Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.Land und Leute in Gstfriesland alter in manchen Kirchen holländisch gepredigt wurde. Aber mit der gewohnten Während aber solches in Aurich geschah, war Emden, das von Land und Leute in Gstfriesland alter in manchen Kirchen holländisch gepredigt wurde. Aber mit der gewohnten Während aber solches in Aurich geschah, war Emden, das von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0465" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214920"/> <fw type="header" place="top"> Land und Leute in Gstfriesland</fw><lb/> <p xml:id="ID_1810" prev="#ID_1809"> alter in manchen Kirchen holländisch gepredigt wurde. Aber mit der gewohnten<lb/> Nüchternheit seines Stammes prüfte Graf Edzard der Große von Ostfriesland<lb/> erst genau, wer in dem Streit Wittenbergs gegen Rom Recht habe, ehe er sich<lb/> auf Luthers Seite schlug. Dann aber that er es auch entschieden und über-<lb/> zeugungstreu. Darum hat er es wohl verdient, daß man in dem Pantheon<lb/> der Evangelischen, in der vor kurzem neu geweihten Schloßkirche zu Witten-<lb/> berg, auch sein Wappen angebracht hat. Über ihn und seine Regierung be¬<lb/> richtet ausführlich die „Volledige Chroniek van Oostfrieslant van den Edelen,<lb/> Welgeborenen en Gestrengen Heere Heer Eggerik Beninga." Der Verfasser<lb/> dieser Chronik stammt aus dem alten Häuptlingsgeschlecht der Altena von<lb/> Osterhuseu und Grimmersum, das infolge einer Heirat mit einer reichen Erb-<lb/> tochter den Namen Beninga angenommen hatte. Beninga lebte von 1490<lb/> bis 1562 und diente als Droht dem Grafen Edzard und seinein Sohne, dem<lb/> Grafen Enno. „Raa de Doob, sagt Harkenroth, der die Chronik 1723 nen<lb/> herausgab, van Graaf Errp is by Raad en Daad geweest by des heiss<lb/> Weduwe Gravinne Anna, en heeft altyt sig so wecken te getragen, dat by to<lb/> Hope geleben en het gemeen seer nüttelik geweest is." Beninga hat also<lb/> nnter drei Fürsten die Geschichte, die er schreibt, selbst machen helfen. Von<lb/> der Einführung der Reformation in Ostfriesland schreibt er — ich übersetze<lb/> seine Worte mit möglichster Treue ins Hochdeutsche —: „Anno 1519, die¬<lb/> weil Mcirtinus Luther gegen Papst Leo X. auf Latein angefangen hat zu<lb/> schreiben, anfangs gegen den Ablaß und die Dekretalen, und weil die Päpste<lb/> etliche hundert Jahre das reine Wort Gottes, wie es die Apostel verkündigten,<lb/> durch ihre falsche Lehre und nach ihrem eignen Gutdünken jämmerlich gedämpft<lb/> und verdunkelt hatten, hat er heftig dagegen geschrieben, wodurch mancher von<lb/> Gott erleuchtet worden und so weit gekommen ist, daß Gottes Wort an vielen<lb/> Orten durch die Vorsehung des Allmächtigen rein verkündigt und gepredigt<lb/> ward, und sobald Martinus seine Schriften in deutschem Druck ausgehen ließ,<lb/> und Graf Edzard Schrift und Gegenschrift gegen einander, auch die des<lb/> Papstes, mit Fleiß durchgesehen hatte, hat er zunächst erlaubt und zugelassen,<lb/> daß diese Schriften in seiner Grafschaft gekauft und verkauft würden, und so<lb/> ist der im ganzen Reiche als ein verständiger Mann geachtete Graf Edzard<lb/> von Tag zu Tag von dem Allmächtigen erleuchtet worden und hat durch<lb/> einen Prediger Heinrich Vrun das reine unverfälschte Wort Gottes zu Aurich<lb/> in der Stadt verkündigen lassen, welcher Prediger sich erboten, gegen jeder¬<lb/> mann seine Predigt aus göttlicher Schrift zu verteidigen und mit seinem Halse<lb/> zu beweisen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1811" next="#ID_1812"> Während aber solches in Aurich geschah, war Emden, das von<lb/> jeher wenig nach dem „Negierhause" Cirksena gefragt hatte, schon auf eigne<lb/> Faust vorgegangen und hatte der neuen Lehre dieselbe Freiheit der Verkün¬<lb/> digung gewährt wie der alten. Der Erfolg war, daß Emden bald weit und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0465]
Land und Leute in Gstfriesland
alter in manchen Kirchen holländisch gepredigt wurde. Aber mit der gewohnten
Nüchternheit seines Stammes prüfte Graf Edzard der Große von Ostfriesland
erst genau, wer in dem Streit Wittenbergs gegen Rom Recht habe, ehe er sich
auf Luthers Seite schlug. Dann aber that er es auch entschieden und über-
zeugungstreu. Darum hat er es wohl verdient, daß man in dem Pantheon
der Evangelischen, in der vor kurzem neu geweihten Schloßkirche zu Witten-
berg, auch sein Wappen angebracht hat. Über ihn und seine Regierung be¬
richtet ausführlich die „Volledige Chroniek van Oostfrieslant van den Edelen,
Welgeborenen en Gestrengen Heere Heer Eggerik Beninga." Der Verfasser
dieser Chronik stammt aus dem alten Häuptlingsgeschlecht der Altena von
Osterhuseu und Grimmersum, das infolge einer Heirat mit einer reichen Erb-
tochter den Namen Beninga angenommen hatte. Beninga lebte von 1490
bis 1562 und diente als Droht dem Grafen Edzard und seinein Sohne, dem
Grafen Enno. „Raa de Doob, sagt Harkenroth, der die Chronik 1723 nen
herausgab, van Graaf Errp is by Raad en Daad geweest by des heiss
Weduwe Gravinne Anna, en heeft altyt sig so wecken te getragen, dat by to
Hope geleben en het gemeen seer nüttelik geweest is." Beninga hat also
nnter drei Fürsten die Geschichte, die er schreibt, selbst machen helfen. Von
der Einführung der Reformation in Ostfriesland schreibt er — ich übersetze
seine Worte mit möglichster Treue ins Hochdeutsche —: „Anno 1519, die¬
weil Mcirtinus Luther gegen Papst Leo X. auf Latein angefangen hat zu
schreiben, anfangs gegen den Ablaß und die Dekretalen, und weil die Päpste
etliche hundert Jahre das reine Wort Gottes, wie es die Apostel verkündigten,
durch ihre falsche Lehre und nach ihrem eignen Gutdünken jämmerlich gedämpft
und verdunkelt hatten, hat er heftig dagegen geschrieben, wodurch mancher von
Gott erleuchtet worden und so weit gekommen ist, daß Gottes Wort an vielen
Orten durch die Vorsehung des Allmächtigen rein verkündigt und gepredigt
ward, und sobald Martinus seine Schriften in deutschem Druck ausgehen ließ,
und Graf Edzard Schrift und Gegenschrift gegen einander, auch die des
Papstes, mit Fleiß durchgesehen hatte, hat er zunächst erlaubt und zugelassen,
daß diese Schriften in seiner Grafschaft gekauft und verkauft würden, und so
ist der im ganzen Reiche als ein verständiger Mann geachtete Graf Edzard
von Tag zu Tag von dem Allmächtigen erleuchtet worden und hat durch
einen Prediger Heinrich Vrun das reine unverfälschte Wort Gottes zu Aurich
in der Stadt verkündigen lassen, welcher Prediger sich erboten, gegen jeder¬
mann seine Predigt aus göttlicher Schrift zu verteidigen und mit seinem Halse
zu beweisen."
Während aber solches in Aurich geschah, war Emden, das von
jeher wenig nach dem „Negierhause" Cirksena gefragt hatte, schon auf eigne
Faust vorgegangen und hatte der neuen Lehre dieselbe Freiheit der Verkün¬
digung gewährt wie der alten. Der Erfolg war, daß Emden bald weit und
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |