Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.Patriarchalische Beziehungen in der Großindustrie Werkes anreizen, giebt die Gewinnbeteiligung jedem den stärksten Antrieb, den Daß in einem Buche, wie dem vorliegenden, die eigentlichen Wohlfahrtsein¬ Patriarchalische Beziehungen in der Großindustrie Werkes anreizen, giebt die Gewinnbeteiligung jedem den stärksten Antrieb, den Daß in einem Buche, wie dem vorliegenden, die eigentlichen Wohlfahrtsein¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0061" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215151"/> <fw type="header" place="top"> Patriarchalische Beziehungen in der Großindustrie</fw><lb/> <p xml:id="ID_206" prev="#ID_205"> Werkes anreizen, giebt die Gewinnbeteiligung jedem den stärksten Antrieb, den<lb/> Gesamterfolg der Unternehmung, die Gesamtblüte des Hauses zu fördern. Jene<lb/> lösen gleichsam den Arbeiter von seinen Genossen und vom Geschäft los und<lb/> steigern seinen Egoismus aufs höchste; diese erinnert den Arbeiter stetig an<lb/> die Interessengemeinschaft zwischen ihm und seinem Arbeitgeber.</p><lb/> <p xml:id="ID_207" next="#ID_208"> Daß in einem Buche, wie dem vorliegenden, die eigentlichen Wohlfahrtsein¬<lb/> richtungen einen breiten Raum einnehmen, konnte man von vornherein annehmen.<lb/> Gleichwohl mißt der Verfasser ihre Bedeutung für den sozialen Frieden nicht<lb/> nach dem materiellen Werte der Zuwendungen, zu denen sich manche Arbeit¬<lb/> geber verstehen, ohne im übrigen ihnen ein besondres Interesse zuzuwenden.<lb/> Nur aus der verschiednen Art, wie die Wohlfahrtseinrichtungen getroffen und<lb/> ausgeführt werden, kann man sich erklären, warum dieselben Maßnahmen an<lb/> der einen Stelle wohl angebracht sind, an der andern sich als unfruchtbar, ja<lb/> sogar als schädlich erwiesen haben. Sie alle haben, so taillee auch das Urteil<lb/> der Patriarchen, nur einen halben Wert, ja sie verfehlen vielfach vollkommen<lb/> ihren Zweck und verletzen und verstimmen, wo sie versöhnen sollten, wenn sie<lb/> dem Arbeiter auferlegt werden, wenn einfach bestimmt wird: das und das wird<lb/> eingerichtet, das und das geschieht für euch. Ganz anders wird die Sache,<lb/> wenn auch hierbei den Arbeitern durch deu Arbeiteransschnß eine Mitwirkung<lb/> eingeräumt wird; aber stets ist wichtig und unerläßlich, daß der Arbeiter aus<lb/> allem die aus dem Herzen entspringende Bethätigung christlicher Nächstenliebe<lb/> herausfühlt, und dafür hat er eine sehr seine Empfindung. In den Abschnitten:<lb/> „Arbeitsstätte," „Wohnung" und „Ernährung und Beschaffung von Lebens¬<lb/> mitteln und Gebrauchsgegenständen" werden die getroffnen Einrichtungen einer<lb/> sorgfältigen Prüfung unterzogen. In dein Abschnitt über Wohnungen wird<lb/> ein Gedanke angeregt, dessen Durchführbarkeit nicht kurzweg von der Hand zu<lb/> weisen sein dürfte. „Darin stimmen wir überein, daß, wenn es möglich<lb/> wäre, die Industrie aus den großen Städten aufs Land zu werfen, wir ein<lb/> gutes Teil der sozialen Frage gelöst hätten. Daß dies nicht angeht, wissen<lb/> wir ebenso gut; aber die Arbeiterschaft aufs Land zu ziehen, so weit sie noch<lb/> Sinn dafür hat, das ist eine ernste und wichtige Aufgabe, nicht allein aus<lb/> politische« und sittlichen, sondern anch aus Gesundheitsrücksichten. Gegen die<lb/> schlechte Fabrikluft, die einseitige Körperstellung u. s. w. giebt es kein besseres<lb/> Gegenmittel als die Bewegung in frischer Luft. Selbst wenn der Arbeiter<lb/> einen längern Weg zur Arbeitsstätte und zurück machen muß, ist das keine<lb/> Last, sondern eine Wohlthat für ihn, die er nur meist nicht zu würdigen weiß.<lb/> Es giebt Fabrikherren, die, durchdrungen von dieser Überzeugung, ihren Ar¬<lb/> beitern zur Bedingung machen, daß sie außerhalb der Stadt wohnen. Vor¬<lb/> aussetzung für die Durchführung dieser Bestimmung ist allerdings die Einfüh¬<lb/> rung der englischen Arbeitszeit, aber es liegen bereits praktische Erfahrungen<lb/> darüber vor, daß sich die durchgehende Arbeit mit kurzer Mittagspause, in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0061]
Patriarchalische Beziehungen in der Großindustrie
Werkes anreizen, giebt die Gewinnbeteiligung jedem den stärksten Antrieb, den
Gesamterfolg der Unternehmung, die Gesamtblüte des Hauses zu fördern. Jene
lösen gleichsam den Arbeiter von seinen Genossen und vom Geschäft los und
steigern seinen Egoismus aufs höchste; diese erinnert den Arbeiter stetig an
die Interessengemeinschaft zwischen ihm und seinem Arbeitgeber.
Daß in einem Buche, wie dem vorliegenden, die eigentlichen Wohlfahrtsein¬
richtungen einen breiten Raum einnehmen, konnte man von vornherein annehmen.
Gleichwohl mißt der Verfasser ihre Bedeutung für den sozialen Frieden nicht
nach dem materiellen Werte der Zuwendungen, zu denen sich manche Arbeit¬
geber verstehen, ohne im übrigen ihnen ein besondres Interesse zuzuwenden.
Nur aus der verschiednen Art, wie die Wohlfahrtseinrichtungen getroffen und
ausgeführt werden, kann man sich erklären, warum dieselben Maßnahmen an
der einen Stelle wohl angebracht sind, an der andern sich als unfruchtbar, ja
sogar als schädlich erwiesen haben. Sie alle haben, so taillee auch das Urteil
der Patriarchen, nur einen halben Wert, ja sie verfehlen vielfach vollkommen
ihren Zweck und verletzen und verstimmen, wo sie versöhnen sollten, wenn sie
dem Arbeiter auferlegt werden, wenn einfach bestimmt wird: das und das wird
eingerichtet, das und das geschieht für euch. Ganz anders wird die Sache,
wenn auch hierbei den Arbeitern durch deu Arbeiteransschnß eine Mitwirkung
eingeräumt wird; aber stets ist wichtig und unerläßlich, daß der Arbeiter aus
allem die aus dem Herzen entspringende Bethätigung christlicher Nächstenliebe
herausfühlt, und dafür hat er eine sehr seine Empfindung. In den Abschnitten:
„Arbeitsstätte," „Wohnung" und „Ernährung und Beschaffung von Lebens¬
mitteln und Gebrauchsgegenständen" werden die getroffnen Einrichtungen einer
sorgfältigen Prüfung unterzogen. In dein Abschnitt über Wohnungen wird
ein Gedanke angeregt, dessen Durchführbarkeit nicht kurzweg von der Hand zu
weisen sein dürfte. „Darin stimmen wir überein, daß, wenn es möglich
wäre, die Industrie aus den großen Städten aufs Land zu werfen, wir ein
gutes Teil der sozialen Frage gelöst hätten. Daß dies nicht angeht, wissen
wir ebenso gut; aber die Arbeiterschaft aufs Land zu ziehen, so weit sie noch
Sinn dafür hat, das ist eine ernste und wichtige Aufgabe, nicht allein aus
politische« und sittlichen, sondern anch aus Gesundheitsrücksichten. Gegen die
schlechte Fabrikluft, die einseitige Körperstellung u. s. w. giebt es kein besseres
Gegenmittel als die Bewegung in frischer Luft. Selbst wenn der Arbeiter
einen längern Weg zur Arbeitsstätte und zurück machen muß, ist das keine
Last, sondern eine Wohlthat für ihn, die er nur meist nicht zu würdigen weiß.
Es giebt Fabrikherren, die, durchdrungen von dieser Überzeugung, ihren Ar¬
beitern zur Bedingung machen, daß sie außerhalb der Stadt wohnen. Vor¬
aussetzung für die Durchführung dieser Bestimmung ist allerdings die Einfüh¬
rung der englischen Arbeitszeit, aber es liegen bereits praktische Erfahrungen
darüber vor, daß sich die durchgehende Arbeit mit kurzer Mittagspause, in
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