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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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europäischen Rußland ohne Polen und Finnland 63 Millionen Seelen zählt, noch
etwas mehr als bloß Gegenstand menschlichen Mitgefühls oder staatswissenschaft¬
licher Untersuchung. Daher wünschen wir Stepniaks bekanntem Büchlein: Der
russische Bauer, das bor fünf Jahren in englischer Sprache herausgegeben und
jetzt in guter deutscher Übersetzung erschienen ist (bei I. H. W. Dich in Stutt¬
gart; Übersetzer ist der Wiener Svzialistenführer Dr. Viktor Adler) recht viele Leser.

Stepnink ist Revolutionär, aber nichts weniger als ein Vaterlandsfeind, sondern
gleich den meisten russische" Unzufriednen von glühender Liebe zu seinem Volke und
namentlich zu dessen Hauptbestandteil, dem Bauernstande, erfüllt. Nach seiner
Schilderung ist der russische Bauer, wo ihn die gegenwärtige Krisis noch nicht
ergriffen hat, ein Mensch von kindlicher Unwissenheit aber eben so kindlicher Wahr¬
haftigkeit und Frömmigkeit, willig zur Übernahme jedes Leids und jeder Plackerei,
worin er Fügungen Gottes sieht, unermüdlich in der Arbeit, voll Liebe zum
Boden, die soziale Tugend in Person und völlig bedürfnislos. Sein unterwürfiges
Benehmen gegen Höherstehende ist kein Zeichen von Sklavensinn, sondern nur eine
Kundgebung pflichtschuldiger Ehrfurcht; er schmeichelt uicht und heuchelt nicht,
sondern sagt nnter seinesgleichen wie den Obrigkeiten gegenüber stets gerade
heraus, was er denkt, und bleibt dabei, auch wenn er zu Tode geknntet wird;
ja er, der sich, so lange er Land hat, für einen freien Mann halt, würde mit
einem Beamten nicht tauschen: "Nein, Gott behüte, ich möchte kein Batrak sein,"
ruft er, wenn man ihn darnach fragt; Batrak bedeutet einen Leibeignen. Seine
Liebe zum Lande ist nicht Liebe zum Besitz, denn der Mir, die Dorfgenossenschaft,
teilt ihm bald dieses bald jenes Ackerstück zu, sondern Liebe zum Lande im all¬
gemeinen und zu den ländlichen Beschäftigungen; der Anblick eines verwahrlosten
Feldes schmerzt ihn, und er wünscht, es in Ordnung zu bringen. Die Zahl der
Landanteile eines jeden richtet sich nach der Zahl der arbeitsfähigen Familienglieder,
daher ist ein Bauer um so reicher, je mehr halb oder ganz erwachsene Kinder er
im Hause hat. Aber wenn ihm diese größere Fläche auch einen Spargroschen ab¬
warft den er in einem Topfe verwahrte, sein Herz hing nicht daran, und sein
ärmerer Nachbar beneidete ihn nicht darum, dem, er hatte leine Verwendung für
sein Geld, und dieser vermißte es nicht. Wir mußten hier in die Erzählung über¬
gehn, weil das seit der Emanzipation anders geworden ist; allein die Eigenschaften
des Bauern, die das Geld ehedem als wertlos erscheinen ließen, seine Unwissenheit,
seine Bedürfnislosigkeit, seine brüderliche Hilfbereitschaft, dauern fort. Der russische
Bauer kennt mir die primitivste Form des Ackerbaues und braucht demnach kein
Geld für teure Werkzeuge und Maschinen. Er verbraucht nur Dinge, die er selbst
erzeugt. Er hat keine Idee von Komfort; nicht einmal die Annehmlichkeit des
Bettes kennt er. Selbst der reiche Bauer schläft des Nachts auf der Holzbank,
die ihm des Tages zum Sitzen dient, und legt nnr einige Kleider oder Lumpen
nnter; mit seinem Mantel oder Pelze deckt er sich zu. Auch von Leibwäsche weiß
er nichts. Geht ihm im Winter das Brot ans, so denkt er nicht daran, welches
zu kaufen und zu diesem Zweck etwa Geld zu leihen, wenn er keins hat. Sondern,
ob er auch Pferde und Kühe im Stalle haben mag, er geht im Mir herum
"Bissen heischen," und jede Bäuerin, die "och Brot hat, schneidet ihm einen Bissen,
während die übrigen in der Stube anwesenden so zartfühlend sind, zu thu", als
bemerkten sie ihn gar nicht; ein andres Jahr, wo sein Korn weiter reicht, ist es
dann seine Fran, die Bissen schneidet. Dem Greise, dem Waisenkinde bestellt der
Mir des Sonntags den Acker. Alles das wird nicht als Wohlthat betrachtet,
sondern als selbstverständliche Pflicht. Auch jeder Bettler bekommt, so lange der


europäischen Rußland ohne Polen und Finnland 63 Millionen Seelen zählt, noch
etwas mehr als bloß Gegenstand menschlichen Mitgefühls oder staatswissenschaft¬
licher Untersuchung. Daher wünschen wir Stepniaks bekanntem Büchlein: Der
russische Bauer, das bor fünf Jahren in englischer Sprache herausgegeben und
jetzt in guter deutscher Übersetzung erschienen ist (bei I. H. W. Dich in Stutt¬
gart; Übersetzer ist der Wiener Svzialistenführer Dr. Viktor Adler) recht viele Leser.

Stepnink ist Revolutionär, aber nichts weniger als ein Vaterlandsfeind, sondern
gleich den meisten russische« Unzufriednen von glühender Liebe zu seinem Volke und
namentlich zu dessen Hauptbestandteil, dem Bauernstande, erfüllt. Nach seiner
Schilderung ist der russische Bauer, wo ihn die gegenwärtige Krisis noch nicht
ergriffen hat, ein Mensch von kindlicher Unwissenheit aber eben so kindlicher Wahr¬
haftigkeit und Frömmigkeit, willig zur Übernahme jedes Leids und jeder Plackerei,
worin er Fügungen Gottes sieht, unermüdlich in der Arbeit, voll Liebe zum
Boden, die soziale Tugend in Person und völlig bedürfnislos. Sein unterwürfiges
Benehmen gegen Höherstehende ist kein Zeichen von Sklavensinn, sondern nur eine
Kundgebung pflichtschuldiger Ehrfurcht; er schmeichelt uicht und heuchelt nicht,
sondern sagt nnter seinesgleichen wie den Obrigkeiten gegenüber stets gerade
heraus, was er denkt, und bleibt dabei, auch wenn er zu Tode geknntet wird;
ja er, der sich, so lange er Land hat, für einen freien Mann halt, würde mit
einem Beamten nicht tauschen: „Nein, Gott behüte, ich möchte kein Batrak sein,"
ruft er, wenn man ihn darnach fragt; Batrak bedeutet einen Leibeignen. Seine
Liebe zum Lande ist nicht Liebe zum Besitz, denn der Mir, die Dorfgenossenschaft,
teilt ihm bald dieses bald jenes Ackerstück zu, sondern Liebe zum Lande im all¬
gemeinen und zu den ländlichen Beschäftigungen; der Anblick eines verwahrlosten
Feldes schmerzt ihn, und er wünscht, es in Ordnung zu bringen. Die Zahl der
Landanteile eines jeden richtet sich nach der Zahl der arbeitsfähigen Familienglieder,
daher ist ein Bauer um so reicher, je mehr halb oder ganz erwachsene Kinder er
im Hause hat. Aber wenn ihm diese größere Fläche auch einen Spargroschen ab¬
warft den er in einem Topfe verwahrte, sein Herz hing nicht daran, und sein
ärmerer Nachbar beneidete ihn nicht darum, dem, er hatte leine Verwendung für
sein Geld, und dieser vermißte es nicht. Wir mußten hier in die Erzählung über¬
gehn, weil das seit der Emanzipation anders geworden ist; allein die Eigenschaften
des Bauern, die das Geld ehedem als wertlos erscheinen ließen, seine Unwissenheit,
seine Bedürfnislosigkeit, seine brüderliche Hilfbereitschaft, dauern fort. Der russische
Bauer kennt mir die primitivste Form des Ackerbaues und braucht demnach kein
Geld für teure Werkzeuge und Maschinen. Er verbraucht nur Dinge, die er selbst
erzeugt. Er hat keine Idee von Komfort; nicht einmal die Annehmlichkeit des
Bettes kennt er. Selbst der reiche Bauer schläft des Nachts auf der Holzbank,
die ihm des Tages zum Sitzen dient, und legt nnr einige Kleider oder Lumpen
nnter; mit seinem Mantel oder Pelze deckt er sich zu. Auch von Leibwäsche weiß
er nichts. Geht ihm im Winter das Brot ans, so denkt er nicht daran, welches
zu kaufen und zu diesem Zweck etwa Geld zu leihen, wenn er keins hat. Sondern,
ob er auch Pferde und Kühe im Stalle haben mag, er geht im Mir herum
„Bissen heischen," und jede Bäuerin, die »och Brot hat, schneidet ihm einen Bissen,
während die übrigen in der Stube anwesenden so zartfühlend sind, zu thu», als
bemerkten sie ihn gar nicht; ein andres Jahr, wo sein Korn weiter reicht, ist es
dann seine Fran, die Bissen schneidet. Dem Greise, dem Waisenkinde bestellt der
Mir des Sonntags den Acker. Alles das wird nicht als Wohlthat betrachtet,
sondern als selbstverständliche Pflicht. Auch jeder Bettler bekommt, so lange der


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[0624] europäischen Rußland ohne Polen und Finnland 63 Millionen Seelen zählt, noch etwas mehr als bloß Gegenstand menschlichen Mitgefühls oder staatswissenschaft¬ licher Untersuchung. Daher wünschen wir Stepniaks bekanntem Büchlein: Der russische Bauer, das bor fünf Jahren in englischer Sprache herausgegeben und jetzt in guter deutscher Übersetzung erschienen ist (bei I. H. W. Dich in Stutt¬ gart; Übersetzer ist der Wiener Svzialistenführer Dr. Viktor Adler) recht viele Leser. Stepnink ist Revolutionär, aber nichts weniger als ein Vaterlandsfeind, sondern gleich den meisten russische« Unzufriednen von glühender Liebe zu seinem Volke und namentlich zu dessen Hauptbestandteil, dem Bauernstande, erfüllt. Nach seiner Schilderung ist der russische Bauer, wo ihn die gegenwärtige Krisis noch nicht ergriffen hat, ein Mensch von kindlicher Unwissenheit aber eben so kindlicher Wahr¬ haftigkeit und Frömmigkeit, willig zur Übernahme jedes Leids und jeder Plackerei, worin er Fügungen Gottes sieht, unermüdlich in der Arbeit, voll Liebe zum Boden, die soziale Tugend in Person und völlig bedürfnislos. Sein unterwürfiges Benehmen gegen Höherstehende ist kein Zeichen von Sklavensinn, sondern nur eine Kundgebung pflichtschuldiger Ehrfurcht; er schmeichelt uicht und heuchelt nicht, sondern sagt nnter seinesgleichen wie den Obrigkeiten gegenüber stets gerade heraus, was er denkt, und bleibt dabei, auch wenn er zu Tode geknntet wird; ja er, der sich, so lange er Land hat, für einen freien Mann halt, würde mit einem Beamten nicht tauschen: „Nein, Gott behüte, ich möchte kein Batrak sein," ruft er, wenn man ihn darnach fragt; Batrak bedeutet einen Leibeignen. Seine Liebe zum Lande ist nicht Liebe zum Besitz, denn der Mir, die Dorfgenossenschaft, teilt ihm bald dieses bald jenes Ackerstück zu, sondern Liebe zum Lande im all¬ gemeinen und zu den ländlichen Beschäftigungen; der Anblick eines verwahrlosten Feldes schmerzt ihn, und er wünscht, es in Ordnung zu bringen. Die Zahl der Landanteile eines jeden richtet sich nach der Zahl der arbeitsfähigen Familienglieder, daher ist ein Bauer um so reicher, je mehr halb oder ganz erwachsene Kinder er im Hause hat. Aber wenn ihm diese größere Fläche auch einen Spargroschen ab¬ warft den er in einem Topfe verwahrte, sein Herz hing nicht daran, und sein ärmerer Nachbar beneidete ihn nicht darum, dem, er hatte leine Verwendung für sein Geld, und dieser vermißte es nicht. Wir mußten hier in die Erzählung über¬ gehn, weil das seit der Emanzipation anders geworden ist; allein die Eigenschaften des Bauern, die das Geld ehedem als wertlos erscheinen ließen, seine Unwissenheit, seine Bedürfnislosigkeit, seine brüderliche Hilfbereitschaft, dauern fort. Der russische Bauer kennt mir die primitivste Form des Ackerbaues und braucht demnach kein Geld für teure Werkzeuge und Maschinen. Er verbraucht nur Dinge, die er selbst erzeugt. Er hat keine Idee von Komfort; nicht einmal die Annehmlichkeit des Bettes kennt er. Selbst der reiche Bauer schläft des Nachts auf der Holzbank, die ihm des Tages zum Sitzen dient, und legt nnr einige Kleider oder Lumpen nnter; mit seinem Mantel oder Pelze deckt er sich zu. Auch von Leibwäsche weiß er nichts. Geht ihm im Winter das Brot ans, so denkt er nicht daran, welches zu kaufen und zu diesem Zweck etwa Geld zu leihen, wenn er keins hat. Sondern, ob er auch Pferde und Kühe im Stalle haben mag, er geht im Mir herum „Bissen heischen," und jede Bäuerin, die »och Brot hat, schneidet ihm einen Bissen, während die übrigen in der Stube anwesenden so zartfühlend sind, zu thu», als bemerkten sie ihn gar nicht; ein andres Jahr, wo sein Korn weiter reicht, ist es dann seine Fran, die Bissen schneidet. Dem Greise, dem Waisenkinde bestellt der Mir des Sonntags den Acker. Alles das wird nicht als Wohlthat betrachtet, sondern als selbstverständliche Pflicht. Auch jeder Bettler bekommt, so lange der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/624>, abgerufen am 23.07.2024.