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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Der Erfolg, den Kingsley mit seinem Roman II^Ma hatte, übertraf in
der That weit seine Erwartungen. Aber die Angriffe und Verdächtigungen
blieben wieder nicht aus. Von den Vertretern der Hochkirche wurde das Werk
als irreligiös, ketzerisch und unsittlich bezeichnet, und die theologische Kritik
der Puseyisten, denen die Bloßstellung der Kirchenväter als eine schwere Sünde
erschien, warnten vor dem gefährlichen Geist, der in dem Roman stecke. Das
Werk sei eine EntHeiligung der alten christlichen Kirche und eine Verherrlichung
des Heidentums und seiner Vertreter. Als Kingsley im Jahre 1863 zu der
Auszeichnung eines I). <ü. 1^. (voewr ol' Lion I-i^v) in Oxford vorgeschlagen
wurde, trat Pusey mit seinem Anhang entschieden dagegen auf, weil H^xatm
Ur inrinorÄl doolc sei.

Auch dieses Werk ist nicht frei vou Fehlern. Auffallende Anachronismen
sind nicht selten darin; der Aufbau und die Komposition zeigen zuweilen Lücken
und Sprünge, und der Dichter sinkt hie und da zum bloßen Berichterstatter
herab, so z. B. wenn er einen Teil mit den Worten schließt: "Wer und was
sich in Gefahr befand, davon wird in einem andern Kapitel zu reden Zeit
genug sein." Trotz dieser Schwächen hat der Roman auch in Deutschland
einen beständig wachsenden Kreis begeisterter Leser gefunden, besonders seitdem
der mit Kingsley befreundete preußische Gesandte von Bunsen in der Vorrede
zu der ersten deutschen Übersetzung des Romans (von S. von Gilsa; Leipzig,
Brockhaus, 1858. Neuerdings noch einmal übersetzt vou H. Lobedan, mit
Illustrationen von W. Weimar; Berlin, Grote, 1892) auf' die litterarische
Bedeutung Kingsleys hingewiesen hatte. Es kann gar keinem Zweifel unter¬
liegen, daß Kingsleys R^meis. einen bestimmenden Einfluß auf die Entwick¬
lung des "archäologischen" Romans in Deutschland gehabt hat. Die geistigen
Kämpfe einer bewegten Zeit episch darzustellen, gewaltige, durcheinander¬
flutende Strömungen klar zu durchschauen und sie als treibende Kräfte für
die Handlung eines Romans auszunutzen, diese Kunst ist weder Scott noch
Vulwer in solchem Maße eigen gewesen wie Kingsley. Auch die Vorliebe
vieler Schriftsteller für die Zeit des sinkenden Altertums und des jungen,
mächtig erstehenden Christentums ist von Kingsley erweckt worden. Felix
Dahn mit seinen Romanen aus der Völkerwanderung, Adolf Hausrath
(George Taylor) mit seinen kulturgeschichtlichen Romanen Antinous und Klytia,
Ernst Eckstein mit seinen Geschichten aus der römischen Kaiserzeit, M. Tyrol
mit ihrem Roman Julian der Abtrünnige -- sie alle haben sich mehr oder
weniger von Kingsleys großartigem Kultnrgcmälde beeinflussen lassen.




Grenzboten III 18935"

Der Erfolg, den Kingsley mit seinem Roman II^Ma hatte, übertraf in
der That weit seine Erwartungen. Aber die Angriffe und Verdächtigungen
blieben wieder nicht aus. Von den Vertretern der Hochkirche wurde das Werk
als irreligiös, ketzerisch und unsittlich bezeichnet, und die theologische Kritik
der Puseyisten, denen die Bloßstellung der Kirchenväter als eine schwere Sünde
erschien, warnten vor dem gefährlichen Geist, der in dem Roman stecke. Das
Werk sei eine EntHeiligung der alten christlichen Kirche und eine Verherrlichung
des Heidentums und seiner Vertreter. Als Kingsley im Jahre 1863 zu der
Auszeichnung eines I). <ü. 1^. (voewr ol' Lion I-i^v) in Oxford vorgeschlagen
wurde, trat Pusey mit seinem Anhang entschieden dagegen auf, weil H^xatm
Ur inrinorÄl doolc sei.

Auch dieses Werk ist nicht frei vou Fehlern. Auffallende Anachronismen
sind nicht selten darin; der Aufbau und die Komposition zeigen zuweilen Lücken
und Sprünge, und der Dichter sinkt hie und da zum bloßen Berichterstatter
herab, so z. B. wenn er einen Teil mit den Worten schließt: „Wer und was
sich in Gefahr befand, davon wird in einem andern Kapitel zu reden Zeit
genug sein." Trotz dieser Schwächen hat der Roman auch in Deutschland
einen beständig wachsenden Kreis begeisterter Leser gefunden, besonders seitdem
der mit Kingsley befreundete preußische Gesandte von Bunsen in der Vorrede
zu der ersten deutschen Übersetzung des Romans (von S. von Gilsa; Leipzig,
Brockhaus, 1858. Neuerdings noch einmal übersetzt vou H. Lobedan, mit
Illustrationen von W. Weimar; Berlin, Grote, 1892) auf' die litterarische
Bedeutung Kingsleys hingewiesen hatte. Es kann gar keinem Zweifel unter¬
liegen, daß Kingsleys R^meis. einen bestimmenden Einfluß auf die Entwick¬
lung des „archäologischen" Romans in Deutschland gehabt hat. Die geistigen
Kämpfe einer bewegten Zeit episch darzustellen, gewaltige, durcheinander¬
flutende Strömungen klar zu durchschauen und sie als treibende Kräfte für
die Handlung eines Romans auszunutzen, diese Kunst ist weder Scott noch
Vulwer in solchem Maße eigen gewesen wie Kingsley. Auch die Vorliebe
vieler Schriftsteller für die Zeit des sinkenden Altertums und des jungen,
mächtig erstehenden Christentums ist von Kingsley erweckt worden. Felix
Dahn mit seinen Romanen aus der Völkerwanderung, Adolf Hausrath
(George Taylor) mit seinen kulturgeschichtlichen Romanen Antinous und Klytia,
Ernst Eckstein mit seinen Geschichten aus der römischen Kaiserzeit, M. Tyrol
mit ihrem Roman Julian der Abtrünnige — sie alle haben sich mehr oder
weniger von Kingsleys großartigem Kultnrgcmälde beeinflussen lassen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/465>, abgerufen am 27.11.2024.