Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ans den Tagebüchern Theodor von Bernhardts

Napoleon III. war bei seiner Ankunft überrascht und sehr verdrießlich, so
zahlreiche Gesellschaft zu finden; er sah sogleich, daß sein Plan durchkreuzt
und verdorben war, daß er weder den Prinzregenten bearbeiten und ihm lockende
Anerbietungen machen, noch Preußen dem übrigen Deutschland gegenüber kom-
promittiren und verdächtigen könne.

Ganz zuerst hat er ein anderthalb Stunden langes Gespräch mit seinem
alten Freunde, dein Herzog von Koburg, beteuert seine friedlichen Absichten,
sein Verlangen, namentlich mit Deutschland im besten Einvernehmen zu leben,
klagt über das ungerechte Mißtrauen, mit dem man ihn betrachte u. s. w. Der
Herzog giebt die verabredete Antwort und zählt die Gründe des Mißtrauens
auf. Napoleon III. leugnet alle seine Pläne ab, verleugnet alle seine Agenten,
nennt sie schlechtes Gesinde!, das auf eigne Hand wühle. Er brauche vor
allen Dingen Frieden. Um davon zu überzeugen, daß er ihn brauche, spricht
er nicht nur von der angeblich schwierigen Lage der französischen Finanzen,
er macht auch die französische Armee und Flotte klein und schlecht. Er spricht
eine sehr hohe Meinung von der österreichischen Armee aus (die sich doch im
ganzen nicht besonders geschlagen hat), und es scheint fast, als sei sie eigentlich
der französischen an kriegerischer Tüchtigkeit überlegen; wenigstens beteuert er,
daß er nicht einer überlegnen Tüchtigkeit seiner Armee, sondern nur der schlechten
Führung ausheilen der Österreicher den Sieg in Italien verdanke. Der eng¬
lischen Flotte vollends sei die seinige durchaus nicht gewachsen. (Wenn das
die Leute in Frankreich wüßten!) Das Gespräch mit dem Regenten wird wohl
ungefähr desselben Inhalts gewesen sein.

Übrigens gefiel sich Napoleon III. als echter Parvenü ganz außerordent¬
lich in so guter Gesellschaft. Er fühlte sich unendlich geschmeichelt dadurch,
daß er dazu gehörte, daß die Fürsten ihn mit ungezwungner Familiarität als
ihresgleichen behandelten. Gegen den Herzog kam er öfter darauf zurück:
o'ost c.lui'ins.ut,, ton8 ees Muvsmins! Er habe gar nicht gedacht, daß
sich mit den Leuten so gut leben lasse!

Seine Aufnahme beim großen Publikum war von der Art, daß die Un¬
möglichkeit eines neuen Rheinbundes sehr anschaulich wurde. Französische
Agenten, irwuelmrcls, versuchen auf seinen Wegen vivs zu schreien;
die Folge ist, daß er gründlich ausgezischt und ansgepfiffen wird, und daß
ihn niemand grüßt. Erst als er selber den Befehl giebt, nicht Vivat zu schreien,
ändert sich die Sache, und man grüßt, wo er erscheint.

Nach seiner Abreise treten die drei liberalen Fürsten zusammen und be¬
raten, was nun im Innern Deutschlands geschehen müsse. Sie kommen über¬
ein, man müsse Osterreich das Bündnis und die Hilfe Deutschlands für die
Verteidigung Venetiens anbieten, aber unter der Bedingung, daß Österreich
sich in seinem Innern zu zeitgemäßen Fortschritten entschließe.

Die drei liberalen Fürsten wollten nun anch die übrigen zum Beitritt zu


Ans den Tagebüchern Theodor von Bernhardts

Napoleon III. war bei seiner Ankunft überrascht und sehr verdrießlich, so
zahlreiche Gesellschaft zu finden; er sah sogleich, daß sein Plan durchkreuzt
und verdorben war, daß er weder den Prinzregenten bearbeiten und ihm lockende
Anerbietungen machen, noch Preußen dem übrigen Deutschland gegenüber kom-
promittiren und verdächtigen könne.

Ganz zuerst hat er ein anderthalb Stunden langes Gespräch mit seinem
alten Freunde, dein Herzog von Koburg, beteuert seine friedlichen Absichten,
sein Verlangen, namentlich mit Deutschland im besten Einvernehmen zu leben,
klagt über das ungerechte Mißtrauen, mit dem man ihn betrachte u. s. w. Der
Herzog giebt die verabredete Antwort und zählt die Gründe des Mißtrauens
auf. Napoleon III. leugnet alle seine Pläne ab, verleugnet alle seine Agenten,
nennt sie schlechtes Gesinde!, das auf eigne Hand wühle. Er brauche vor
allen Dingen Frieden. Um davon zu überzeugen, daß er ihn brauche, spricht
er nicht nur von der angeblich schwierigen Lage der französischen Finanzen,
er macht auch die französische Armee und Flotte klein und schlecht. Er spricht
eine sehr hohe Meinung von der österreichischen Armee aus (die sich doch im
ganzen nicht besonders geschlagen hat), und es scheint fast, als sei sie eigentlich
der französischen an kriegerischer Tüchtigkeit überlegen; wenigstens beteuert er,
daß er nicht einer überlegnen Tüchtigkeit seiner Armee, sondern nur der schlechten
Führung ausheilen der Österreicher den Sieg in Italien verdanke. Der eng¬
lischen Flotte vollends sei die seinige durchaus nicht gewachsen. (Wenn das
die Leute in Frankreich wüßten!) Das Gespräch mit dem Regenten wird wohl
ungefähr desselben Inhalts gewesen sein.

Übrigens gefiel sich Napoleon III. als echter Parvenü ganz außerordent¬
lich in so guter Gesellschaft. Er fühlte sich unendlich geschmeichelt dadurch,
daß er dazu gehörte, daß die Fürsten ihn mit ungezwungner Familiarität als
ihresgleichen behandelten. Gegen den Herzog kam er öfter darauf zurück:
o'ost c.lui'ins.ut,, ton8 ees Muvsmins! Er habe gar nicht gedacht, daß
sich mit den Leuten so gut leben lasse!

Seine Aufnahme beim großen Publikum war von der Art, daß die Un¬
möglichkeit eines neuen Rheinbundes sehr anschaulich wurde. Französische
Agenten, irwuelmrcls, versuchen auf seinen Wegen vivs zu schreien;
die Folge ist, daß er gründlich ausgezischt und ansgepfiffen wird, und daß
ihn niemand grüßt. Erst als er selber den Befehl giebt, nicht Vivat zu schreien,
ändert sich die Sache, und man grüßt, wo er erscheint.

Nach seiner Abreise treten die drei liberalen Fürsten zusammen und be¬
raten, was nun im Innern Deutschlands geschehen müsse. Sie kommen über¬
ein, man müsse Osterreich das Bündnis und die Hilfe Deutschlands für die
Verteidigung Venetiens anbieten, aber unter der Bedingung, daß Österreich
sich in seinem Innern zu zeitgemäßen Fortschritten entschließe.

Die drei liberalen Fürsten wollten nun anch die übrigen zum Beitritt zu


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0559" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215014"/>
            <fw type="header" place="top"> Ans den Tagebüchern Theodor von Bernhardts</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2153"> Napoleon III. war bei seiner Ankunft überrascht und sehr verdrießlich, so<lb/>
zahlreiche Gesellschaft zu finden; er sah sogleich, daß sein Plan durchkreuzt<lb/>
und verdorben war, daß er weder den Prinzregenten bearbeiten und ihm lockende<lb/>
Anerbietungen machen, noch Preußen dem übrigen Deutschland gegenüber kom-<lb/>
promittiren und verdächtigen könne.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2154"> Ganz zuerst hat er ein anderthalb Stunden langes Gespräch mit seinem<lb/>
alten Freunde, dein Herzog von Koburg, beteuert seine friedlichen Absichten,<lb/>
sein Verlangen, namentlich mit Deutschland im besten Einvernehmen zu leben,<lb/>
klagt über das ungerechte Mißtrauen, mit dem man ihn betrachte u. s. w. Der<lb/>
Herzog giebt die verabredete Antwort und zählt die Gründe des Mißtrauens<lb/>
auf. Napoleon III. leugnet alle seine Pläne ab, verleugnet alle seine Agenten,<lb/>
nennt sie schlechtes Gesinde!, das auf eigne Hand wühle. Er brauche vor<lb/>
allen Dingen Frieden. Um davon zu überzeugen, daß er ihn brauche, spricht<lb/>
er nicht nur von der angeblich schwierigen Lage der französischen Finanzen,<lb/>
er macht auch die französische Armee und Flotte klein und schlecht. Er spricht<lb/>
eine sehr hohe Meinung von der österreichischen Armee aus (die sich doch im<lb/>
ganzen nicht besonders geschlagen hat), und es scheint fast, als sei sie eigentlich<lb/>
der französischen an kriegerischer Tüchtigkeit überlegen; wenigstens beteuert er,<lb/>
daß er nicht einer überlegnen Tüchtigkeit seiner Armee, sondern nur der schlechten<lb/>
Führung ausheilen der Österreicher den Sieg in Italien verdanke. Der eng¬<lb/>
lischen Flotte vollends sei die seinige durchaus nicht gewachsen. (Wenn das<lb/>
die Leute in Frankreich wüßten!) Das Gespräch mit dem Regenten wird wohl<lb/>
ungefähr desselben Inhalts gewesen sein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2155"> Übrigens gefiel sich Napoleon III. als echter Parvenü ganz außerordent¬<lb/>
lich in so guter Gesellschaft. Er fühlte sich unendlich geschmeichelt dadurch,<lb/>
daß er dazu gehörte, daß die Fürsten ihn mit ungezwungner Familiarität als<lb/>
ihresgleichen behandelten. Gegen den Herzog kam er öfter darauf zurück:<lb/>
o'ost c.lui'ins.ut,, ton8 ees Muvsmins! Er habe gar nicht gedacht, daß<lb/>
sich mit den Leuten so gut leben lasse!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2156"> Seine Aufnahme beim großen Publikum war von der Art, daß die Un¬<lb/>
möglichkeit eines neuen Rheinbundes sehr anschaulich wurde. Französische<lb/>
Agenten, irwuelmrcls, versuchen auf seinen Wegen vivs zu schreien;<lb/>
die Folge ist, daß er gründlich ausgezischt und ansgepfiffen wird, und daß<lb/>
ihn niemand grüßt. Erst als er selber den Befehl giebt, nicht Vivat zu schreien,<lb/>
ändert sich die Sache, und man grüßt, wo er erscheint.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2157"> Nach seiner Abreise treten die drei liberalen Fürsten zusammen und be¬<lb/>
raten, was nun im Innern Deutschlands geschehen müsse. Sie kommen über¬<lb/>
ein, man müsse Osterreich das Bündnis und die Hilfe Deutschlands für die<lb/>
Verteidigung Venetiens anbieten, aber unter der Bedingung, daß Österreich<lb/>
sich in seinem Innern zu zeitgemäßen Fortschritten entschließe.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2158" next="#ID_2159"> Die drei liberalen Fürsten wollten nun anch die übrigen zum Beitritt zu</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0559] Ans den Tagebüchern Theodor von Bernhardts Napoleon III. war bei seiner Ankunft überrascht und sehr verdrießlich, so zahlreiche Gesellschaft zu finden; er sah sogleich, daß sein Plan durchkreuzt und verdorben war, daß er weder den Prinzregenten bearbeiten und ihm lockende Anerbietungen machen, noch Preußen dem übrigen Deutschland gegenüber kom- promittiren und verdächtigen könne. Ganz zuerst hat er ein anderthalb Stunden langes Gespräch mit seinem alten Freunde, dein Herzog von Koburg, beteuert seine friedlichen Absichten, sein Verlangen, namentlich mit Deutschland im besten Einvernehmen zu leben, klagt über das ungerechte Mißtrauen, mit dem man ihn betrachte u. s. w. Der Herzog giebt die verabredete Antwort und zählt die Gründe des Mißtrauens auf. Napoleon III. leugnet alle seine Pläne ab, verleugnet alle seine Agenten, nennt sie schlechtes Gesinde!, das auf eigne Hand wühle. Er brauche vor allen Dingen Frieden. Um davon zu überzeugen, daß er ihn brauche, spricht er nicht nur von der angeblich schwierigen Lage der französischen Finanzen, er macht auch die französische Armee und Flotte klein und schlecht. Er spricht eine sehr hohe Meinung von der österreichischen Armee aus (die sich doch im ganzen nicht besonders geschlagen hat), und es scheint fast, als sei sie eigentlich der französischen an kriegerischer Tüchtigkeit überlegen; wenigstens beteuert er, daß er nicht einer überlegnen Tüchtigkeit seiner Armee, sondern nur der schlechten Führung ausheilen der Österreicher den Sieg in Italien verdanke. Der eng¬ lischen Flotte vollends sei die seinige durchaus nicht gewachsen. (Wenn das die Leute in Frankreich wüßten!) Das Gespräch mit dem Regenten wird wohl ungefähr desselben Inhalts gewesen sein. Übrigens gefiel sich Napoleon III. als echter Parvenü ganz außerordent¬ lich in so guter Gesellschaft. Er fühlte sich unendlich geschmeichelt dadurch, daß er dazu gehörte, daß die Fürsten ihn mit ungezwungner Familiarität als ihresgleichen behandelten. Gegen den Herzog kam er öfter darauf zurück: o'ost c.lui'ins.ut,, ton8 ees Muvsmins! Er habe gar nicht gedacht, daß sich mit den Leuten so gut leben lasse! Seine Aufnahme beim großen Publikum war von der Art, daß die Un¬ möglichkeit eines neuen Rheinbundes sehr anschaulich wurde. Französische Agenten, irwuelmrcls, versuchen auf seinen Wegen vivs zu schreien; die Folge ist, daß er gründlich ausgezischt und ansgepfiffen wird, und daß ihn niemand grüßt. Erst als er selber den Befehl giebt, nicht Vivat zu schreien, ändert sich die Sache, und man grüßt, wo er erscheint. Nach seiner Abreise treten die drei liberalen Fürsten zusammen und be¬ raten, was nun im Innern Deutschlands geschehen müsse. Sie kommen über¬ ein, man müsse Osterreich das Bündnis und die Hilfe Deutschlands für die Verteidigung Venetiens anbieten, aber unter der Bedingung, daß Österreich sich in seinem Innern zu zeitgemäßen Fortschritten entschließe. Die drei liberalen Fürsten wollten nun anch die übrigen zum Beitritt zu

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/559
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/559>, abgerufen am 23.07.2024.