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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Erklärlicher ist der Haß, womit die Sozialdemokratie die Arbeitsausschüsse,
dieses "Feigenblatt des Feudalismus," beehrt. Unbeirrt dadurch tritt der Ver¬
fasser, gestützt auf die Erfahrungen seiner Patriarchen, für die Ausschüsse ein,
da sie dem Arbeiter Gelegenheit geben, sich auszusprechen und vorhandne Mi߬
stände offen zu berühren, zum Vorteil des Unternehmers, dem sie sonst viel¬
leicht nie zu Ohren kommen würden. Weit entfernt also, Zündstoff zu häufen,
tragen die Ausschüsse dazu bei, Zündstoff zu beseitigen. Auch finden die be¬
fähigtere unter den Arbeitern hier ein natürliches Feld der Bethätigung und
der Befriedigung berechtigten Ehrgeizes. Wie soll es auch, zumal in umfang-
reichen Betrieben, dem Arbeitgeber anders möglich sein, verloren gegangne Be¬
ziehungen wieder oder gar uicht vorhanden gewesene neu anzuknüpfen! Auch
auf die Mitwirkung der Ausschüsse beim Erlaß der Arbeitsordnung kommt
viel an. Man kann sich leicht vorstellen, daß die Arbeiter Maßnahmen, die
aus sorgfältiger Veratnng mit dem Arbeitsausschüsse hervorgegangen sind,
mit ganz andern Augen ansehen, als einseitig vom Fabrikherrn angeordnete.
Sind die Arbeiter an der Festsetzung der Arbeitsordnung beteiligt, so wirkt
diese wie ein moralisches Band, das alle umfaßt, und diese Wirkung wird
sicherlich dann am wenigsten ausbleiben, wenn die Vorgesetzten ihren Unter¬
gebnen in der Erfüllung ihrer Pflichten mit gutem Beispiel vorangehen und
so fordernd auf den sittlichen Geist in der Fabrik einwirken.

Zu sehr wichtigen Erörterungen giebt die "Lohnform" Anlaß, deren glück¬
liche Erledigvng nicht bloß aus materiellen Gründen freudig begrüßt werden
würde. Vertreter der Theorie und einsichtige Praktiker sind bemüht, an dem
Gewinn des Unternehmens die drei Faktoren, auf deren Zusammenwirken es
beruht, Intelligenz, Kapital und Arbeit, in richtigem Verhältnis teilnehmen
zu lassen. Wenn diese Lösung gefunden wäre, so würde der Ursache der Auf¬
stände und damit den Aufständen selbst ein Ende gemacht sein. Daß eine
derartige Gewinnbeteiligung der Arbeiter in dem "Zukunftsstaat" der Sozial¬
demokratie, wie Stimmen ans diesem Lager offen erklären, nicht durchgeführt
werden kann, dürfte schwerlich ein Grund sein, sich mit ihr überhaupt uicht
abzugeben. Über die Notwendigkeit, dem Arbeiter im Interesse des Ganzen
über seinen gewöhnlichen Wochenlohn hinaus an dein Gewinn des Unternehmens
einen Anteil zu sicher!,, herrscht kaum noch Meinungsverschiedenheit, nur über
die richtige Form gehen die Ansichten auseinander. Es kommen Produktiv-
genossenschaften, Gewinnbeteiligung, Prämien und Akkordlöhne in Frage. Wenn
man unter Gewinnbeteiligung, nach der Ansicht des Verfassers, nur die Form
versteht, bei der den einzelnen Arbeitern eines Geschäftes ein bestimmter An¬
teil am Jahresgewinn vertragsmäßig gewährleistet ist, dürfte man ihr den
Vorzug geben, sobald man ihre Bedeutung für den sozialen Frieden prüft. Denn
während, wie Schmoller erörtert, Prämien und Akkordlöhne den einzelnen
zu höchster Leistung, unter Umständen aber auf Kosten der Mitarbeiter und des


Erklärlicher ist der Haß, womit die Sozialdemokratie die Arbeitsausschüsse,
dieses „Feigenblatt des Feudalismus," beehrt. Unbeirrt dadurch tritt der Ver¬
fasser, gestützt auf die Erfahrungen seiner Patriarchen, für die Ausschüsse ein,
da sie dem Arbeiter Gelegenheit geben, sich auszusprechen und vorhandne Mi߬
stände offen zu berühren, zum Vorteil des Unternehmers, dem sie sonst viel¬
leicht nie zu Ohren kommen würden. Weit entfernt also, Zündstoff zu häufen,
tragen die Ausschüsse dazu bei, Zündstoff zu beseitigen. Auch finden die be¬
fähigtere unter den Arbeitern hier ein natürliches Feld der Bethätigung und
der Befriedigung berechtigten Ehrgeizes. Wie soll es auch, zumal in umfang-
reichen Betrieben, dem Arbeitgeber anders möglich sein, verloren gegangne Be¬
ziehungen wieder oder gar uicht vorhanden gewesene neu anzuknüpfen! Auch
auf die Mitwirkung der Ausschüsse beim Erlaß der Arbeitsordnung kommt
viel an. Man kann sich leicht vorstellen, daß die Arbeiter Maßnahmen, die
aus sorgfältiger Veratnng mit dem Arbeitsausschüsse hervorgegangen sind,
mit ganz andern Augen ansehen, als einseitig vom Fabrikherrn angeordnete.
Sind die Arbeiter an der Festsetzung der Arbeitsordnung beteiligt, so wirkt
diese wie ein moralisches Band, das alle umfaßt, und diese Wirkung wird
sicherlich dann am wenigsten ausbleiben, wenn die Vorgesetzten ihren Unter¬
gebnen in der Erfüllung ihrer Pflichten mit gutem Beispiel vorangehen und
so fordernd auf den sittlichen Geist in der Fabrik einwirken.

Zu sehr wichtigen Erörterungen giebt die „Lohnform" Anlaß, deren glück¬
liche Erledigvng nicht bloß aus materiellen Gründen freudig begrüßt werden
würde. Vertreter der Theorie und einsichtige Praktiker sind bemüht, an dem
Gewinn des Unternehmens die drei Faktoren, auf deren Zusammenwirken es
beruht, Intelligenz, Kapital und Arbeit, in richtigem Verhältnis teilnehmen
zu lassen. Wenn diese Lösung gefunden wäre, so würde der Ursache der Auf¬
stände und damit den Aufständen selbst ein Ende gemacht sein. Daß eine
derartige Gewinnbeteiligung der Arbeiter in dem „Zukunftsstaat" der Sozial¬
demokratie, wie Stimmen ans diesem Lager offen erklären, nicht durchgeführt
werden kann, dürfte schwerlich ein Grund sein, sich mit ihr überhaupt uicht
abzugeben. Über die Notwendigkeit, dem Arbeiter im Interesse des Ganzen
über seinen gewöhnlichen Wochenlohn hinaus an dein Gewinn des Unternehmens
einen Anteil zu sicher!,, herrscht kaum noch Meinungsverschiedenheit, nur über
die richtige Form gehen die Ansichten auseinander. Es kommen Produktiv-
genossenschaften, Gewinnbeteiligung, Prämien und Akkordlöhne in Frage. Wenn
man unter Gewinnbeteiligung, nach der Ansicht des Verfassers, nur die Form
versteht, bei der den einzelnen Arbeitern eines Geschäftes ein bestimmter An¬
teil am Jahresgewinn vertragsmäßig gewährleistet ist, dürfte man ihr den
Vorzug geben, sobald man ihre Bedeutung für den sozialen Frieden prüft. Denn
während, wie Schmoller erörtert, Prämien und Akkordlöhne den einzelnen
zu höchster Leistung, unter Umständen aber auf Kosten der Mitarbeiter und des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/60>, abgerufen am 23.11.2024.