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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Zur Beuileilniig der Bodemefonnbestrebungen

hob. Aber der Herold dieser Partei ist nicht nur ein redegewaltiger und
vielgelesener Schriftsteller, sondern er hat auch das Zeug zu einem Agitator,
der die Welt ans den Angeln heben könnte. ^Isotsro si nsauso superos,
^ensronw movebo -- etwas ähnliches wird er gedacht haben, als er, der
Protestant, sich dazu entschloß, den Papst durch ein offnes Sendschreiben für
fein Evangelium zu gewinnen.

George verlangt die Einziehung der Grundrente zu Gunsten des Staats,
und den Unterbau dieser Forderung, nämlich den Satz, daß es einen Privat¬
besitz an Grund und Boden nicht geben dürfe, haben die deutschen Reformer,
deren Führung im allgemeinen Michael Flürscheim übernommen hat, mit ihm
gemeinsam. Während sich aber der Amerikaner daran erinnert, daß der Boden
der Union zum großen Teil erst seit Jahrzehnten fast ohne Entgelt aus der
Hand des Staates in Privatbesitz übergegangen ist, sodaß man sich über eine
Entschädigung der gegenwärtigen Eigentümer keine Sorge zu machen brauche,
nehmen Flürscheim und seiue Anhänger in Anbetracht der durchaus verschiednen
deutschen Verhältnisse billige Rücksicht auf die heutigen Besitzer. Obwohl sie
an Georges Vorschlag die größere Folgerichtigkeit anerkennen, haben sie es
nicht über sich gewinnen können, ihm bis zu seinen letzten Schlüssen zu folgen!
ein Gefühl, das dem Amerikaner fremd ist, hält sie ans halbem Wege zurück.

George rechnet ungefähr so: wie die Bewegung gegen die Sklaverei zwar
damit begonnen habe, daß man allgemein von einer Entschädigung der Sklaven¬
halter sprach, wie aber zuletzt doch von einer solchen Entschädigung nicht mehr
die Rede gewesen sei, so werde es auch bei der Landbefreiung geschehen; denn
der Privatbesitz an Grund und Boden sei keine geringere Verletzung eines un¬
veränderlichen Naturrechts als die Sklaverei. Ich habe an andrer Stelle die
Schwäche des Fundaments, worauf George sein Gebäude aufgeführt hat,*)
bloßgelegt und kauu hier auf eine Wiederholung schon deshalb verzichten,
weil sich die deutschen Reformer in der Begründung ihrer Pläne der Voraus¬
setzungen des Amerikaners nicht bedienen. Den Ausgangspunkt ihrer Lehre
bildet der SaK, daß der erhöhte Bodenwert ein Verdienst der Gesamtheit sei
und daher von dein einzelnen nicht in Beschlag genommen werden dürfe. Es
ist kürzlich an dieser Stelle darauf-hingewiesen worden, daß der Boden, auf
dein das heutige London steht, zum größten Teil in den Händen weniger Lords
vereinigt ist. Wenn man nun erfährt, daß diese für einen solche" Milliarden-
wert die lächerlich geringe Abgabe entrichten, die dem Werte des Bodens zur
Zeit der normannischen Eroberung entspricht, so wird man sicherlich geneigt
sein, denen beizustimmen, die in einem derartigen Zustande eine Ausbeutung
der Gesamtheit zu Gunsten weniger erblicken. Auch liegt es auf der Hand,
daß die ungeheure Wertsteigeruug, die z. B. seit etwas mehr als zehn Jahren



Das Werk "n<I ^opere.7 beginnt mit dem Versuch einer neuen Lohntheorie.
Zur Beuileilniig der Bodemefonnbestrebungen

hob. Aber der Herold dieser Partei ist nicht nur ein redegewaltiger und
vielgelesener Schriftsteller, sondern er hat auch das Zeug zu einem Agitator,
der die Welt ans den Angeln heben könnte. ^Isotsro si nsauso superos,
^ensronw movebo — etwas ähnliches wird er gedacht haben, als er, der
Protestant, sich dazu entschloß, den Papst durch ein offnes Sendschreiben für
fein Evangelium zu gewinnen.

George verlangt die Einziehung der Grundrente zu Gunsten des Staats,
und den Unterbau dieser Forderung, nämlich den Satz, daß es einen Privat¬
besitz an Grund und Boden nicht geben dürfe, haben die deutschen Reformer,
deren Führung im allgemeinen Michael Flürscheim übernommen hat, mit ihm
gemeinsam. Während sich aber der Amerikaner daran erinnert, daß der Boden
der Union zum großen Teil erst seit Jahrzehnten fast ohne Entgelt aus der
Hand des Staates in Privatbesitz übergegangen ist, sodaß man sich über eine
Entschädigung der gegenwärtigen Eigentümer keine Sorge zu machen brauche,
nehmen Flürscheim und seiue Anhänger in Anbetracht der durchaus verschiednen
deutschen Verhältnisse billige Rücksicht auf die heutigen Besitzer. Obwohl sie
an Georges Vorschlag die größere Folgerichtigkeit anerkennen, haben sie es
nicht über sich gewinnen können, ihm bis zu seinen letzten Schlüssen zu folgen!
ein Gefühl, das dem Amerikaner fremd ist, hält sie ans halbem Wege zurück.

George rechnet ungefähr so: wie die Bewegung gegen die Sklaverei zwar
damit begonnen habe, daß man allgemein von einer Entschädigung der Sklaven¬
halter sprach, wie aber zuletzt doch von einer solchen Entschädigung nicht mehr
die Rede gewesen sei, so werde es auch bei der Landbefreiung geschehen; denn
der Privatbesitz an Grund und Boden sei keine geringere Verletzung eines un¬
veränderlichen Naturrechts als die Sklaverei. Ich habe an andrer Stelle die
Schwäche des Fundaments, worauf George sein Gebäude aufgeführt hat,*)
bloßgelegt und kauu hier auf eine Wiederholung schon deshalb verzichten,
weil sich die deutschen Reformer in der Begründung ihrer Pläne der Voraus¬
setzungen des Amerikaners nicht bedienen. Den Ausgangspunkt ihrer Lehre
bildet der SaK, daß der erhöhte Bodenwert ein Verdienst der Gesamtheit sei
und daher von dein einzelnen nicht in Beschlag genommen werden dürfe. Es
ist kürzlich an dieser Stelle darauf-hingewiesen worden, daß der Boden, auf
dein das heutige London steht, zum größten Teil in den Händen weniger Lords
vereinigt ist. Wenn man nun erfährt, daß diese für einen solche» Milliarden-
wert die lächerlich geringe Abgabe entrichten, die dem Werte des Bodens zur
Zeit der normannischen Eroberung entspricht, so wird man sicherlich geneigt
sein, denen beizustimmen, die in einem derartigen Zustande eine Ausbeutung
der Gesamtheit zu Gunsten weniger erblicken. Auch liegt es auf der Hand,
daß die ungeheure Wertsteigeruug, die z. B. seit etwas mehr als zehn Jahren



Das Werk »n<I ^opere.7 beginnt mit dem Versuch einer neuen Lohntheorie.
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[0539] Zur Beuileilniig der Bodemefonnbestrebungen hob. Aber der Herold dieser Partei ist nicht nur ein redegewaltiger und vielgelesener Schriftsteller, sondern er hat auch das Zeug zu einem Agitator, der die Welt ans den Angeln heben könnte. ^Isotsro si nsauso superos, ^ensronw movebo — etwas ähnliches wird er gedacht haben, als er, der Protestant, sich dazu entschloß, den Papst durch ein offnes Sendschreiben für fein Evangelium zu gewinnen. George verlangt die Einziehung der Grundrente zu Gunsten des Staats, und den Unterbau dieser Forderung, nämlich den Satz, daß es einen Privat¬ besitz an Grund und Boden nicht geben dürfe, haben die deutschen Reformer, deren Führung im allgemeinen Michael Flürscheim übernommen hat, mit ihm gemeinsam. Während sich aber der Amerikaner daran erinnert, daß der Boden der Union zum großen Teil erst seit Jahrzehnten fast ohne Entgelt aus der Hand des Staates in Privatbesitz übergegangen ist, sodaß man sich über eine Entschädigung der gegenwärtigen Eigentümer keine Sorge zu machen brauche, nehmen Flürscheim und seiue Anhänger in Anbetracht der durchaus verschiednen deutschen Verhältnisse billige Rücksicht auf die heutigen Besitzer. Obwohl sie an Georges Vorschlag die größere Folgerichtigkeit anerkennen, haben sie es nicht über sich gewinnen können, ihm bis zu seinen letzten Schlüssen zu folgen! ein Gefühl, das dem Amerikaner fremd ist, hält sie ans halbem Wege zurück. George rechnet ungefähr so: wie die Bewegung gegen die Sklaverei zwar damit begonnen habe, daß man allgemein von einer Entschädigung der Sklaven¬ halter sprach, wie aber zuletzt doch von einer solchen Entschädigung nicht mehr die Rede gewesen sei, so werde es auch bei der Landbefreiung geschehen; denn der Privatbesitz an Grund und Boden sei keine geringere Verletzung eines un¬ veränderlichen Naturrechts als die Sklaverei. Ich habe an andrer Stelle die Schwäche des Fundaments, worauf George sein Gebäude aufgeführt hat,*) bloßgelegt und kauu hier auf eine Wiederholung schon deshalb verzichten, weil sich die deutschen Reformer in der Begründung ihrer Pläne der Voraus¬ setzungen des Amerikaners nicht bedienen. Den Ausgangspunkt ihrer Lehre bildet der SaK, daß der erhöhte Bodenwert ein Verdienst der Gesamtheit sei und daher von dein einzelnen nicht in Beschlag genommen werden dürfe. Es ist kürzlich an dieser Stelle darauf-hingewiesen worden, daß der Boden, auf dein das heutige London steht, zum größten Teil in den Händen weniger Lords vereinigt ist. Wenn man nun erfährt, daß diese für einen solche» Milliarden- wert die lächerlich geringe Abgabe entrichten, die dem Werte des Bodens zur Zeit der normannischen Eroberung entspricht, so wird man sicherlich geneigt sein, denen beizustimmen, die in einem derartigen Zustande eine Ausbeutung der Gesamtheit zu Gunsten weniger erblicken. Auch liegt es auf der Hand, daß die ungeheure Wertsteigeruug, die z. B. seit etwas mehr als zehn Jahren Das Werk »n<I ^opere.7 beginnt mit dem Versuch einer neuen Lohntheorie.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/539>, abgerufen am 23.11.2024.