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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Der Schutz der Gewerbtreibenden
gegen unlautern Mitbewerb
von V. Bähr

in Laufe der letzten fünfzig Jahre hat sich der Gebrauch, den Ab¬
satz von Waren oder andern gewerblichen Leistungen durch An¬
lockungsmittel jeder Art, insbesondre durch öffentliche Ankün¬
digungen und Anpreisungen zu fördern, in einer Weise gesteigert,
daß sich damit das, was früher in dieser Beziehung üblich war,
gar nicht vergleichen läßt. Um sich davon zu überzeugen, braucht man nur
einen Blick in die Anzeigespalten der heutigen Blätter zu werfen und daneben
die spärlichen Anzeigen der Blätter jener frühern Zeit anzusehen. Mit der
Reklame -- so hat man diesen löblichen Gebrauch genannt ^ wird nun aber
vielfach ein arger Mißbrauch getrieben, und dadurch hat sich die Möglichkeit von
Rechtsverletzungen entwickelt, an die man früher gar nicht gedacht hat, und
die deshalb auch in unserm althergebrachten Rechte ganz unberücksichtigt ge¬
blieben sind. Diese Rechtsverletzungen liegen auf dem Gebiet der durch die
Reklame geübten Täuschungen. Zwar bestimmt unser Recht, daß der, der in
Handel und Wandel durch "Vorspiegelung falscher Thatsachen" einen andern ge¬
schädigt hat, diesen zur Schadloshaltung, sei es durch Rückgängigmachung des
Geschäftes, sei es dnrch Schadenersatz in Geld, verpflichtet ist. Auch wird der,
der eine solche Täuschung verübt hat, unter Umständen wegen Betrugs ge¬
straft. Aber die in der Form der Reklame geübten Täuschungen richten sich
nicht gegen einzelne, sondern gegen das Publikum im allgemeinen. Es müßten
sich also, um jemand wegen täuschender Reklame haftbar zu machen, einzelne
senden, die nachweisen konnten, daß gerade sie durch die unwahren Angaben
getauscht und geschädigt worden seien. Ein solcher Nachweis ist in den meisten


Grenzboten III 1893 ZI


Der Schutz der Gewerbtreibenden
gegen unlautern Mitbewerb
von V. Bähr

in Laufe der letzten fünfzig Jahre hat sich der Gebrauch, den Ab¬
satz von Waren oder andern gewerblichen Leistungen durch An¬
lockungsmittel jeder Art, insbesondre durch öffentliche Ankün¬
digungen und Anpreisungen zu fördern, in einer Weise gesteigert,
daß sich damit das, was früher in dieser Beziehung üblich war,
gar nicht vergleichen läßt. Um sich davon zu überzeugen, braucht man nur
einen Blick in die Anzeigespalten der heutigen Blätter zu werfen und daneben
die spärlichen Anzeigen der Blätter jener frühern Zeit anzusehen. Mit der
Reklame — so hat man diesen löblichen Gebrauch genannt ^ wird nun aber
vielfach ein arger Mißbrauch getrieben, und dadurch hat sich die Möglichkeit von
Rechtsverletzungen entwickelt, an die man früher gar nicht gedacht hat, und
die deshalb auch in unserm althergebrachten Rechte ganz unberücksichtigt ge¬
blieben sind. Diese Rechtsverletzungen liegen auf dem Gebiet der durch die
Reklame geübten Täuschungen. Zwar bestimmt unser Recht, daß der, der in
Handel und Wandel durch „Vorspiegelung falscher Thatsachen" einen andern ge¬
schädigt hat, diesen zur Schadloshaltung, sei es durch Rückgängigmachung des
Geschäftes, sei es dnrch Schadenersatz in Geld, verpflichtet ist. Auch wird der,
der eine solche Täuschung verübt hat, unter Umständen wegen Betrugs ge¬
straft. Aber die in der Form der Reklame geübten Täuschungen richten sich
nicht gegen einzelne, sondern gegen das Publikum im allgemeinen. Es müßten
sich also, um jemand wegen täuschender Reklame haftbar zu machen, einzelne
senden, die nachweisen konnten, daß gerade sie durch die unwahren Angaben
getauscht und geschädigt worden seien. Ein solcher Nachweis ist in den meisten


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[0249] [Abbildung] Der Schutz der Gewerbtreibenden gegen unlautern Mitbewerb von V. Bähr in Laufe der letzten fünfzig Jahre hat sich der Gebrauch, den Ab¬ satz von Waren oder andern gewerblichen Leistungen durch An¬ lockungsmittel jeder Art, insbesondre durch öffentliche Ankün¬ digungen und Anpreisungen zu fördern, in einer Weise gesteigert, daß sich damit das, was früher in dieser Beziehung üblich war, gar nicht vergleichen läßt. Um sich davon zu überzeugen, braucht man nur einen Blick in die Anzeigespalten der heutigen Blätter zu werfen und daneben die spärlichen Anzeigen der Blätter jener frühern Zeit anzusehen. Mit der Reklame — so hat man diesen löblichen Gebrauch genannt ^ wird nun aber vielfach ein arger Mißbrauch getrieben, und dadurch hat sich die Möglichkeit von Rechtsverletzungen entwickelt, an die man früher gar nicht gedacht hat, und die deshalb auch in unserm althergebrachten Rechte ganz unberücksichtigt ge¬ blieben sind. Diese Rechtsverletzungen liegen auf dem Gebiet der durch die Reklame geübten Täuschungen. Zwar bestimmt unser Recht, daß der, der in Handel und Wandel durch „Vorspiegelung falscher Thatsachen" einen andern ge¬ schädigt hat, diesen zur Schadloshaltung, sei es durch Rückgängigmachung des Geschäftes, sei es dnrch Schadenersatz in Geld, verpflichtet ist. Auch wird der, der eine solche Täuschung verübt hat, unter Umständen wegen Betrugs ge¬ straft. Aber die in der Form der Reklame geübten Täuschungen richten sich nicht gegen einzelne, sondern gegen das Publikum im allgemeinen. Es müßten sich also, um jemand wegen täuschender Reklame haftbar zu machen, einzelne senden, die nachweisen konnten, daß gerade sie durch die unwahren Angaben getauscht und geschädigt worden seien. Ein solcher Nachweis ist in den meisten Grenzboten III 1893 ZI

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/249>, abgerufen am 23.11.2024.