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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Zur Silberfrage

Art, wobei es sich hauptsächlich um die Auffindung und spätere Erzeugung (?)
der edleren Metalle handelte." Trotzdem wird er sich wohl von seinen Be¬
mühungen selbst keinen Erfolg versprechen, namentlich da er feierlich Verwah¬
rung einlegt dagegen, daß die Währungsfrage "mit den Konfessions- und Rassen¬
fragen, sowie mit dem Zwiste der politischen und sozialpolitischen Parteien zu¬
sammengeschmiedet werde." Denn wenn es die Silbermünner selbst mit Hilfe der
mächtigen Agrarier bei uns noch nicht einmal bis zu einem Antrage gebracht
haben, wie ohnmächtig werden da erst die Theoretiker für sich allein sein!

In einer Reihe von Punkten geben wir Bever unbedingt Recht. Auch
wir sind keine solchen Goldfanatiker, daß wir den Fortgebrauch unsrer schönen
alten Thaler der Regierung zur Sünde anrechneten. Auch wir siud der An¬
sicht, daß, solange die Edelmetalle als Tauschmittel verwendet werden, das
Silber nicht wird entbehrt werden können, weil der Gvldvorrat allein für den
Verkehr so wenig ausreicht, als der Silbervorrat für sich allein ausreichen
würde. Auch wir meinen, daß sich für reichere Länder und Personen das
Gold, für ärmere das Silber besser eigne, und wir sind schon aus diesem
Grunde im Zweifel, ob die Goldwährung den deutscheu Verhältnissen an¬
gemessen sei, da ja die Zahl derer, deren Wochenlohn zwanzig Mark nicht
erreicht, also niemals in Gold ausgezahlt werden kann, bei uns sehr groß ist.
Auch wir wissen, daß die armen Leute durch die neue Währung geschädigt
worden sind. Wer manchmal für einen Einkauf uicht mehr als einen Pfennig
zur Verfügung hat, für den macht es einen Unterschied, ob der Thaler in
3ö0 oder mir in 300 Pfennige geteilt wird. Durch den Übergang von der
Zwölfteilung zur Zehuteilung werden die Preise im Kleinhandel nach oben
abgerundet und ganz winzige Einkäufe unmöglich gemacht. Mit der Einfüh¬
rung des Zwauzigmarkstücks, das dem englischen Svvereign entspricht, in den
allgemeinen Verkehr ist der Zuschnitt aller Haushaltungen größer geworden,
und wer sei" Einkommen uicht entsprechend vergrößern kann, der sinkt eben
dadurch eine Stufe tiefer.

Vielleicht also ist es ein Fehler gewesen, daß Deutschland mit seiner un¬
bedingt notwendig gewesenen Münzreform den nicht unbedingt notwendigen
Übergang zur Goldwährung verbunden hat. Um die Frage, gleich Bever,
entschieden bejahen zu können, müßte man wissen, ob die jetzige Entwertung
des Silbers lediglich eine Wirkung seiner Demonctisirnng in Deutschland ist,
oder wegen der unaufhaltsam steigenden Silberproduktion auch ohne jenen
Gesetzgebungsakt eingetreten sein würde. Die meisten Autoritäten in Münz¬
fachen behaupten bekanntlich das letztere, die Bimetallisten das erstere. Bever
stützt seine Ausicht vorzugsweise auf den Umstand, daß vor 1870 die Schwan¬
kungen in der Produktion von Gold und Silber auf den Preis der Edel¬
metalle und auf ihr Wertverhältnis keinen wesentlichen Einfluß geäußert
hätten, wie er in dem historischen Teile seiner Arbeit zeigt. Das mag richtig


Grenzboten III 1893 56
Zur Silberfrage

Art, wobei es sich hauptsächlich um die Auffindung und spätere Erzeugung (?)
der edleren Metalle handelte." Trotzdem wird er sich wohl von seinen Be¬
mühungen selbst keinen Erfolg versprechen, namentlich da er feierlich Verwah¬
rung einlegt dagegen, daß die Währungsfrage „mit den Konfessions- und Rassen¬
fragen, sowie mit dem Zwiste der politischen und sozialpolitischen Parteien zu¬
sammengeschmiedet werde." Denn wenn es die Silbermünner selbst mit Hilfe der
mächtigen Agrarier bei uns noch nicht einmal bis zu einem Antrage gebracht
haben, wie ohnmächtig werden da erst die Theoretiker für sich allein sein!

In einer Reihe von Punkten geben wir Bever unbedingt Recht. Auch
wir sind keine solchen Goldfanatiker, daß wir den Fortgebrauch unsrer schönen
alten Thaler der Regierung zur Sünde anrechneten. Auch wir siud der An¬
sicht, daß, solange die Edelmetalle als Tauschmittel verwendet werden, das
Silber nicht wird entbehrt werden können, weil der Gvldvorrat allein für den
Verkehr so wenig ausreicht, als der Silbervorrat für sich allein ausreichen
würde. Auch wir meinen, daß sich für reichere Länder und Personen das
Gold, für ärmere das Silber besser eigne, und wir sind schon aus diesem
Grunde im Zweifel, ob die Goldwährung den deutscheu Verhältnissen an¬
gemessen sei, da ja die Zahl derer, deren Wochenlohn zwanzig Mark nicht
erreicht, also niemals in Gold ausgezahlt werden kann, bei uns sehr groß ist.
Auch wir wissen, daß die armen Leute durch die neue Währung geschädigt
worden sind. Wer manchmal für einen Einkauf uicht mehr als einen Pfennig
zur Verfügung hat, für den macht es einen Unterschied, ob der Thaler in
3ö0 oder mir in 300 Pfennige geteilt wird. Durch den Übergang von der
Zwölfteilung zur Zehuteilung werden die Preise im Kleinhandel nach oben
abgerundet und ganz winzige Einkäufe unmöglich gemacht. Mit der Einfüh¬
rung des Zwauzigmarkstücks, das dem englischen Svvereign entspricht, in den
allgemeinen Verkehr ist der Zuschnitt aller Haushaltungen größer geworden,
und wer sei» Einkommen uicht entsprechend vergrößern kann, der sinkt eben
dadurch eine Stufe tiefer.

Vielleicht also ist es ein Fehler gewesen, daß Deutschland mit seiner un¬
bedingt notwendig gewesenen Münzreform den nicht unbedingt notwendigen
Übergang zur Goldwährung verbunden hat. Um die Frage, gleich Bever,
entschieden bejahen zu können, müßte man wissen, ob die jetzige Entwertung
des Silbers lediglich eine Wirkung seiner Demonctisirnng in Deutschland ist,
oder wegen der unaufhaltsam steigenden Silberproduktion auch ohne jenen
Gesetzgebungsakt eingetreten sein würde. Die meisten Autoritäten in Münz¬
fachen behaupten bekanntlich das letztere, die Bimetallisten das erstere. Bever
stützt seine Ausicht vorzugsweise auf den Umstand, daß vor 1870 die Schwan¬
kungen in der Produktion von Gold und Silber auf den Preis der Edel¬
metalle und auf ihr Wertverhältnis keinen wesentlichen Einfluß geäußert
hätten, wie er in dem historischen Teile seiner Arbeit zeigt. Das mag richtig


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[0449] Zur Silberfrage Art, wobei es sich hauptsächlich um die Auffindung und spätere Erzeugung (?) der edleren Metalle handelte." Trotzdem wird er sich wohl von seinen Be¬ mühungen selbst keinen Erfolg versprechen, namentlich da er feierlich Verwah¬ rung einlegt dagegen, daß die Währungsfrage „mit den Konfessions- und Rassen¬ fragen, sowie mit dem Zwiste der politischen und sozialpolitischen Parteien zu¬ sammengeschmiedet werde." Denn wenn es die Silbermünner selbst mit Hilfe der mächtigen Agrarier bei uns noch nicht einmal bis zu einem Antrage gebracht haben, wie ohnmächtig werden da erst die Theoretiker für sich allein sein! In einer Reihe von Punkten geben wir Bever unbedingt Recht. Auch wir sind keine solchen Goldfanatiker, daß wir den Fortgebrauch unsrer schönen alten Thaler der Regierung zur Sünde anrechneten. Auch wir siud der An¬ sicht, daß, solange die Edelmetalle als Tauschmittel verwendet werden, das Silber nicht wird entbehrt werden können, weil der Gvldvorrat allein für den Verkehr so wenig ausreicht, als der Silbervorrat für sich allein ausreichen würde. Auch wir meinen, daß sich für reichere Länder und Personen das Gold, für ärmere das Silber besser eigne, und wir sind schon aus diesem Grunde im Zweifel, ob die Goldwährung den deutscheu Verhältnissen an¬ gemessen sei, da ja die Zahl derer, deren Wochenlohn zwanzig Mark nicht erreicht, also niemals in Gold ausgezahlt werden kann, bei uns sehr groß ist. Auch wir wissen, daß die armen Leute durch die neue Währung geschädigt worden sind. Wer manchmal für einen Einkauf uicht mehr als einen Pfennig zur Verfügung hat, für den macht es einen Unterschied, ob der Thaler in 3ö0 oder mir in 300 Pfennige geteilt wird. Durch den Übergang von der Zwölfteilung zur Zehuteilung werden die Preise im Kleinhandel nach oben abgerundet und ganz winzige Einkäufe unmöglich gemacht. Mit der Einfüh¬ rung des Zwauzigmarkstücks, das dem englischen Svvereign entspricht, in den allgemeinen Verkehr ist der Zuschnitt aller Haushaltungen größer geworden, und wer sei» Einkommen uicht entsprechend vergrößern kann, der sinkt eben dadurch eine Stufe tiefer. Vielleicht also ist es ein Fehler gewesen, daß Deutschland mit seiner un¬ bedingt notwendig gewesenen Münzreform den nicht unbedingt notwendigen Übergang zur Goldwährung verbunden hat. Um die Frage, gleich Bever, entschieden bejahen zu können, müßte man wissen, ob die jetzige Entwertung des Silbers lediglich eine Wirkung seiner Demonctisirnng in Deutschland ist, oder wegen der unaufhaltsam steigenden Silberproduktion auch ohne jenen Gesetzgebungsakt eingetreten sein würde. Die meisten Autoritäten in Münz¬ fachen behaupten bekanntlich das letztere, die Bimetallisten das erstere. Bever stützt seine Ausicht vorzugsweise auf den Umstand, daß vor 1870 die Schwan¬ kungen in der Produktion von Gold und Silber auf den Preis der Edel¬ metalle und auf ihr Wertverhältnis keinen wesentlichen Einfluß geäußert hätten, wie er in dem historischen Teile seiner Arbeit zeigt. Das mag richtig Grenzboten III 1893 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/449>, abgerufen am 28.07.2024.