransaktivn, durch die der Senator zu seinem Reichtum ge¬
kommen war, war dem deutschen Arzt genügend bekannt, ja sogar offen von
ihm gebrandmarkt worden. Denn in der Hauptstadt Mexiko war der deutsche
Arzt durch seine kosmopolitischen Eigenschaften so gestellt, daß er vor dem
Hamburger Krösus in sxo nicht zu kriechen brauchte. Er hatte darüber in
den Zeitungen sein Urteil abgegeben, und es hatte dem Nickelfürsten große
Mühe gekostet, zu verhindern, daß die Nachrichten nach Hnmbnrg drangen,
denn das Hütte der Erreichung der Senatvrwürde im Wege gestanden. Nun
stand der vor jedem Windhauch eines solchen Gerüchtes zitternde Mann plötz¬
lich Ange in Auge seinem Widersacher, dem Arzte, und seiner Stieftochter,
deren Hand der Arzt begehrte, in Gegenwart des Notars gegenüber, der die
Volljährigkeit Mareelitas erklärte und die Herausgabe ihre? Erbteils und ihrer
Person beantragte.

Ein Blickwechsel, und — „Fürst Schulze" begriff die Lage. Er mußte
in alles willigen, was verlangt wurde, wenn nicht andres ruchbar werden
sollte, und an demselben Abend, wo eine anständige Bezahlung der ärzt¬
lichen Dienste im Cholerahospital von dem Herrn Senator verweigert wurde,
mußte er, ohne eine Miene zu verziehen, sehen, wie sein Wille durchkreuzt und
seiue Stieftochter, die er schon für seine sichere Beute gehalten hatte, ihm von
seinem Feinde entführt wurde. Eine größere Genugthuung als die Angst des
mit bleichem Antlitz davoneilenden Stiefvaters zu sehen, konnte Mnrcclita und
ihrem Bräutigam kaum werden.

Ehe dieser aber mit der Genesenen das Krankenhaus verließ, konnte er
nicht umhin, sich von dem Kassirer die drei Mark dreißig Pfennige für den
Tag wirklich auszahlen zu kahlen — diesem Arztlvhu, dessen die Nachwelt ewig
gedenken wird. —

Der Erzähler hatte geendet. Wir standen an der Brüstung der Brücke
und schauten hinab in die Menge der bunten, schnell dahinschießender Lichter
der Schiffe und Schiffchen, der schwimmenden turmartigen Speicher, der kleinen
Propellvrs und der großen Auswandererdampfer auf dem Meeresarme tief
unter uns. Die Abendsonne vergoldete die düstern Paläste, das Häusermeer
und die Freiheitsstatue draußen im Hafen. Nur ein roter Humes lagerte noch
ans all diesen Denkmäler» der Allmacht des Dollars.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/95>, abgerufen am 23.11.2024.