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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Der Schutz der Gewerbtreibenden gegen unlautern Mitbemerb

richtet sind. Läuft diese zugleich auf eine persönliche Herabwürdigung des
andern Gewerbtreibenden hinaus, so wird dagegen schon die Anklage wegen
Beleidigung in Verbindung mit dem nach § 188 des Strafgesetzbuches zu¬
lässigen Antrag auf Zuerkennung einer Buße Schutz gewähren. Aber auch
wo dies nicht der Fall ist, eignen wir uns den Gedanken des franzö¬
sischen Rechtes an, daß dem andern Gewerbtreibenden ein zivilrechtlicher Schutz
gegen die Herabsetzung seiner Ware gegeben sein muß. Dies um so mehr,
als ihm ein solcher Schutz zugestanden werden muß ohne Rücksicht darauf,
ob der Rcklamemacher wider besseres Wissen oder in gutem Glauben gehandelt
hat. Denn wer es unternimmt, in seinem persönlichen Interesse die Leistungen
andrer herabzusetzen, muß auch unbedingt die Verantwortlichkeit dafür tragen
und kann sich nicht damit entschuldigen wollen, daß er die Sache für wahr
gehalten habe.

Fälle dieser Art sind es z. B., wenn sich jemand unwahrerweise als den
alleinigen Verfertiger bestimmter Waren ankündigt, wenn er bekannt macht,
daß sein Geschäft ausschließlich eine besonders günstige Produktionsweise be¬
sitze, daß er in der Lage sei, billiger als andre zu verkaufen, daß seine Ware
echt, die der übrigen unecht sei u. s. w. Die Klage des verletzten Gewerb¬
treibenden würde auf öffentliche Berichtigung der unwahren Angaben und auf
Entschädigung zu richten sein. Gewinne der Gewerbetreibende diesen Prozeß,
so kann daneben eine strafrechtliche Verfolgung des Reklamemachers um so
mehr entbehrt werden, als dessen Verurteilung zu den Prozeßkosten schon eine
erhebliche Strafe in sich schließt.

Es entsteht aber nnn die Frage: soll denn nur gegen unwahre Angaben
eines Reklamemachers der andre Gewerbetreibende geschützt werden? soll nicht
vielmehr jede Herabwürdigung fremder Waren in einer öffentlichen Kund¬
gebung, auch wenn sie auf Wahrheit beruht, dem Betroffnen eine Klage
geben? Dies nehmen in der That die französischen Gerichte an, indem sie
aus dem Begriff der eonourrsnos ävIoMs die Pflicht ableiten, sich aller Äuße¬
rungen zu enthalten, die andre Gewerbtreibende benachteiligen. Meiner An¬
sicht nach geht das zu weit. Es mag ja uuter Umständen eine solche Zurück¬
haltung dem Anstande in höherm Maße entsprechen. Aber man muß doch
an dem Grundsatze festhalten, daß, wo ein Interesse vorliegt, die Wahrheit
gesagt werden darf. Es wird auch nicht in Abrede gestellt werden können,
daß ein Gewerbetreibender ein Interesse dabei haben kann, ja daß es unter
Umstünden sogar für eine Pflicht gegen das Publikum gehalten werden kann,
auf die Mängel der Leistungen andrer öffentlich hinzuweisen. Ist also der
Vorwurf, den ein Gewerbetreibender den Leistungen andrer macht, begründet,
so kann er -- stets vorausgesetzt, daß er dabei nicht beleidigend geworden ist --
nicht dafür haftbar gemacht werden.

Noch weniger kann dies geschehen, wenn er nur im allgemeinen darauf


Der Schutz der Gewerbtreibenden gegen unlautern Mitbemerb

richtet sind. Läuft diese zugleich auf eine persönliche Herabwürdigung des
andern Gewerbtreibenden hinaus, so wird dagegen schon die Anklage wegen
Beleidigung in Verbindung mit dem nach § 188 des Strafgesetzbuches zu¬
lässigen Antrag auf Zuerkennung einer Buße Schutz gewähren. Aber auch
wo dies nicht der Fall ist, eignen wir uns den Gedanken des franzö¬
sischen Rechtes an, daß dem andern Gewerbtreibenden ein zivilrechtlicher Schutz
gegen die Herabsetzung seiner Ware gegeben sein muß. Dies um so mehr,
als ihm ein solcher Schutz zugestanden werden muß ohne Rücksicht darauf,
ob der Rcklamemacher wider besseres Wissen oder in gutem Glauben gehandelt
hat. Denn wer es unternimmt, in seinem persönlichen Interesse die Leistungen
andrer herabzusetzen, muß auch unbedingt die Verantwortlichkeit dafür tragen
und kann sich nicht damit entschuldigen wollen, daß er die Sache für wahr
gehalten habe.

Fälle dieser Art sind es z. B., wenn sich jemand unwahrerweise als den
alleinigen Verfertiger bestimmter Waren ankündigt, wenn er bekannt macht,
daß sein Geschäft ausschließlich eine besonders günstige Produktionsweise be¬
sitze, daß er in der Lage sei, billiger als andre zu verkaufen, daß seine Ware
echt, die der übrigen unecht sei u. s. w. Die Klage des verletzten Gewerb¬
treibenden würde auf öffentliche Berichtigung der unwahren Angaben und auf
Entschädigung zu richten sein. Gewinne der Gewerbetreibende diesen Prozeß,
so kann daneben eine strafrechtliche Verfolgung des Reklamemachers um so
mehr entbehrt werden, als dessen Verurteilung zu den Prozeßkosten schon eine
erhebliche Strafe in sich schließt.

Es entsteht aber nnn die Frage: soll denn nur gegen unwahre Angaben
eines Reklamemachers der andre Gewerbetreibende geschützt werden? soll nicht
vielmehr jede Herabwürdigung fremder Waren in einer öffentlichen Kund¬
gebung, auch wenn sie auf Wahrheit beruht, dem Betroffnen eine Klage
geben? Dies nehmen in der That die französischen Gerichte an, indem sie
aus dem Begriff der eonourrsnos ävIoMs die Pflicht ableiten, sich aller Äuße¬
rungen zu enthalten, die andre Gewerbtreibende benachteiligen. Meiner An¬
sicht nach geht das zu weit. Es mag ja uuter Umständen eine solche Zurück¬
haltung dem Anstande in höherm Maße entsprechen. Aber man muß doch
an dem Grundsatze festhalten, daß, wo ein Interesse vorliegt, die Wahrheit
gesagt werden darf. Es wird auch nicht in Abrede gestellt werden können,
daß ein Gewerbetreibender ein Interesse dabei haben kann, ja daß es unter
Umstünden sogar für eine Pflicht gegen das Publikum gehalten werden kann,
auf die Mängel der Leistungen andrer öffentlich hinzuweisen. Ist also der
Vorwurf, den ein Gewerbetreibender den Leistungen andrer macht, begründet,
so kann er — stets vorausgesetzt, daß er dabei nicht beleidigend geworden ist —
nicht dafür haftbar gemacht werden.

Noch weniger kann dies geschehen, wenn er nur im allgemeinen darauf


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[0255] Der Schutz der Gewerbtreibenden gegen unlautern Mitbemerb richtet sind. Läuft diese zugleich auf eine persönliche Herabwürdigung des andern Gewerbtreibenden hinaus, so wird dagegen schon die Anklage wegen Beleidigung in Verbindung mit dem nach § 188 des Strafgesetzbuches zu¬ lässigen Antrag auf Zuerkennung einer Buße Schutz gewähren. Aber auch wo dies nicht der Fall ist, eignen wir uns den Gedanken des franzö¬ sischen Rechtes an, daß dem andern Gewerbtreibenden ein zivilrechtlicher Schutz gegen die Herabsetzung seiner Ware gegeben sein muß. Dies um so mehr, als ihm ein solcher Schutz zugestanden werden muß ohne Rücksicht darauf, ob der Rcklamemacher wider besseres Wissen oder in gutem Glauben gehandelt hat. Denn wer es unternimmt, in seinem persönlichen Interesse die Leistungen andrer herabzusetzen, muß auch unbedingt die Verantwortlichkeit dafür tragen und kann sich nicht damit entschuldigen wollen, daß er die Sache für wahr gehalten habe. Fälle dieser Art sind es z. B., wenn sich jemand unwahrerweise als den alleinigen Verfertiger bestimmter Waren ankündigt, wenn er bekannt macht, daß sein Geschäft ausschließlich eine besonders günstige Produktionsweise be¬ sitze, daß er in der Lage sei, billiger als andre zu verkaufen, daß seine Ware echt, die der übrigen unecht sei u. s. w. Die Klage des verletzten Gewerb¬ treibenden würde auf öffentliche Berichtigung der unwahren Angaben und auf Entschädigung zu richten sein. Gewinne der Gewerbetreibende diesen Prozeß, so kann daneben eine strafrechtliche Verfolgung des Reklamemachers um so mehr entbehrt werden, als dessen Verurteilung zu den Prozeßkosten schon eine erhebliche Strafe in sich schließt. Es entsteht aber nnn die Frage: soll denn nur gegen unwahre Angaben eines Reklamemachers der andre Gewerbetreibende geschützt werden? soll nicht vielmehr jede Herabwürdigung fremder Waren in einer öffentlichen Kund¬ gebung, auch wenn sie auf Wahrheit beruht, dem Betroffnen eine Klage geben? Dies nehmen in der That die französischen Gerichte an, indem sie aus dem Begriff der eonourrsnos ävIoMs die Pflicht ableiten, sich aller Äuße¬ rungen zu enthalten, die andre Gewerbtreibende benachteiligen. Meiner An¬ sicht nach geht das zu weit. Es mag ja uuter Umständen eine solche Zurück¬ haltung dem Anstande in höherm Maße entsprechen. Aber man muß doch an dem Grundsatze festhalten, daß, wo ein Interesse vorliegt, die Wahrheit gesagt werden darf. Es wird auch nicht in Abrede gestellt werden können, daß ein Gewerbetreibender ein Interesse dabei haben kann, ja daß es unter Umstünden sogar für eine Pflicht gegen das Publikum gehalten werden kann, auf die Mängel der Leistungen andrer öffentlich hinzuweisen. Ist also der Vorwurf, den ein Gewerbetreibender den Leistungen andrer macht, begründet, so kann er — stets vorausgesetzt, daß er dabei nicht beleidigend geworden ist — nicht dafür haftbar gemacht werden. Noch weniger kann dies geschehen, wenn er nur im allgemeinen darauf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/255>, abgerufen am 28.07.2024.