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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Schwarzes Bret

nelius Nepos. Sie suchten sofort in der ungenirtesten Weise dem sich sträu¬
benden Kondukteur die Zcihnrndbremse zu entwinden, sodaß dieser sie schließlich
gutwillig meinem besondern Freunde Hcirry eine Zeit lang überließ, dieser
dann sich wie ein Schiffssteuermann aufstellte und behauptete, daß er mit der¬
selben Geschicklichkeit auch das Staatsschiff lenken würde, wenn die Präsidenten¬
wahl einmal auf seine bescheidne Persönlichkeit fallen sollte.

Jugend hat keine Tugend, dachte ich; dabei gingen mir aber doch wieder
die Anfangsworte des Themistokles durch den Kopf: Die Fehler feiner Jugend¬
zeit wurden durch so große Tugenden allsgeglichen, daß keiner ihm vorgezogen,
wenige ihm gleichgestellt wurden. Warum sollte auch Hcirry nicht einmal
Präsident werden? Zumal mit Lizzie und ihrem reichen Anhang? Es ist
eine schöne Sache um das Selbstvertrauen! Hier traut sich jeder junge Mann
das Größte zu; in Deutschland werden sie erzogen, das Haupt gebeugt zu
tragen. Und warum tragen sie es gebeugt? warum?

Warum? Hatte es nicht die eine der beiden jungen Lehrerinnen in all
ihrer Backsischunschuld am Ende richtig durchschaut?




Schwarzes Bret

Was sind "die Baden"? Es giebt ein Land Baden, es giebt Orte des Namens Baden,
es giebt Badenser oder richtiger Badener, aber die Baden? Man weiß, daß die Hohenzollern
eins der ruhmreichsten Fürst engeschlechter sind, aber wer ist "die Hohenzollern"? Der Berg,
der die Stammburg auf seinem Gipfel trägt, ist doch "der" Hohenzollern. Es ist ein sonder¬
barer Mißbrauch, Schiffe unsrer Marine mir nichts dir nichts ins weibliche Geschlecht zu ver¬
letzen. Man sagt natürlich mit Recht "die Carola" oder "die Viktoria/' aber man sagt doch
"der Kaiser" und "der Blitz." Es ist also ebenso abgeschmackt, "die Hohenzollern" zu sagen,
wie etwa "die Kaiser." In denZeituugeu heißt es aber jetzt: Das Unglück auf der "Baden."
Warum nicht "aus dem Schiff Baden"? Oder sieht das Panzerschiff Baden nicht so gut aus
wie "die Baden"? _




An "Fällen" ist seit Jahr und Tag kein Mangel im deutschen Reiche gewesen. Die
Wissenschaft würde stillstehe", wenn Mangel an Fällen einträte, und den Zeitungen würde
der Stoff ausgehen, wenn nicht von Zeit zu Zeit ein neuer "Fall" die Spalten füllte. Dem
Vorwärts, dem sozialdemokratischen Zentralorgan, verdanken wir abermals eine Bereicherung
unsrer Kenntnisse: es giebt nicht bloß bürgerliche Fälle, wie der Fall Fusangel und der Fall
Baare, es giebt auch ndeliche Fälle. "Noch einmal der Fall von Bosse," schreibt der Vor¬
wärts in seiner Nummer vom 29. August. Wie lauge wirds dauern, so bekommt der Fall
auch noch einen Titel I Das kann gut werden: der Fall Müller, der Fall von Müller, der Fall
Freiherr von Müller.




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nelius Nepos. Sie suchten sofort in der ungenirtesten Weise dem sich sträu¬
benden Kondukteur die Zcihnrndbremse zu entwinden, sodaß dieser sie schließlich
gutwillig meinem besondern Freunde Hcirry eine Zeit lang überließ, dieser
dann sich wie ein Schiffssteuermann aufstellte und behauptete, daß er mit der¬
selben Geschicklichkeit auch das Staatsschiff lenken würde, wenn die Präsidenten¬
wahl einmal auf seine bescheidne Persönlichkeit fallen sollte.

Jugend hat keine Tugend, dachte ich; dabei gingen mir aber doch wieder
die Anfangsworte des Themistokles durch den Kopf: Die Fehler feiner Jugend¬
zeit wurden durch so große Tugenden allsgeglichen, daß keiner ihm vorgezogen,
wenige ihm gleichgestellt wurden. Warum sollte auch Hcirry nicht einmal
Präsident werden? Zumal mit Lizzie und ihrem reichen Anhang? Es ist
eine schöne Sache um das Selbstvertrauen! Hier traut sich jeder junge Mann
das Größte zu; in Deutschland werden sie erzogen, das Haupt gebeugt zu
tragen. Und warum tragen sie es gebeugt? warum?

Warum? Hatte es nicht die eine der beiden jungen Lehrerinnen in all
ihrer Backsischunschuld am Ende richtig durchschaut?




Schwarzes Bret

Was sind „die Baden"? Es giebt ein Land Baden, es giebt Orte des Namens Baden,
es giebt Badenser oder richtiger Badener, aber die Baden? Man weiß, daß die Hohenzollern
eins der ruhmreichsten Fürst engeschlechter sind, aber wer ist „die Hohenzollern"? Der Berg,
der die Stammburg auf seinem Gipfel trägt, ist doch „der" Hohenzollern. Es ist ein sonder¬
barer Mißbrauch, Schiffe unsrer Marine mir nichts dir nichts ins weibliche Geschlecht zu ver¬
letzen. Man sagt natürlich mit Recht „die Carola" oder „die Viktoria/' aber man sagt doch
„der Kaiser" und „der Blitz." Es ist also ebenso abgeschmackt, „die Hohenzollern" zu sagen,
wie etwa „die Kaiser." In denZeituugeu heißt es aber jetzt: Das Unglück auf der „Baden."
Warum nicht „aus dem Schiff Baden"? Oder sieht das Panzerschiff Baden nicht so gut aus
wie „die Baden"? _




An „Fällen" ist seit Jahr und Tag kein Mangel im deutschen Reiche gewesen. Die
Wissenschaft würde stillstehe», wenn Mangel an Fällen einträte, und den Zeitungen würde
der Stoff ausgehen, wenn nicht von Zeit zu Zeit ein neuer „Fall" die Spalten füllte. Dem
Vorwärts, dem sozialdemokratischen Zentralorgan, verdanken wir abermals eine Bereicherung
unsrer Kenntnisse: es giebt nicht bloß bürgerliche Fälle, wie der Fall Fusangel und der Fall
Baare, es giebt auch ndeliche Fälle. „Noch einmal der Fall von Bosse," schreibt der Vor¬
wärts in seiner Nummer vom 29. August. Wie lauge wirds dauern, so bekommt der Fall
auch noch einen Titel I Das kann gut werden: der Fall Müller, der Fall von Müller, der Fall
Freiherr von Müller.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/627>, abgerufen am 27.11.2024.