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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Kampfes ist -- das Griechische. Ist das Griechische ein notwendiger Be¬
standteil des Gymnasialnnterrichts, und wenn das der Fall ist, in welchem
Umfange soll es betrieben werden? Das ist der Streitpunkt. Fest steht, daß
es in dem jetzigen Umfange nicht lange mehr wird betrieben werden können, wenn
das Gymnasium den modernen Wissenschaften so weit Rechnung tragen soll, daß
es allgemeine Bildungsanstalt bleibt und nicht zur gelehrten Fachschule wird.

Das beste Bild dieses Kampfes um das Griechische geben zwei Schriften,
die in letzter Zeit einiges Aufsehen gemacht haben: Die Zukunft des grie¬
chischen Sprachunterrichts auf deu Gymnasien (Vortrag, gehalten in der
siebzehnten Generalversammlung des Vereins von Lehrern höherer Unterrichts¬
anstalten der Provinzen Ost- und Westpreußen zu Danzig am 19. Mai 1891
von Dr. Fr. Bahnsch, Professor am Königlichen Gymnasium zu Danzig.
Konitz, Wilh. Dupont, 1891); die andre: Der Streit um den griechischen
Sprachunterricht, von demselben Verfasser (Danzig, Saurier). Die erste
Schrift enthalt die Thesen und ihre Begründung, die zweite verteidigt diese
Thesen gegen die Fachgenossen, die das Griechische um jeden Preis festhalten
möchten, besonders gegen den Heidelberger Gymnasialrektor G. Uhlig, der gern
einmal aus der Hochburg des humanistischen Gymnasiums einen gewaltigen
Ausfall gegen die andrängende moderne Bildung macht. Gegen Bahusch hat
er freilich einen etwas schweren Stand, weil auch dieser ein seiner Kenner des
Griechischen ist und über eine reiche Erfahrung auf dem Gebiete des griechischen
Unterrichts in den verschiednen Klassen gebietet.

Die Thesen, die Bahnsch aufstellt, sind folgende: 1. Der griechische
Sprachunterricht kann heute nicht mehr (oder noch viel weniger als früher) sein
Ziel erreichen, die Schüler sprachlich so weit auszurüsten, daß sie fähig wären,
die griechischen Schriftsteller in der Ursprache mit einiger Sicherheit und Selb¬
ständigkeit zu lesen. 2. Die auf der Schule erworbnen Sprachkenntnisfe im
Griechischen verflüchtigen sich sehr schnell, weil später meist die Gelegenheit
fehlt, sie aufzufrischen und neu zu befestigen; sie sind notwendig nur für theo¬
logische und philologisch-historische Studien, sonst aber wohl ein Schmuck,
aber kein unentbehrliches Element wissenschaftlicher Bildung. ^. Die Schüler
werdeu in die griechische Litteratur viel leichter und gründlicher durch gute
Übersetzungen eingeführt. 4. Deshalb ist es vernunftgemäß, den griechischen
Sprachunterricht aus dem obligatorischen Betriebe zurückzuziehn und von der
dadurch frei gewordnen Zeit in den obern Klassen einen Teil (etwa zwei
wöchentliche Stunden) einem neu zu organisirenden Unterricht in der griechischen
Litteratur zu widmen, der sich auf deutsche Übersetzungen gründet. S. Diese
einschneidende Maßregel würde endlich Raum schaffen für die berechtigten und
auf die Dauer unabweislichen Wünsche der Gegenwart, die Aufnahme des
Englischen in den obligatorischen Unterricht und -- einen gründlichern Betrieb
des Deutschen.


Kampfes ist — das Griechische. Ist das Griechische ein notwendiger Be¬
standteil des Gymnasialnnterrichts, und wenn das der Fall ist, in welchem
Umfange soll es betrieben werden? Das ist der Streitpunkt. Fest steht, daß
es in dem jetzigen Umfange nicht lange mehr wird betrieben werden können, wenn
das Gymnasium den modernen Wissenschaften so weit Rechnung tragen soll, daß
es allgemeine Bildungsanstalt bleibt und nicht zur gelehrten Fachschule wird.

Das beste Bild dieses Kampfes um das Griechische geben zwei Schriften,
die in letzter Zeit einiges Aufsehen gemacht haben: Die Zukunft des grie¬
chischen Sprachunterrichts auf deu Gymnasien (Vortrag, gehalten in der
siebzehnten Generalversammlung des Vereins von Lehrern höherer Unterrichts¬
anstalten der Provinzen Ost- und Westpreußen zu Danzig am 19. Mai 1891
von Dr. Fr. Bahnsch, Professor am Königlichen Gymnasium zu Danzig.
Konitz, Wilh. Dupont, 1891); die andre: Der Streit um den griechischen
Sprachunterricht, von demselben Verfasser (Danzig, Saurier). Die erste
Schrift enthalt die Thesen und ihre Begründung, die zweite verteidigt diese
Thesen gegen die Fachgenossen, die das Griechische um jeden Preis festhalten
möchten, besonders gegen den Heidelberger Gymnasialrektor G. Uhlig, der gern
einmal aus der Hochburg des humanistischen Gymnasiums einen gewaltigen
Ausfall gegen die andrängende moderne Bildung macht. Gegen Bahusch hat
er freilich einen etwas schweren Stand, weil auch dieser ein seiner Kenner des
Griechischen ist und über eine reiche Erfahrung auf dem Gebiete des griechischen
Unterrichts in den verschiednen Klassen gebietet.

Die Thesen, die Bahnsch aufstellt, sind folgende: 1. Der griechische
Sprachunterricht kann heute nicht mehr (oder noch viel weniger als früher) sein
Ziel erreichen, die Schüler sprachlich so weit auszurüsten, daß sie fähig wären,
die griechischen Schriftsteller in der Ursprache mit einiger Sicherheit und Selb¬
ständigkeit zu lesen. 2. Die auf der Schule erworbnen Sprachkenntnisfe im
Griechischen verflüchtigen sich sehr schnell, weil später meist die Gelegenheit
fehlt, sie aufzufrischen und neu zu befestigen; sie sind notwendig nur für theo¬
logische und philologisch-historische Studien, sonst aber wohl ein Schmuck,
aber kein unentbehrliches Element wissenschaftlicher Bildung. ^. Die Schüler
werdeu in die griechische Litteratur viel leichter und gründlicher durch gute
Übersetzungen eingeführt. 4. Deshalb ist es vernunftgemäß, den griechischen
Sprachunterricht aus dem obligatorischen Betriebe zurückzuziehn und von der
dadurch frei gewordnen Zeit in den obern Klassen einen Teil (etwa zwei
wöchentliche Stunden) einem neu zu organisirenden Unterricht in der griechischen
Litteratur zu widmen, der sich auf deutsche Übersetzungen gründet. S. Diese
einschneidende Maßregel würde endlich Raum schaffen für die berechtigten und
auf die Dauer unabweislichen Wünsche der Gegenwart, die Aufnahme des
Englischen in den obligatorischen Unterricht und — einen gründlichern Betrieb
des Deutschen.


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[0076] Kampfes ist — das Griechische. Ist das Griechische ein notwendiger Be¬ standteil des Gymnasialnnterrichts, und wenn das der Fall ist, in welchem Umfange soll es betrieben werden? Das ist der Streitpunkt. Fest steht, daß es in dem jetzigen Umfange nicht lange mehr wird betrieben werden können, wenn das Gymnasium den modernen Wissenschaften so weit Rechnung tragen soll, daß es allgemeine Bildungsanstalt bleibt und nicht zur gelehrten Fachschule wird. Das beste Bild dieses Kampfes um das Griechische geben zwei Schriften, die in letzter Zeit einiges Aufsehen gemacht haben: Die Zukunft des grie¬ chischen Sprachunterrichts auf deu Gymnasien (Vortrag, gehalten in der siebzehnten Generalversammlung des Vereins von Lehrern höherer Unterrichts¬ anstalten der Provinzen Ost- und Westpreußen zu Danzig am 19. Mai 1891 von Dr. Fr. Bahnsch, Professor am Königlichen Gymnasium zu Danzig. Konitz, Wilh. Dupont, 1891); die andre: Der Streit um den griechischen Sprachunterricht, von demselben Verfasser (Danzig, Saurier). Die erste Schrift enthalt die Thesen und ihre Begründung, die zweite verteidigt diese Thesen gegen die Fachgenossen, die das Griechische um jeden Preis festhalten möchten, besonders gegen den Heidelberger Gymnasialrektor G. Uhlig, der gern einmal aus der Hochburg des humanistischen Gymnasiums einen gewaltigen Ausfall gegen die andrängende moderne Bildung macht. Gegen Bahusch hat er freilich einen etwas schweren Stand, weil auch dieser ein seiner Kenner des Griechischen ist und über eine reiche Erfahrung auf dem Gebiete des griechischen Unterrichts in den verschiednen Klassen gebietet. Die Thesen, die Bahnsch aufstellt, sind folgende: 1. Der griechische Sprachunterricht kann heute nicht mehr (oder noch viel weniger als früher) sein Ziel erreichen, die Schüler sprachlich so weit auszurüsten, daß sie fähig wären, die griechischen Schriftsteller in der Ursprache mit einiger Sicherheit und Selb¬ ständigkeit zu lesen. 2. Die auf der Schule erworbnen Sprachkenntnisfe im Griechischen verflüchtigen sich sehr schnell, weil später meist die Gelegenheit fehlt, sie aufzufrischen und neu zu befestigen; sie sind notwendig nur für theo¬ logische und philologisch-historische Studien, sonst aber wohl ein Schmuck, aber kein unentbehrliches Element wissenschaftlicher Bildung. ^. Die Schüler werdeu in die griechische Litteratur viel leichter und gründlicher durch gute Übersetzungen eingeführt. 4. Deshalb ist es vernunftgemäß, den griechischen Sprachunterricht aus dem obligatorischen Betriebe zurückzuziehn und von der dadurch frei gewordnen Zeit in den obern Klassen einen Teil (etwa zwei wöchentliche Stunden) einem neu zu organisirenden Unterricht in der griechischen Litteratur zu widmen, der sich auf deutsche Übersetzungen gründet. S. Diese einschneidende Maßregel würde endlich Raum schaffen für die berechtigten und auf die Dauer unabweislichen Wünsche der Gegenwart, die Aufnahme des Englischen in den obligatorischen Unterricht und — einen gründlichern Betrieb des Deutschen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/76>, abgerufen am 01.09.2024.