Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Fahneneid

Vorschriften und Befehle genau befolgen und mich so betragen will, wie es
einem rechtschaffnen, unverzagten, Pflicht- und ehrliebenden Soldaten eignet
und gebührt. So wahr mir Gott helfe!", wozu die Protestanten noch hinzu¬
fügen: "durch Jesum Christum zur Seligkeit," die Katholiken: "und sein
heiliges Evangelium." Die Errichtung des Norddeutschen Bundes und dann
die des deutschen Reichs machte Änderungen nötig. Wenn die betreffende
Militürkvnvention uicht anders bestimmte, wurde verfügt, daß unter Bei¬
behaltung der mitgeteilten Formel statt der Worte "Seiner Majestät dem
König von Preußen, Wilhelm I.," Name und Titel des betreffenden Fürsten
und nach dem Worte "abwenden": "den Befehlen des (Bundesfeldherrn) Kaisers
unbedingt Folge leisten" einzuschalten sei. Die zur Marine ausgehöhlten
Deutschen, aus welchen Bundesstaaten sie auch stammen, ebenso die Rekruten
aus Elsaß-Lothringen schwören allein dem Kaiser.

Selbst mit Wahrung des durch eine lange Vergangenheit gewissermaßen
geheiligten Wortlautes des preußischen Fahneneides ließe sich doch nun durch
eine kleine Kürzung eine Eidesformel schaffen, die dem Ideal eines einheit¬
lichen Eides für die gesamte deutsche Waffenmacht wenigstens nahe käme. Ner¬
zichtete man darauf, den Namen des Landesherrn nennen zu lassen, so könnte
der Eid lauten: "Ich N N schwöre zu Gott dem Allwissenden und Allmäch¬
tigen einen leiblichen Eid, daß ich meinem Allergnädigsten Landesherrn in
allen Borfüllen, zu Lande und zu Wasser, in Kriegs- und Friedenszeiten,
und an welchen Orten es immer sei, treu und redlich dienen, die mir vor¬
gelesenen Kriegsartikel und die nur erteilten Vorschriften genau befolgen
und mich so betragen will, wie es einem rechtschaffnen, unverzagten, pflicht-
nnd ehrliebenden Soldaten eignet und gebührt, so wahr mir Gott helfe!"
Fügten die Nichtprcußen nach dem Worte "dienen" hinzu: "den Befehlen des
Kaisers unbedingt Gehorsam leisten," so wäre wenigstens einigermaßen für
alle deutschen Soldaten ein einheitlicher Eid vorhanden. Daß das Weglassen
des Fürsteunamens nichts unerhörtes ist, geht schon daraus hervor, daß nach
Anordnung des Kriegsministers vom 26. Oktober 1878 die Formel, mit der
der NichtPreuße dem Kaiser Gehorsam gelobt, die Nennung des Kaisernamens
uicht erfordert ("den Befehlen des Kaisers unbedingt Folge leisten"). Die
vorgeschlagne Kürzung um die Worte "Allerhöchst Dero Nutzen und Bestes
befördern, Schaden und Nachteil aber abwenden," würde nur vorteilhaft
wirken; denn das "getren und redlich dienen" sagt doch genug. Es läßt sich
kein stichhaltiger Grund anführen, der eine solche Änderung unmöglich oder
unzweckmäßig erscheinen ließe. Die Kabinettsordre von 1831, die den Wort¬
laut des Fahneneides vorschrieb, kaun doch sicherlich auch durch eine Ordre
des Königs abgeändert werden. Der Übelstand, daß die Hanseaten und Reichs¬
länder auch nach dieser Abänderung ihren besondern Eid behalten müßten
-- staatsrechtlich ist ja der Kaiser im Reichslande nicht Landesherr --, ist


Der Fahneneid

Vorschriften und Befehle genau befolgen und mich so betragen will, wie es
einem rechtschaffnen, unverzagten, Pflicht- und ehrliebenden Soldaten eignet
und gebührt. So wahr mir Gott helfe!", wozu die Protestanten noch hinzu¬
fügen: „durch Jesum Christum zur Seligkeit," die Katholiken: „und sein
heiliges Evangelium." Die Errichtung des Norddeutschen Bundes und dann
die des deutschen Reichs machte Änderungen nötig. Wenn die betreffende
Militürkvnvention uicht anders bestimmte, wurde verfügt, daß unter Bei¬
behaltung der mitgeteilten Formel statt der Worte „Seiner Majestät dem
König von Preußen, Wilhelm I.," Name und Titel des betreffenden Fürsten
und nach dem Worte „abwenden": „den Befehlen des (Bundesfeldherrn) Kaisers
unbedingt Folge leisten" einzuschalten sei. Die zur Marine ausgehöhlten
Deutschen, aus welchen Bundesstaaten sie auch stammen, ebenso die Rekruten
aus Elsaß-Lothringen schwören allein dem Kaiser.

Selbst mit Wahrung des durch eine lange Vergangenheit gewissermaßen
geheiligten Wortlautes des preußischen Fahneneides ließe sich doch nun durch
eine kleine Kürzung eine Eidesformel schaffen, die dem Ideal eines einheit¬
lichen Eides für die gesamte deutsche Waffenmacht wenigstens nahe käme. Ner¬
zichtete man darauf, den Namen des Landesherrn nennen zu lassen, so könnte
der Eid lauten: „Ich N N schwöre zu Gott dem Allwissenden und Allmäch¬
tigen einen leiblichen Eid, daß ich meinem Allergnädigsten Landesherrn in
allen Borfüllen, zu Lande und zu Wasser, in Kriegs- und Friedenszeiten,
und an welchen Orten es immer sei, treu und redlich dienen, die mir vor¬
gelesenen Kriegsartikel und die nur erteilten Vorschriften genau befolgen
und mich so betragen will, wie es einem rechtschaffnen, unverzagten, pflicht-
nnd ehrliebenden Soldaten eignet und gebührt, so wahr mir Gott helfe!"
Fügten die Nichtprcußen nach dem Worte „dienen" hinzu: „den Befehlen des
Kaisers unbedingt Gehorsam leisten," so wäre wenigstens einigermaßen für
alle deutschen Soldaten ein einheitlicher Eid vorhanden. Daß das Weglassen
des Fürsteunamens nichts unerhörtes ist, geht schon daraus hervor, daß nach
Anordnung des Kriegsministers vom 26. Oktober 1878 die Formel, mit der
der NichtPreuße dem Kaiser Gehorsam gelobt, die Nennung des Kaisernamens
uicht erfordert („den Befehlen des Kaisers unbedingt Folge leisten"). Die
vorgeschlagne Kürzung um die Worte „Allerhöchst Dero Nutzen und Bestes
befördern, Schaden und Nachteil aber abwenden," würde nur vorteilhaft
wirken; denn das „getren und redlich dienen" sagt doch genug. Es läßt sich
kein stichhaltiger Grund anführen, der eine solche Änderung unmöglich oder
unzweckmäßig erscheinen ließe. Die Kabinettsordre von 1831, die den Wort¬
laut des Fahneneides vorschrieb, kaun doch sicherlich auch durch eine Ordre
des Königs abgeändert werden. Der Übelstand, daß die Hanseaten und Reichs¬
länder auch nach dieser Abänderung ihren besondern Eid behalten müßten
— staatsrechtlich ist ja der Kaiser im Reichslande nicht Landesherr —, ist


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0206" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215296"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Fahneneid</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_658" prev="#ID_657"> Vorschriften und Befehle genau befolgen und mich so betragen will, wie es<lb/>
einem rechtschaffnen, unverzagten, Pflicht- und ehrliebenden Soldaten eignet<lb/>
und gebührt. So wahr mir Gott helfe!", wozu die Protestanten noch hinzu¬<lb/>
fügen: &#x201E;durch Jesum Christum zur Seligkeit," die Katholiken: &#x201E;und sein<lb/>
heiliges Evangelium." Die Errichtung des Norddeutschen Bundes und dann<lb/>
die des deutschen Reichs machte Änderungen nötig. Wenn die betreffende<lb/>
Militürkvnvention uicht anders bestimmte, wurde verfügt, daß unter Bei¬<lb/>
behaltung der mitgeteilten Formel statt der Worte &#x201E;Seiner Majestät dem<lb/>
König von Preußen, Wilhelm I.," Name und Titel des betreffenden Fürsten<lb/>
und nach dem Worte &#x201E;abwenden": &#x201E;den Befehlen des (Bundesfeldherrn) Kaisers<lb/>
unbedingt Folge leisten" einzuschalten sei. Die zur Marine ausgehöhlten<lb/>
Deutschen, aus welchen Bundesstaaten sie auch stammen, ebenso die Rekruten<lb/>
aus Elsaß-Lothringen schwören allein dem Kaiser.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_659" next="#ID_660"> Selbst mit Wahrung des durch eine lange Vergangenheit gewissermaßen<lb/>
geheiligten Wortlautes des preußischen Fahneneides ließe sich doch nun durch<lb/>
eine kleine Kürzung eine Eidesformel schaffen, die dem Ideal eines einheit¬<lb/>
lichen Eides für die gesamte deutsche Waffenmacht wenigstens nahe käme. Ner¬<lb/>
zichtete man darauf, den Namen des Landesherrn nennen zu lassen, so könnte<lb/>
der Eid lauten: &#x201E;Ich N N schwöre zu Gott dem Allwissenden und Allmäch¬<lb/>
tigen einen leiblichen Eid, daß ich meinem Allergnädigsten Landesherrn in<lb/>
allen Borfüllen, zu Lande und zu Wasser, in Kriegs- und Friedenszeiten,<lb/>
und an welchen Orten es immer sei, treu und redlich dienen, die mir vor¬<lb/>
gelesenen Kriegsartikel und die nur erteilten Vorschriften genau befolgen<lb/>
und mich so betragen will, wie es einem rechtschaffnen, unverzagten, pflicht-<lb/>
nnd ehrliebenden Soldaten eignet und gebührt, so wahr mir Gott helfe!"<lb/>
Fügten die Nichtprcußen nach dem Worte &#x201E;dienen" hinzu: &#x201E;den Befehlen des<lb/>
Kaisers unbedingt Gehorsam leisten," so wäre wenigstens einigermaßen für<lb/>
alle deutschen Soldaten ein einheitlicher Eid vorhanden. Daß das Weglassen<lb/>
des Fürsteunamens nichts unerhörtes ist, geht schon daraus hervor, daß nach<lb/>
Anordnung des Kriegsministers vom 26. Oktober 1878 die Formel, mit der<lb/>
der NichtPreuße dem Kaiser Gehorsam gelobt, die Nennung des Kaisernamens<lb/>
uicht erfordert (&#x201E;den Befehlen des Kaisers unbedingt Folge leisten"). Die<lb/>
vorgeschlagne Kürzung um die Worte &#x201E;Allerhöchst Dero Nutzen und Bestes<lb/>
befördern, Schaden und Nachteil aber abwenden," würde nur vorteilhaft<lb/>
wirken; denn das &#x201E;getren und redlich dienen" sagt doch genug. Es läßt sich<lb/>
kein stichhaltiger Grund anführen, der eine solche Änderung unmöglich oder<lb/>
unzweckmäßig erscheinen ließe. Die Kabinettsordre von 1831, die den Wort¬<lb/>
laut des Fahneneides vorschrieb, kaun doch sicherlich auch durch eine Ordre<lb/>
des Königs abgeändert werden. Der Übelstand, daß die Hanseaten und Reichs¬<lb/>
länder auch nach dieser Abänderung ihren besondern Eid behalten müßten<lb/>
&#x2014; staatsrechtlich ist ja der Kaiser im Reichslande nicht Landesherr &#x2014;, ist</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0206] Der Fahneneid Vorschriften und Befehle genau befolgen und mich so betragen will, wie es einem rechtschaffnen, unverzagten, Pflicht- und ehrliebenden Soldaten eignet und gebührt. So wahr mir Gott helfe!", wozu die Protestanten noch hinzu¬ fügen: „durch Jesum Christum zur Seligkeit," die Katholiken: „und sein heiliges Evangelium." Die Errichtung des Norddeutschen Bundes und dann die des deutschen Reichs machte Änderungen nötig. Wenn die betreffende Militürkvnvention uicht anders bestimmte, wurde verfügt, daß unter Bei¬ behaltung der mitgeteilten Formel statt der Worte „Seiner Majestät dem König von Preußen, Wilhelm I.," Name und Titel des betreffenden Fürsten und nach dem Worte „abwenden": „den Befehlen des (Bundesfeldherrn) Kaisers unbedingt Folge leisten" einzuschalten sei. Die zur Marine ausgehöhlten Deutschen, aus welchen Bundesstaaten sie auch stammen, ebenso die Rekruten aus Elsaß-Lothringen schwören allein dem Kaiser. Selbst mit Wahrung des durch eine lange Vergangenheit gewissermaßen geheiligten Wortlautes des preußischen Fahneneides ließe sich doch nun durch eine kleine Kürzung eine Eidesformel schaffen, die dem Ideal eines einheit¬ lichen Eides für die gesamte deutsche Waffenmacht wenigstens nahe käme. Ner¬ zichtete man darauf, den Namen des Landesherrn nennen zu lassen, so könnte der Eid lauten: „Ich N N schwöre zu Gott dem Allwissenden und Allmäch¬ tigen einen leiblichen Eid, daß ich meinem Allergnädigsten Landesherrn in allen Borfüllen, zu Lande und zu Wasser, in Kriegs- und Friedenszeiten, und an welchen Orten es immer sei, treu und redlich dienen, die mir vor¬ gelesenen Kriegsartikel und die nur erteilten Vorschriften genau befolgen und mich so betragen will, wie es einem rechtschaffnen, unverzagten, pflicht- nnd ehrliebenden Soldaten eignet und gebührt, so wahr mir Gott helfe!" Fügten die Nichtprcußen nach dem Worte „dienen" hinzu: „den Befehlen des Kaisers unbedingt Gehorsam leisten," so wäre wenigstens einigermaßen für alle deutschen Soldaten ein einheitlicher Eid vorhanden. Daß das Weglassen des Fürsteunamens nichts unerhörtes ist, geht schon daraus hervor, daß nach Anordnung des Kriegsministers vom 26. Oktober 1878 die Formel, mit der der NichtPreuße dem Kaiser Gehorsam gelobt, die Nennung des Kaisernamens uicht erfordert („den Befehlen des Kaisers unbedingt Folge leisten"). Die vorgeschlagne Kürzung um die Worte „Allerhöchst Dero Nutzen und Bestes befördern, Schaden und Nachteil aber abwenden," würde nur vorteilhaft wirken; denn das „getren und redlich dienen" sagt doch genug. Es läßt sich kein stichhaltiger Grund anführen, der eine solche Änderung unmöglich oder unzweckmäßig erscheinen ließe. Die Kabinettsordre von 1831, die den Wort¬ laut des Fahneneides vorschrieb, kaun doch sicherlich auch durch eine Ordre des Königs abgeändert werden. Der Übelstand, daß die Hanseaten und Reichs¬ länder auch nach dieser Abänderung ihren besondern Eid behalten müßten — staatsrechtlich ist ja der Kaiser im Reichslande nicht Landesherr —, ist

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/206
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/206>, abgerufen am 23.11.2024.