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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Proletarierdichter n"d j)roletarierlieder

überflüssige Sorgen macht, "Es ist ein Leben sorgenschwer, ein Proletarier¬
leben."

Aus diese" Verhältnissen sind die Elends- und Hnngerlieder, wie man
sie nenne" könnte, hervorgegangen. "Der Hunger -- meint Reich -- giebt
in allen seinen so unendlich maimichfaltige" Formen dem bildenden .Künstler
wie dem Poeten Gelegenheit zu vollster Bewährung seiner Meisterschaft," er
ist "ein verhältnismäßig neue? Thema." In jedem Winter macht die Not
in einer Menge von Häusern ihre Besuche, die Mangel an Nahrung und
Wärme mit sich bringen. Die "Winterbilder" der Proletarierdichtnng sind
samt und sonders Not'standsbilder. "Der Magen," meint im Winter 1889
der "namenlose" Proletarierdichter,

Die Winter sind im lieben Deutschland zuweilen recht lang und streng, und
gerade bei andauernder Kälte ist die Arbeit am knappste".

"Zlveimalhnilderttanseiid zieh" wie er ans Deutschlands Straßen." Vor dem
"Fest," vor Weihnachten, mag es noch angehen, die Arbeit ist dann oft recht
eilig, alle Hände haben bis in die Nacht zu thun, aber wenn diese hastige,
drückende "Saisonarbeit" beendet ist, tritt um so tiefere Geschäftsstille ein.
Weihnachten füllt so manchem Prinzipal den Beutel für das ganze Jahr und
setzt so manche" Arbeiter vor die Thür. Nach sauern Wochen folgt ein
trauriges Fest, da? Arbeitslosigkeit bringt, und das nennt man christliche
Weihnachten!

Wie schön sind die vier Jahreszeiten für die Geldmenschen, für die
Bourgeoisie! Sommer und Winter sind ihnen gleich recht. Saison hier,
Saison da, und diese Saison sieht ganz anders ans als die des arbeitenden
Proletariats. Das Jahr des Reichen und das Jahr des Armen sind zwei
sehr verschied"? Größe". Der Arme geht täglich "zur Arbeit am Morgen,"

Für de" Reiche" heißt es: V-irmtio elölootmt:


Proletarierdichter n»d j)roletarierlieder

überflüssige Sorgen macht, „Es ist ein Leben sorgenschwer, ein Proletarier¬
leben."

Aus diese» Verhältnissen sind die Elends- und Hnngerlieder, wie man
sie nenne» könnte, hervorgegangen. „Der Hunger — meint Reich — giebt
in allen seinen so unendlich maimichfaltige» Formen dem bildenden .Künstler
wie dem Poeten Gelegenheit zu vollster Bewährung seiner Meisterschaft," er
ist „ein verhältnismäßig neue? Thema." In jedem Winter macht die Not
in einer Menge von Häusern ihre Besuche, die Mangel an Nahrung und
Wärme mit sich bringen. Die „Winterbilder" der Proletarierdichtnng sind
samt und sonders Not'standsbilder. „Der Magen," meint im Winter 1889
der „namenlose" Proletarierdichter,

Die Winter sind im lieben Deutschland zuweilen recht lang und streng, und
gerade bei andauernder Kälte ist die Arbeit am knappste».

„Zlveimalhnilderttanseiid zieh» wie er ans Deutschlands Straßen." Vor dem
„Fest," vor Weihnachten, mag es noch angehen, die Arbeit ist dann oft recht
eilig, alle Hände haben bis in die Nacht zu thun, aber wenn diese hastige,
drückende „Saisonarbeit" beendet ist, tritt um so tiefere Geschäftsstille ein.
Weihnachten füllt so manchem Prinzipal den Beutel für das ganze Jahr und
setzt so manche» Arbeiter vor die Thür. Nach sauern Wochen folgt ein
trauriges Fest, da? Arbeitslosigkeit bringt, und das nennt man christliche
Weihnachten!

Wie schön sind die vier Jahreszeiten für die Geldmenschen, für die
Bourgeoisie! Sommer und Winter sind ihnen gleich recht. Saison hier,
Saison da, und diese Saison sieht ganz anders ans als die des arbeitenden
Proletariats. Das Jahr des Reichen und das Jahr des Armen sind zwei
sehr verschied»? Größe». Der Arme geht täglich „zur Arbeit am Morgen,"

Für de» Reiche» heißt es: V-irmtio elölootmt:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/80>, abgerufen am 23.07.2024.