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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts

einer solchen Erklärung auffordern, svndirten hie und da und erfuhren bei der
Gelegenheit, daß auch die vier Könige zu einer besondern Beratung zusammen
getreten waren.

Sie fragen min zunächst bei dem König von Baiern an. Die Antwort
ist entschieden ablehnend; es sei ganz andres notwendig, man müsse vielmehr
dem Prinzregenten vereint entgegentreten und ihn auffordern, sich der Politik
der Würzburger Konferenz (d. h. der Kleinstaaten) anzuschließen, außer Hohen-
zollern und Schleinitz sein ganzes Ministerium zu entlassen, das aus verkappten
Demokraten bestehe, und die Hand zur energischen Unterdrückung des National¬
vereins zu bieten.

Auf diese Weise aufgeklärt über das, was in dem engern Rat der vier
Könige vorbereitet wurde, beeilte man sich, den Prinzregenten davon in Kenntnis
zu setzen, und in neuer Beratung der drei liberalen Fürsten mit ihm (wahr¬
scheinlich auch mit Hohenzollern) wurde beschlossen, der Priuzregent solle das
Prävenire spielen, bei ihrer letzten Zusammenkunft mit einer Erklärung hervor¬
treten, des Inhalts, daß er die Grenzen Deutschlands schirmen und wahren,
in der Bundes- und der innern Politik aber konsequent die bisherige Bahn
verfolgen werde. Da der Priuzregent nicht rasch arbeitet, entwarf der Herzog
schnell schriftlich die Rede, die der Regent halten sollte, und überließ es dann
ihm selbst, sie so zu überarbeiten, daß sein Stil, seine Art, sich auszudrücken,
hineinkam. Um dann jede weitere Diskussion im voraus abzuschneiden, soll,
sowie der Prinzregent seine Rede geendet hat, ,,meine Schwägerin," d. h. die
Großherzogin von Bade", eintreten. Jeder Bemerkung der Könige, die dennoch
vorkäme, soll der Prinzregent mit den Worten begegnen: das müsse Gegen¬
stand der Verhandlung unter den Kabinetten bleiben!

Bei der letzten Versammlung hielt der Prinzregent dann wirklich seine
bekannte Rede, aber die Schwägerin trat nicht ein, und sowie er geendet hatte,
augenblicklich, hob der König von Württemberg an mit seiner bekannten Er¬
widerung namens der vier Könige: er freue sich der patriotischen Gesinnung
des Prinzregenten, müsse aber namens der Könige und in ihrem Auftrag einige
Wünsche aussprechen. Diese sind vor allem: Einlenken Preußens in die Bahnen
einer konservativen Politik, Unterdrückung des Nationalvereins. Bei diesen
Worten richten die sämtlichen Könige giftige Blicke auf den Herzog, und der
König von Baiern fällt höchst naiv in die Rede: "Ja, das ist unser sehn¬
lichster Wunsch!" Der Prinzregent verweist alles auf die Unterhandlungen
nnter den Kabinetten.

Nachdem man sich in Baden getrennt hatte, schrieb der Herzog von Koburg
aus einen gleichlautenden Brief an die vier Könige und beschwerte sich darin
über die des Nationalvereins wegen gegen ihn gerichteten Anklagen darüber,
daß man den Nationalverein selbst angreife, zu einer Zeit, wo es bei den von
außen drohenden Gefahren nötig sei, sowohl die Einigkeit als das National-


Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts

einer solchen Erklärung auffordern, svndirten hie und da und erfuhren bei der
Gelegenheit, daß auch die vier Könige zu einer besondern Beratung zusammen
getreten waren.

Sie fragen min zunächst bei dem König von Baiern an. Die Antwort
ist entschieden ablehnend; es sei ganz andres notwendig, man müsse vielmehr
dem Prinzregenten vereint entgegentreten und ihn auffordern, sich der Politik
der Würzburger Konferenz (d. h. der Kleinstaaten) anzuschließen, außer Hohen-
zollern und Schleinitz sein ganzes Ministerium zu entlassen, das aus verkappten
Demokraten bestehe, und die Hand zur energischen Unterdrückung des National¬
vereins zu bieten.

Auf diese Weise aufgeklärt über das, was in dem engern Rat der vier
Könige vorbereitet wurde, beeilte man sich, den Prinzregenten davon in Kenntnis
zu setzen, und in neuer Beratung der drei liberalen Fürsten mit ihm (wahr¬
scheinlich auch mit Hohenzollern) wurde beschlossen, der Priuzregent solle das
Prävenire spielen, bei ihrer letzten Zusammenkunft mit einer Erklärung hervor¬
treten, des Inhalts, daß er die Grenzen Deutschlands schirmen und wahren,
in der Bundes- und der innern Politik aber konsequent die bisherige Bahn
verfolgen werde. Da der Priuzregent nicht rasch arbeitet, entwarf der Herzog
schnell schriftlich die Rede, die der Regent halten sollte, und überließ es dann
ihm selbst, sie so zu überarbeiten, daß sein Stil, seine Art, sich auszudrücken,
hineinkam. Um dann jede weitere Diskussion im voraus abzuschneiden, soll,
sowie der Prinzregent seine Rede geendet hat, ,,meine Schwägerin," d. h. die
Großherzogin von Bade», eintreten. Jeder Bemerkung der Könige, die dennoch
vorkäme, soll der Prinzregent mit den Worten begegnen: das müsse Gegen¬
stand der Verhandlung unter den Kabinetten bleiben!

Bei der letzten Versammlung hielt der Prinzregent dann wirklich seine
bekannte Rede, aber die Schwägerin trat nicht ein, und sowie er geendet hatte,
augenblicklich, hob der König von Württemberg an mit seiner bekannten Er¬
widerung namens der vier Könige: er freue sich der patriotischen Gesinnung
des Prinzregenten, müsse aber namens der Könige und in ihrem Auftrag einige
Wünsche aussprechen. Diese sind vor allem: Einlenken Preußens in die Bahnen
einer konservativen Politik, Unterdrückung des Nationalvereins. Bei diesen
Worten richten die sämtlichen Könige giftige Blicke auf den Herzog, und der
König von Baiern fällt höchst naiv in die Rede: „Ja, das ist unser sehn¬
lichster Wunsch!" Der Prinzregent verweist alles auf die Unterhandlungen
nnter den Kabinetten.

Nachdem man sich in Baden getrennt hatte, schrieb der Herzog von Koburg
aus einen gleichlautenden Brief an die vier Könige und beschwerte sich darin
über die des Nationalvereins wegen gegen ihn gerichteten Anklagen darüber,
daß man den Nationalverein selbst angreife, zu einer Zeit, wo es bei den von
außen drohenden Gefahren nötig sei, sowohl die Einigkeit als das National-


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[0560] Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts einer solchen Erklärung auffordern, svndirten hie und da und erfuhren bei der Gelegenheit, daß auch die vier Könige zu einer besondern Beratung zusammen getreten waren. Sie fragen min zunächst bei dem König von Baiern an. Die Antwort ist entschieden ablehnend; es sei ganz andres notwendig, man müsse vielmehr dem Prinzregenten vereint entgegentreten und ihn auffordern, sich der Politik der Würzburger Konferenz (d. h. der Kleinstaaten) anzuschließen, außer Hohen- zollern und Schleinitz sein ganzes Ministerium zu entlassen, das aus verkappten Demokraten bestehe, und die Hand zur energischen Unterdrückung des National¬ vereins zu bieten. Auf diese Weise aufgeklärt über das, was in dem engern Rat der vier Könige vorbereitet wurde, beeilte man sich, den Prinzregenten davon in Kenntnis zu setzen, und in neuer Beratung der drei liberalen Fürsten mit ihm (wahr¬ scheinlich auch mit Hohenzollern) wurde beschlossen, der Priuzregent solle das Prävenire spielen, bei ihrer letzten Zusammenkunft mit einer Erklärung hervor¬ treten, des Inhalts, daß er die Grenzen Deutschlands schirmen und wahren, in der Bundes- und der innern Politik aber konsequent die bisherige Bahn verfolgen werde. Da der Priuzregent nicht rasch arbeitet, entwarf der Herzog schnell schriftlich die Rede, die der Regent halten sollte, und überließ es dann ihm selbst, sie so zu überarbeiten, daß sein Stil, seine Art, sich auszudrücken, hineinkam. Um dann jede weitere Diskussion im voraus abzuschneiden, soll, sowie der Prinzregent seine Rede geendet hat, ,,meine Schwägerin," d. h. die Großherzogin von Bade», eintreten. Jeder Bemerkung der Könige, die dennoch vorkäme, soll der Prinzregent mit den Worten begegnen: das müsse Gegen¬ stand der Verhandlung unter den Kabinetten bleiben! Bei der letzten Versammlung hielt der Prinzregent dann wirklich seine bekannte Rede, aber die Schwägerin trat nicht ein, und sowie er geendet hatte, augenblicklich, hob der König von Württemberg an mit seiner bekannten Er¬ widerung namens der vier Könige: er freue sich der patriotischen Gesinnung des Prinzregenten, müsse aber namens der Könige und in ihrem Auftrag einige Wünsche aussprechen. Diese sind vor allem: Einlenken Preußens in die Bahnen einer konservativen Politik, Unterdrückung des Nationalvereins. Bei diesen Worten richten die sämtlichen Könige giftige Blicke auf den Herzog, und der König von Baiern fällt höchst naiv in die Rede: „Ja, das ist unser sehn¬ lichster Wunsch!" Der Prinzregent verweist alles auf die Unterhandlungen nnter den Kabinetten. Nachdem man sich in Baden getrennt hatte, schrieb der Herzog von Koburg aus einen gleichlautenden Brief an die vier Könige und beschwerte sich darin über die des Nationalvereins wegen gegen ihn gerichteten Anklagen darüber, daß man den Nationalverein selbst angreife, zu einer Zeit, wo es bei den von außen drohenden Gefahren nötig sei, sowohl die Einigkeit als das National-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/560>, abgerufen am 23.07.2024.