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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Lharlos Aingsley als Dichter und Sozicilreforiner

Bursche, der sich am liebsten schon mit fünfzehn Jahren mit dem Kapitän
Oxenham und dem alten Seemann Salivation Deo auf Abenteuer gegen die
Spanier begeben hätte. Die kecken Fahrten Drakes nach Westindien, die Er¬
oberung der spanischen Kolonie nombre de Dios und die reiche Beute aus
den spanisch-amerikanischen Handelsplätzen haben die ganze englische Jugend in
Begeisterung versetzt. Auch Amyas Leigh ist trotz der Bitten seiner Mutter
nicht mehr zurückzuhalten. Er läßt sich vom Kapitän Drake anwerben und
macht mit ihm die große Reise um die Welt. Nach drei Jahren kehrt der
junge Seemann nach seinem Heimatstädtchen Bidefort zurück, gepriesen und
gerühmt wie ein Held. Theateraufführungen, Maskenzüge, Singspiele und
andre Festlichkeiten werden veranstaltet, um Amyas Leigh zu feiern. Die ganze
Bürgerschaft ist daran beteiligt, und die schönsten Mädchen streuen dem jungen
Helden Blumen.

Nur eine fehlt unter ihnen, Rosa, die liebreizende Tochter des Bürger¬
meisters Salterne. Amyas hat ihr Bild niemals vergessen können; auf der
ganzen Reise um die Welt hat es ihn begleitet. Er liebt die Rose von Tor-
ridge. Aber zu seinem tiefen Schmerze bemerkt er, daß auch sein Bruder
Frank sein Herz an das Mädchen verloren hat. Frank ist das gerade Gegen¬
stück zu dem wetterfesten, tollkühnen Amyas: ein fein gebildeter Mann, auf
englischen und deutschen Universitäten erzogen, mit diplomatischen Sendungen
nach Italien betraut, ein vollendeter Hofmann, ein Liebling der jungfräulichen
Königin und folglich ein Liebling aller englischen Damen. Amyas will nicht
der Nebenbuhler seines Bruders sein und verzichtet auf den Besitz des Mäd¬
chens: "Ich bin --sagt er-- nicht solch ein Narr, daß ich gegen Wind und
Strömung rudern sollte. Ich denke, ich bin gut genug für sie, aber du bist
besser, und der gute Hund läuft zwar auch schnell, aber der beste nur hat den
Hasen. Also habe ich nichts mehr mit der ganzen Sache zu thun. Heirate
sie und lege neue Stützen an unser altes Haus. Man würde niemals
durch die Hecke kommen, wenn man alle Dornen beseitigen wollte. Niemand
ist auf die Welt gekommen, um Honigtöpfe auszulöffeln. Was sein muß, muß
sein. Kann man nicht die Krume haben, so muß man mit der Kruste vorlieb
nehmen. Ich will in die Armee gegen Irland eintreten. Kanonenkugeln
treiben die Liebe ebenso gut aus wie Armut, und das ist alles, was ich sagen
wollte."

Aber uoch ein dritter Bewerber um die Rose von Torridge taucht auf.
Es ist des Amyas katholischer Vetter Eustace. Zu dem trotzigen Seemann
und zu dem feingebildeten Hofmann fügt der Dichter noch eine dritte für jene
Zeit charakteristische Gestalt: den Jesuiten. Enstace wird aber bald entlarvt
und flieht mit seinen papistischen Freunden. Amyas gründet, ehe er nach Ir¬
land geht, mit Frank und andern stillen Verehrern der Rose Salterne den
Nosenvrden, in den auch der komische, aber mutige Hungerstndent von Oxford,


Lharlos Aingsley als Dichter und Sozicilreforiner

Bursche, der sich am liebsten schon mit fünfzehn Jahren mit dem Kapitän
Oxenham und dem alten Seemann Salivation Deo auf Abenteuer gegen die
Spanier begeben hätte. Die kecken Fahrten Drakes nach Westindien, die Er¬
oberung der spanischen Kolonie nombre de Dios und die reiche Beute aus
den spanisch-amerikanischen Handelsplätzen haben die ganze englische Jugend in
Begeisterung versetzt. Auch Amyas Leigh ist trotz der Bitten seiner Mutter
nicht mehr zurückzuhalten. Er läßt sich vom Kapitän Drake anwerben und
macht mit ihm die große Reise um die Welt. Nach drei Jahren kehrt der
junge Seemann nach seinem Heimatstädtchen Bidefort zurück, gepriesen und
gerühmt wie ein Held. Theateraufführungen, Maskenzüge, Singspiele und
andre Festlichkeiten werden veranstaltet, um Amyas Leigh zu feiern. Die ganze
Bürgerschaft ist daran beteiligt, und die schönsten Mädchen streuen dem jungen
Helden Blumen.

Nur eine fehlt unter ihnen, Rosa, die liebreizende Tochter des Bürger¬
meisters Salterne. Amyas hat ihr Bild niemals vergessen können; auf der
ganzen Reise um die Welt hat es ihn begleitet. Er liebt die Rose von Tor-
ridge. Aber zu seinem tiefen Schmerze bemerkt er, daß auch sein Bruder
Frank sein Herz an das Mädchen verloren hat. Frank ist das gerade Gegen¬
stück zu dem wetterfesten, tollkühnen Amyas: ein fein gebildeter Mann, auf
englischen und deutschen Universitäten erzogen, mit diplomatischen Sendungen
nach Italien betraut, ein vollendeter Hofmann, ein Liebling der jungfräulichen
Königin und folglich ein Liebling aller englischen Damen. Amyas will nicht
der Nebenbuhler seines Bruders sein und verzichtet auf den Besitz des Mäd¬
chens: „Ich bin —sagt er— nicht solch ein Narr, daß ich gegen Wind und
Strömung rudern sollte. Ich denke, ich bin gut genug für sie, aber du bist
besser, und der gute Hund läuft zwar auch schnell, aber der beste nur hat den
Hasen. Also habe ich nichts mehr mit der ganzen Sache zu thun. Heirate
sie und lege neue Stützen an unser altes Haus. Man würde niemals
durch die Hecke kommen, wenn man alle Dornen beseitigen wollte. Niemand
ist auf die Welt gekommen, um Honigtöpfe auszulöffeln. Was sein muß, muß
sein. Kann man nicht die Krume haben, so muß man mit der Kruste vorlieb
nehmen. Ich will in die Armee gegen Irland eintreten. Kanonenkugeln
treiben die Liebe ebenso gut aus wie Armut, und das ist alles, was ich sagen
wollte."

Aber uoch ein dritter Bewerber um die Rose von Torridge taucht auf.
Es ist des Amyas katholischer Vetter Eustace. Zu dem trotzigen Seemann
und zu dem feingebildeten Hofmann fügt der Dichter noch eine dritte für jene
Zeit charakteristische Gestalt: den Jesuiten. Enstace wird aber bald entlarvt
und flieht mit seinen papistischen Freunden. Amyas gründet, ehe er nach Ir¬
land geht, mit Frank und andern stillen Verehrern der Rose Salterne den
Nosenvrden, in den auch der komische, aber mutige Hungerstndent von Oxford,


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[0524] Lharlos Aingsley als Dichter und Sozicilreforiner Bursche, der sich am liebsten schon mit fünfzehn Jahren mit dem Kapitän Oxenham und dem alten Seemann Salivation Deo auf Abenteuer gegen die Spanier begeben hätte. Die kecken Fahrten Drakes nach Westindien, die Er¬ oberung der spanischen Kolonie nombre de Dios und die reiche Beute aus den spanisch-amerikanischen Handelsplätzen haben die ganze englische Jugend in Begeisterung versetzt. Auch Amyas Leigh ist trotz der Bitten seiner Mutter nicht mehr zurückzuhalten. Er läßt sich vom Kapitän Drake anwerben und macht mit ihm die große Reise um die Welt. Nach drei Jahren kehrt der junge Seemann nach seinem Heimatstädtchen Bidefort zurück, gepriesen und gerühmt wie ein Held. Theateraufführungen, Maskenzüge, Singspiele und andre Festlichkeiten werden veranstaltet, um Amyas Leigh zu feiern. Die ganze Bürgerschaft ist daran beteiligt, und die schönsten Mädchen streuen dem jungen Helden Blumen. Nur eine fehlt unter ihnen, Rosa, die liebreizende Tochter des Bürger¬ meisters Salterne. Amyas hat ihr Bild niemals vergessen können; auf der ganzen Reise um die Welt hat es ihn begleitet. Er liebt die Rose von Tor- ridge. Aber zu seinem tiefen Schmerze bemerkt er, daß auch sein Bruder Frank sein Herz an das Mädchen verloren hat. Frank ist das gerade Gegen¬ stück zu dem wetterfesten, tollkühnen Amyas: ein fein gebildeter Mann, auf englischen und deutschen Universitäten erzogen, mit diplomatischen Sendungen nach Italien betraut, ein vollendeter Hofmann, ein Liebling der jungfräulichen Königin und folglich ein Liebling aller englischen Damen. Amyas will nicht der Nebenbuhler seines Bruders sein und verzichtet auf den Besitz des Mäd¬ chens: „Ich bin —sagt er— nicht solch ein Narr, daß ich gegen Wind und Strömung rudern sollte. Ich denke, ich bin gut genug für sie, aber du bist besser, und der gute Hund läuft zwar auch schnell, aber der beste nur hat den Hasen. Also habe ich nichts mehr mit der ganzen Sache zu thun. Heirate sie und lege neue Stützen an unser altes Haus. Man würde niemals durch die Hecke kommen, wenn man alle Dornen beseitigen wollte. Niemand ist auf die Welt gekommen, um Honigtöpfe auszulöffeln. Was sein muß, muß sein. Kann man nicht die Krume haben, so muß man mit der Kruste vorlieb nehmen. Ich will in die Armee gegen Irland eintreten. Kanonenkugeln treiben die Liebe ebenso gut aus wie Armut, und das ist alles, was ich sagen wollte." Aber uoch ein dritter Bewerber um die Rose von Torridge taucht auf. Es ist des Amyas katholischer Vetter Eustace. Zu dem trotzigen Seemann und zu dem feingebildeten Hofmann fügt der Dichter noch eine dritte für jene Zeit charakteristische Gestalt: den Jesuiten. Enstace wird aber bald entlarvt und flieht mit seinen papistischen Freunden. Amyas gründet, ehe er nach Ir¬ land geht, mit Frank und andern stillen Verehrern der Rose Salterne den Nosenvrden, in den auch der komische, aber mutige Hungerstndent von Oxford,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/524>, abgerufen am 01.09.2024.