Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.Loluccio Salutati hervortretende sittliche Überzeugung ihres Verfassers, sodaß Giangaleazzo Bis¬ Aber trotz seines unermüdlichen Kampfes gegen eine Welt von Haß und Die staatsmännische Seite seines Wirkens war aber keineswegs die ein¬ Diese Bemerkungen, zu denen Colnccio wohl ein Recht hatte, führen Loluccio Salutati hervortretende sittliche Überzeugung ihres Verfassers, sodaß Giangaleazzo Bis¬ Aber trotz seines unermüdlichen Kampfes gegen eine Welt von Haß und Die staatsmännische Seite seines Wirkens war aber keineswegs die ein¬ Diese Bemerkungen, zu denen Colnccio wohl ein Recht hatte, führen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0275" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215365"/> <fw type="header" place="top"> Loluccio Salutati</fw><lb/> <p xml:id="ID_958" prev="#ID_957"> hervortretende sittliche Überzeugung ihres Verfassers, sodaß Giangaleazzo Bis¬<lb/> conti behauptete, Coluccios Schriften hätten ihm mehr geschadet als tausend<lb/> florentinische Reiter.</p><lb/> <p xml:id="ID_959"> Aber trotz seines unermüdlichen Kampfes gegen eine Welt von Haß und<lb/> Unverstand wurde fein Staatsideal: ein freies Italien, bestehend aus einem<lb/> Bunde unabhängiger republikanischer Gemeinwesen, nicht verwirklicht. Und<lb/> doch, wer möchte behaupten, daß er vergeblich gewirkt habe? Große Ideen<lb/> sterben nicht, wenn ihr Erzeuger stirbt; und so haben auch Coluccios patrio¬<lb/> tische und religiöse Ideen weiter gewirkt, bis sie, allerdings erst nach einem<lb/> halben Jahrtausend und in einer den monarchischen Anschauungen der Gegen¬<lb/> wart entsprechenden Weise durch den Bismarck Italiens, durch Cavour, ihre<lb/> Erfüllung fanden.</p><lb/> <p xml:id="ID_960"> Die staatsmännische Seite seines Wirkens war aber keineswegs die ein¬<lb/> zige, die in Florenz hervortritt. Derselbe Mann, der Tag sür Tag die wich¬<lb/> tigste» Staatsgeschäfte zu erledigen hatte, wanderte am Abend hinaus zum<lb/> Paradiso, einer auf dem entzückenden Monte Oliveto gelegnen Villa des fein¬<lb/> gebildeten Kaufherrn Antonio degli Alberti, um hier neue Anregung auszu¬<lb/> teilen oder zu empfangen, oder hinüber über den Arno nach Santo Spirito,<lb/> ins stille Kloster der Augustinereremiten, wo ein kleiner Kreis von Männern<lb/> der neuen Richtung den ersten Versuch machte, etwas der Akademie Platons<lb/> ähnliches zu schaffen, und handelte dort mit dem Bruder Marsigli in stunden¬<lb/> langen Gesprächen über die tiefsten Fragen der Moral. Und mit welchem<lb/> Eifer hat sich Coluccio auch noch als Staatsmann bemüht, immer weiter in<lb/> das klassische Altertum einzudringen! Aus Petrarcas Nachlaß erwirbt er den<lb/> Canuti und den Properz und müht sich, Ciceros Briefe zu erlangen. Und als<lb/> ihm dies nicht gelingt, ruht und rastet er nicht, bis er durch deu mailän-<lb/> discheu Staatskanzler Pasquino ve Capelli nach jahrelangem Bitten Abschriften<lb/> dieses für ihn unermeßlichen Schatzes erhält. Er begrüßt die Abschrift, außer<lb/> sich vor Freude, als ein Geschenk Gottes, und mit welchem Eifer er sie ge¬<lb/> lesen und sich um die Besserung deS Textes gemüht hat, davon zeugt sein<lb/> noch heute in der Mediceischen Bibliothek vorhcmdnes Exemplar. Wie einst<lb/> Petrarca Briefe an die großen Männer des Altertums gerichtet hatte, so spricht<lb/> auch Colueeio in seinen Randbemerkungen den Cicero wie einen Lebenden an,<lb/> und nicht immer hat sich dieser Coluccios Zustimmung zu erfreuen. Nament¬<lb/> lich seine Verzagtheit im Unglück enttäuscht den in seinem Gottvertrauen starken<lb/> Charakter des Florentiner Staatsmannes. Zu der Klage Ciceros: viutius iir<lb/> ÜÄV Vita 6886 N0N xo88um bemerkt er: Hilla 3,18, p1>it08o^U6 et68v6rat.6? und<lb/> ein andermal schreibt er an den Rand: L!ur, xllilosoxlle, clL8x6ra8 Et oxt.3,8<lb/> Milo mutari non pe>88unt,?</p><lb/> <p xml:id="ID_961" next="#ID_962"> Diese Bemerkungen, zu denen Colnccio wohl ein Recht hatte, führen<lb/> uns schließlich auf die rein menschliche Seite seines Wesens. Wenn er sin-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0275]
Loluccio Salutati
hervortretende sittliche Überzeugung ihres Verfassers, sodaß Giangaleazzo Bis¬
conti behauptete, Coluccios Schriften hätten ihm mehr geschadet als tausend
florentinische Reiter.
Aber trotz seines unermüdlichen Kampfes gegen eine Welt von Haß und
Unverstand wurde fein Staatsideal: ein freies Italien, bestehend aus einem
Bunde unabhängiger republikanischer Gemeinwesen, nicht verwirklicht. Und
doch, wer möchte behaupten, daß er vergeblich gewirkt habe? Große Ideen
sterben nicht, wenn ihr Erzeuger stirbt; und so haben auch Coluccios patrio¬
tische und religiöse Ideen weiter gewirkt, bis sie, allerdings erst nach einem
halben Jahrtausend und in einer den monarchischen Anschauungen der Gegen¬
wart entsprechenden Weise durch den Bismarck Italiens, durch Cavour, ihre
Erfüllung fanden.
Die staatsmännische Seite seines Wirkens war aber keineswegs die ein¬
zige, die in Florenz hervortritt. Derselbe Mann, der Tag sür Tag die wich¬
tigste» Staatsgeschäfte zu erledigen hatte, wanderte am Abend hinaus zum
Paradiso, einer auf dem entzückenden Monte Oliveto gelegnen Villa des fein¬
gebildeten Kaufherrn Antonio degli Alberti, um hier neue Anregung auszu¬
teilen oder zu empfangen, oder hinüber über den Arno nach Santo Spirito,
ins stille Kloster der Augustinereremiten, wo ein kleiner Kreis von Männern
der neuen Richtung den ersten Versuch machte, etwas der Akademie Platons
ähnliches zu schaffen, und handelte dort mit dem Bruder Marsigli in stunden¬
langen Gesprächen über die tiefsten Fragen der Moral. Und mit welchem
Eifer hat sich Coluccio auch noch als Staatsmann bemüht, immer weiter in
das klassische Altertum einzudringen! Aus Petrarcas Nachlaß erwirbt er den
Canuti und den Properz und müht sich, Ciceros Briefe zu erlangen. Und als
ihm dies nicht gelingt, ruht und rastet er nicht, bis er durch deu mailän-
discheu Staatskanzler Pasquino ve Capelli nach jahrelangem Bitten Abschriften
dieses für ihn unermeßlichen Schatzes erhält. Er begrüßt die Abschrift, außer
sich vor Freude, als ein Geschenk Gottes, und mit welchem Eifer er sie ge¬
lesen und sich um die Besserung deS Textes gemüht hat, davon zeugt sein
noch heute in der Mediceischen Bibliothek vorhcmdnes Exemplar. Wie einst
Petrarca Briefe an die großen Männer des Altertums gerichtet hatte, so spricht
auch Colueeio in seinen Randbemerkungen den Cicero wie einen Lebenden an,
und nicht immer hat sich dieser Coluccios Zustimmung zu erfreuen. Nament¬
lich seine Verzagtheit im Unglück enttäuscht den in seinem Gottvertrauen starken
Charakter des Florentiner Staatsmannes. Zu der Klage Ciceros: viutius iir
ÜÄV Vita 6886 N0N xo88um bemerkt er: Hilla 3,18, p1>it08o^U6 et68v6rat.6? und
ein andermal schreibt er an den Rand: L!ur, xllilosoxlle, clL8x6ra8 Et oxt.3,8
Milo mutari non pe>88unt,?
Diese Bemerkungen, zu denen Colnccio wohl ein Recht hatte, führen
uns schließlich auf die rein menschliche Seite seines Wesens. Wenn er sin-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |