Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.Bilder aus dein Westen schrift mitgebracht hat, geht ein Jahr lang bei einem Advokaten in die Lehre, Aber es giebt auch hiervon rühmliche Ausnahmen. Es ist keine Selten¬ Es war mir nun darum zu thun, auch eine deutsche Schule kennen zu Bilder aus dein Westen schrift mitgebracht hat, geht ein Jahr lang bei einem Advokaten in die Lehre, Aber es giebt auch hiervon rühmliche Ausnahmen. Es ist keine Selten¬ Es war mir nun darum zu thun, auch eine deutsche Schule kennen zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0621" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215711"/> <fw type="header" place="top"> Bilder aus dein Westen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2111" prev="#ID_2110"> schrift mitgebracht hat, geht ein Jahr lang bei einem Advokaten in die Lehre,<lb/> legt dann, fleißig schwänzend, die üblichen Semester in einem juristischen Se¬<lb/> minar zurück und wird endlich Richter oder Advokat. Und so wird auch ein<lb/> eingewanderter Schulmeister leicht Pastor, wenn er ein paar Semester lang ein<lb/> Seminar besucht und dann kaufmännisch sein Rednertalent an den Mann zu<lb/> bringen weiß. Staatliche Prüfungskommissionen giebt es nicht. Die Diplome<lb/> werden von den Seminaren oder „Universitäten" auf Grund eines Examens<lb/> erteilt. Der examinircnde Professor aber sorgt dafür, daß durch möglichst<lb/> glänzende Zeugnisse seine Drillanstalt in das beste Licht gestellt wird und Durch¬<lb/> fälle möglichst vermieden werden. Die Gesellschaften, die solche Seminare<lb/> bilden, dort unterrichten, prüfen und Doktoren ernennen, sind meist Aktien¬<lb/> gesellschaften, die mit der landesüblichen Geschäftigkeit ihrem Beruf nachgehen,<lb/> weniger um die Wissenschaft, als um ihren Geldbeutel zu bereichern.</p><lb/> <p xml:id="ID_2112"> Aber es giebt auch hiervon rühmliche Ausnahmen. Es ist keine Selten¬<lb/> heit, daß ein Millionär sein ganzes Vermögen dein Staate vermacht, zur<lb/> Gründung einer „Universität." Ein solches Zeugnis amerikanischer Hochherzig¬<lb/> keit ist die Hopkinsuuiversität. Der Millionär Hopkins bestimmte eine so un¬<lb/> geheure Summe zur Errichtung einer großartigen Universität, daß das An¬<lb/> lagekapital während des Baus nicht verkleinert wurde, sondern durch die<lb/> Zinsen noch wuchs. Die Gebäude umfassen ein Gebiet wie das mancher mittel¬<lb/> großen deutschen Stadt. Sie haben elegante Dozentenwohnungen und zugleich<lb/> ausgedehnte Felder für die mit ihr verbundne Ackerbauschule. Als Lehrer<lb/> sollen die hervorragendsten Gelehrten aus aller Welt gesichert werden durch<lb/> festen Gehalt und Pension für Lebenszeit, nicht nach dein Gutdünken von<lb/> IruLtöös, sondern nach der Entscheidung über die Preisarbeiten, die von einer<lb/> eigens dafür angestellten und besoldeten internationalen wissenschaftlichen Kom¬<lb/> mission gestellt und beurteilt werden. Nicht nur für die vier Fakultäten in<lb/> unserm Sinne ist hier gesorgt, sondern auch für die Landwirtschaft, das Jn-<lb/> genieurweseu, die Elektrotechnik, die Luftschiffahrt u. a. Die Felder, die all¬<lb/> jährlich für die landwirtschaftlichen Übungen bestellt werden, liefern hinlänglich<lb/> Getreide und sonstigen Unterhalt für alle Mitglieder der Anstalt, Lehrer wie<lb/> Schüler. Die Hopkinsuniversität ist, wie die großen Klöster des Mittelalters,<lb/> als Mikrokosmos gedacht, der sich selbst erhält, nicht nur dnrch die geistige<lb/> Nahrung, die er in Form von Büchern, Lehrmitteln n. s. w. spendet, sondern<lb/> anch dnrch den Grund und Boden. Der Stifter war kein Gelehrter, sondern<lb/> ein tüchtiger Geschäftsmann, wie tausend andre um ihn her. Welcher Gegen¬<lb/> satz: die Hopkinsuniversität bei Baltimore und ähnliche neuere Stiftungen bei<lb/> San Franzisko, Boston, und die Seminare, wie ich sie in Kansas City sah!<lb/> Man merkt, daß man hier im Lande der größten Gegensätze, in einer noch un¬<lb/> fertigen Welt lebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2113" next="#ID_2114"> Es war mir nun darum zu thun, auch eine deutsche Schule kennen zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0621]
Bilder aus dein Westen
schrift mitgebracht hat, geht ein Jahr lang bei einem Advokaten in die Lehre,
legt dann, fleißig schwänzend, die üblichen Semester in einem juristischen Se¬
minar zurück und wird endlich Richter oder Advokat. Und so wird auch ein
eingewanderter Schulmeister leicht Pastor, wenn er ein paar Semester lang ein
Seminar besucht und dann kaufmännisch sein Rednertalent an den Mann zu
bringen weiß. Staatliche Prüfungskommissionen giebt es nicht. Die Diplome
werden von den Seminaren oder „Universitäten" auf Grund eines Examens
erteilt. Der examinircnde Professor aber sorgt dafür, daß durch möglichst
glänzende Zeugnisse seine Drillanstalt in das beste Licht gestellt wird und Durch¬
fälle möglichst vermieden werden. Die Gesellschaften, die solche Seminare
bilden, dort unterrichten, prüfen und Doktoren ernennen, sind meist Aktien¬
gesellschaften, die mit der landesüblichen Geschäftigkeit ihrem Beruf nachgehen,
weniger um die Wissenschaft, als um ihren Geldbeutel zu bereichern.
Aber es giebt auch hiervon rühmliche Ausnahmen. Es ist keine Selten¬
heit, daß ein Millionär sein ganzes Vermögen dein Staate vermacht, zur
Gründung einer „Universität." Ein solches Zeugnis amerikanischer Hochherzig¬
keit ist die Hopkinsuuiversität. Der Millionär Hopkins bestimmte eine so un¬
geheure Summe zur Errichtung einer großartigen Universität, daß das An¬
lagekapital während des Baus nicht verkleinert wurde, sondern durch die
Zinsen noch wuchs. Die Gebäude umfassen ein Gebiet wie das mancher mittel¬
großen deutschen Stadt. Sie haben elegante Dozentenwohnungen und zugleich
ausgedehnte Felder für die mit ihr verbundne Ackerbauschule. Als Lehrer
sollen die hervorragendsten Gelehrten aus aller Welt gesichert werden durch
festen Gehalt und Pension für Lebenszeit, nicht nach dein Gutdünken von
IruLtöös, sondern nach der Entscheidung über die Preisarbeiten, die von einer
eigens dafür angestellten und besoldeten internationalen wissenschaftlichen Kom¬
mission gestellt und beurteilt werden. Nicht nur für die vier Fakultäten in
unserm Sinne ist hier gesorgt, sondern auch für die Landwirtschaft, das Jn-
genieurweseu, die Elektrotechnik, die Luftschiffahrt u. a. Die Felder, die all¬
jährlich für die landwirtschaftlichen Übungen bestellt werden, liefern hinlänglich
Getreide und sonstigen Unterhalt für alle Mitglieder der Anstalt, Lehrer wie
Schüler. Die Hopkinsuniversität ist, wie die großen Klöster des Mittelalters,
als Mikrokosmos gedacht, der sich selbst erhält, nicht nur dnrch die geistige
Nahrung, die er in Form von Büchern, Lehrmitteln n. s. w. spendet, sondern
anch dnrch den Grund und Boden. Der Stifter war kein Gelehrter, sondern
ein tüchtiger Geschäftsmann, wie tausend andre um ihn her. Welcher Gegen¬
satz: die Hopkinsuniversität bei Baltimore und ähnliche neuere Stiftungen bei
San Franzisko, Boston, und die Seminare, wie ich sie in Kansas City sah!
Man merkt, daß man hier im Lande der größten Gegensätze, in einer noch un¬
fertigen Welt lebt.
Es war mir nun darum zu thun, auch eine deutsche Schule kennen zu
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