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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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?le Bornstcidter wurstakteii

Der Amtsrichter eröffnet ihr, daß er sie bei weiterer Störung unerbittlich
entfernen lassen werde.

Karl Pieper sagt kleinlaut: Herr Bläulich hat mich wegen der Wurst
weggejagt, und in Berlin ist es ebenso gekommen, als ich nach der Polizei
mußte. Ich hatte Angst, daß ich in Meechvw auch wieder ans der Arbeit
käme, wenn ich zum Termin ginge.

Die Eutweudnug der Wurst räumen Sie ein?

Ja.

Sie haben sie gleich aufgegessen?

Ja, bis auf ein Bischen.

Der Schnurrbart des Amtsanwalts sieht schon nicht mehr so grimmig
ans; der Amtsrichter fragt milder: Den Weindicbstahl leugnen Sie, weil er
nicht bewiese,? werden kann?

Nein, sagt Karl Pieper feuerrot, weil ichs nicht gewesen bin.

Der Richter nickt befriedigt: Der Junge lügt nicht. Er wendet sich an
den Amtsanwalt: Ein Zeugenverhör ist hiernach unnötig, ich bitte um Ihren
Strafantrag.

Da erhebt sich Lehrer Nehwald und bittet ums Wort. Herr Amtsrichter,
ich bitte doch, das Stubenmädchen Marie Bicrmann abzuhören, damit kein
Verdacht ans meinem Schüler haften bleibt. Das Mädchen kann über den
Weindiebstahl Auskunft geben.

Allgemeines Erstaunen; Herr Klapper sperrt das Muri auf, der Amts¬
richter blättert nervös in den Akten. Wie? Seit anderthalb Jahren
arbeitet der geschulte Behördenapparat erfolglos, um den Dieb zu ermitteln,
und nnn bringt es ein Laie in wenigen Stunden heraus? Er fragt die
Zeugin.

Bald nach dein Diebstahl, erzählt sie, zog ich zu Herrn Klapper. Eines
Morgens, als ich die Kammer des Kellners ausfegte, rollte ein Knopf unter
den alten Kleiderspind. Ich bückte mich und sah verschiedne Weinflaschen
darunter versteckt. Sie werden wohl noch dn liegen. Ich bin nach wenigen
Wochen weggezogen, weil der Dienst beim Schenkwirt mir nicht gefiel, und
habe zu niemandem über den Fund gesprochen, als heute früh zu meinem
Lehrer.

Herr Amtsrichter, erklärt Rehwald, ich wußte, daß die Marie bei Klapper
gedient hatte und suchte sie deshalb bei ihrer jetzigen Herrschaft auf. Es war
eine schwache Hoffnung, und ich glaubte nicht, daß ich so viel Glück haben
würde.

Der Amtsrichter blättert immer noch mißmutig in den Wurstpapieren.
Herr Rehwald, Sie haben allerdings Glück gehabt. Herr Klapper, wie kamen
Sie denn auf die Vermutung, daß der Wein vom Fenster aus mit einer
Schlinge entwendet worden sei?


?le Bornstcidter wurstakteii

Der Amtsrichter eröffnet ihr, daß er sie bei weiterer Störung unerbittlich
entfernen lassen werde.

Karl Pieper sagt kleinlaut: Herr Bläulich hat mich wegen der Wurst
weggejagt, und in Berlin ist es ebenso gekommen, als ich nach der Polizei
mußte. Ich hatte Angst, daß ich in Meechvw auch wieder ans der Arbeit
käme, wenn ich zum Termin ginge.

Die Eutweudnug der Wurst räumen Sie ein?

Ja.

Sie haben sie gleich aufgegessen?

Ja, bis auf ein Bischen.

Der Schnurrbart des Amtsanwalts sieht schon nicht mehr so grimmig
ans; der Amtsrichter fragt milder: Den Weindicbstahl leugnen Sie, weil er
nicht bewiese,? werden kann?

Nein, sagt Karl Pieper feuerrot, weil ichs nicht gewesen bin.

Der Richter nickt befriedigt: Der Junge lügt nicht. Er wendet sich an
den Amtsanwalt: Ein Zeugenverhör ist hiernach unnötig, ich bitte um Ihren
Strafantrag.

Da erhebt sich Lehrer Nehwald und bittet ums Wort. Herr Amtsrichter,
ich bitte doch, das Stubenmädchen Marie Bicrmann abzuhören, damit kein
Verdacht ans meinem Schüler haften bleibt. Das Mädchen kann über den
Weindiebstahl Auskunft geben.

Allgemeines Erstaunen; Herr Klapper sperrt das Muri auf, der Amts¬
richter blättert nervös in den Akten. Wie? Seit anderthalb Jahren
arbeitet der geschulte Behördenapparat erfolglos, um den Dieb zu ermitteln,
und nnn bringt es ein Laie in wenigen Stunden heraus? Er fragt die
Zeugin.

Bald nach dein Diebstahl, erzählt sie, zog ich zu Herrn Klapper. Eines
Morgens, als ich die Kammer des Kellners ausfegte, rollte ein Knopf unter
den alten Kleiderspind. Ich bückte mich und sah verschiedne Weinflaschen
darunter versteckt. Sie werden wohl noch dn liegen. Ich bin nach wenigen
Wochen weggezogen, weil der Dienst beim Schenkwirt mir nicht gefiel, und
habe zu niemandem über den Fund gesprochen, als heute früh zu meinem
Lehrer.

Herr Amtsrichter, erklärt Rehwald, ich wußte, daß die Marie bei Klapper
gedient hatte und suchte sie deshalb bei ihrer jetzigen Herrschaft auf. Es war
eine schwache Hoffnung, und ich glaubte nicht, daß ich so viel Glück haben
würde.

Der Amtsrichter blättert immer noch mißmutig in den Wurstpapieren.
Herr Rehwald, Sie haben allerdings Glück gehabt. Herr Klapper, wie kamen
Sie denn auf die Vermutung, daß der Wein vom Fenster aus mit einer
Schlinge entwendet worden sei?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/432>, abgerufen am 23.07.2024.