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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Bilder aus dem Richter

wenn Trichinen, Finnen, Strahlenpilz und ähnliches von vornherein gänzlich
aus der Nahrung verbannt werden sollten.

Und ich sah sie im Traume alle der Reihe nach ihre Hände waschen in
dem großen Kübel, an dem geschrieben stand: Ignorantia. Da stand der
Börsenfürst mit dem Sparbüchsenmunde, und der Konsul und der Neger
mit dem Beil und der Neger mit der Kette warfen haufenweise in den großen
Molochsrachen die Gold- und Silberdollars, die sie durch die Verwüstung
ringsum erbeutet hatten. Denn ringsumher sah es wie ein blutiges Schlacht¬
feld aus: geopferte Menschen und Tiere lagen herum, so weit das Auge blicken
konnte. Sie waren der wilden Geldjagd, der Unnatur und den Seuchen zum
Opfer gefallen, und der Neger mit dem Beil troff von Schweiß und wischte
die blutige Schneide ab und steckte das Beil in die rote Flüssigkeit iii dein
Bottich der Unschuld, und dort wusch der Kellermann seine Hände und der
Konsul, alle mit triumphirendem Lächeln um sich blickend und sich des Gewinnes
freuend, den sie dem Moloch dnrch ihre blutige Arbeit in den Rachen schoben.
Auf dem Beil aber standen die Worte: Geld ist Macht.

Da siel ein Lichtstrahl mitten hinein in diese schauerliche Runde, es war
mein Sonnenstrahl, der mich hente überallhin verfolgt hatte. Es war wie
eine schöne Lichtgestnlt, ein Genius in Hellem Gewände und mit einem Banner,
darauf standen die Worte: Wissen ist Macht. Und wohin sein Banner wehte,
da erhoben sich die Leiber der Erschlagnen zu neuem Leben und stürzten den
Molochsaltar, den Bottich der Unschuld um, und alles gerettete blickte
dankbar zu dem Genius mit dem Banner empor. Auf die Frage, wie er sich
nenne, antwortete er: Ich bin die -- Das letzte Wort konnte ich nicht ver¬
stehen, und während ich noch darüber grübelte, wachte ich ans und dachte Weiler
darüber nach; es konnte nichts andres heißen als: die Welthygiene. Dann
machte ich mich auf zur Fortsetzung meiner Besichtigung des Weltfleisch-
marktes.

Das zweite^ Tagewerk war nicht minder anstrengend als das erste. Alles,
was ich noch zu besichtigen hatte, erwies sich als ebenso großartig in der
Anlage, wie in der Erfindung und in der praktischen Allsführung. Zunächst
sah ich die großen Gefrierränme. Sie erstrecken sich über 7^ Aeres Landes
und können gegen 500 Tonnen in 24 Stunden aufnehmen. !)445 Güter¬
wagen mit Fleisch, darunter 400 Eiswagen, sind jährlich unterwegs.
Die Kühlvorrichtiuigen dienen einerseits dazu, das frisch geschlachtete Fleisch
abzukühlen, andrerseits Wildpret, Geflügel u. s. w. nach Belieben in ge-
frornem Zustande aufzubewahren, wie auch Pökelfleisch und frisches Ochsen-
und Hammelfleisch für den Hotelgebrauch und für den Bedarf auf den
großen Dampfern gefroren zu erhalten. Bei meiner Nachfrage wegen der Ab¬
kühlung des frisch geschlachteten Schweinefleisches, das nach meiner Beobach-
tung noch im Wurstkcsfel Körpertemperatur haben müsse, wurde mir versichert.


Bilder aus dem Richter

wenn Trichinen, Finnen, Strahlenpilz und ähnliches von vornherein gänzlich
aus der Nahrung verbannt werden sollten.

Und ich sah sie im Traume alle der Reihe nach ihre Hände waschen in
dem großen Kübel, an dem geschrieben stand: Ignorantia. Da stand der
Börsenfürst mit dem Sparbüchsenmunde, und der Konsul und der Neger
mit dem Beil und der Neger mit der Kette warfen haufenweise in den großen
Molochsrachen die Gold- und Silberdollars, die sie durch die Verwüstung
ringsum erbeutet hatten. Denn ringsumher sah es wie ein blutiges Schlacht¬
feld aus: geopferte Menschen und Tiere lagen herum, so weit das Auge blicken
konnte. Sie waren der wilden Geldjagd, der Unnatur und den Seuchen zum
Opfer gefallen, und der Neger mit dem Beil troff von Schweiß und wischte
die blutige Schneide ab und steckte das Beil in die rote Flüssigkeit iii dein
Bottich der Unschuld, und dort wusch der Kellermann seine Hände und der
Konsul, alle mit triumphirendem Lächeln um sich blickend und sich des Gewinnes
freuend, den sie dem Moloch dnrch ihre blutige Arbeit in den Rachen schoben.
Auf dem Beil aber standen die Worte: Geld ist Macht.

Da siel ein Lichtstrahl mitten hinein in diese schauerliche Runde, es war
mein Sonnenstrahl, der mich hente überallhin verfolgt hatte. Es war wie
eine schöne Lichtgestnlt, ein Genius in Hellem Gewände und mit einem Banner,
darauf standen die Worte: Wissen ist Macht. Und wohin sein Banner wehte,
da erhoben sich die Leiber der Erschlagnen zu neuem Leben und stürzten den
Molochsaltar, den Bottich der Unschuld um, und alles gerettete blickte
dankbar zu dem Genius mit dem Banner empor. Auf die Frage, wie er sich
nenne, antwortete er: Ich bin die — Das letzte Wort konnte ich nicht ver¬
stehen, und während ich noch darüber grübelte, wachte ich ans und dachte Weiler
darüber nach; es konnte nichts andres heißen als: die Welthygiene. Dann
machte ich mich auf zur Fortsetzung meiner Besichtigung des Weltfleisch-
marktes.

Das zweite^ Tagewerk war nicht minder anstrengend als das erste. Alles,
was ich noch zu besichtigen hatte, erwies sich als ebenso großartig in der
Anlage, wie in der Erfindung und in der praktischen Allsführung. Zunächst
sah ich die großen Gefrierränme. Sie erstrecken sich über 7^ Aeres Landes
und können gegen 500 Tonnen in 24 Stunden aufnehmen. !)445 Güter¬
wagen mit Fleisch, darunter 400 Eiswagen, sind jährlich unterwegs.
Die Kühlvorrichtiuigen dienen einerseits dazu, das frisch geschlachtete Fleisch
abzukühlen, andrerseits Wildpret, Geflügel u. s. w. nach Belieben in ge-
frornem Zustande aufzubewahren, wie auch Pökelfleisch und frisches Ochsen-
und Hammelfleisch für den Hotelgebrauch und für den Bedarf auf den
großen Dampfern gefroren zu erhalten. Bei meiner Nachfrage wegen der Ab¬
kühlung des frisch geschlachteten Schweinefleisches, das nach meiner Beobach-
tung noch im Wurstkcsfel Körpertemperatur haben müsse, wurde mir versichert.


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[0421] Bilder aus dem Richter wenn Trichinen, Finnen, Strahlenpilz und ähnliches von vornherein gänzlich aus der Nahrung verbannt werden sollten. Und ich sah sie im Traume alle der Reihe nach ihre Hände waschen in dem großen Kübel, an dem geschrieben stand: Ignorantia. Da stand der Börsenfürst mit dem Sparbüchsenmunde, und der Konsul und der Neger mit dem Beil und der Neger mit der Kette warfen haufenweise in den großen Molochsrachen die Gold- und Silberdollars, die sie durch die Verwüstung ringsum erbeutet hatten. Denn ringsumher sah es wie ein blutiges Schlacht¬ feld aus: geopferte Menschen und Tiere lagen herum, so weit das Auge blicken konnte. Sie waren der wilden Geldjagd, der Unnatur und den Seuchen zum Opfer gefallen, und der Neger mit dem Beil troff von Schweiß und wischte die blutige Schneide ab und steckte das Beil in die rote Flüssigkeit iii dein Bottich der Unschuld, und dort wusch der Kellermann seine Hände und der Konsul, alle mit triumphirendem Lächeln um sich blickend und sich des Gewinnes freuend, den sie dem Moloch dnrch ihre blutige Arbeit in den Rachen schoben. Auf dem Beil aber standen die Worte: Geld ist Macht. Da siel ein Lichtstrahl mitten hinein in diese schauerliche Runde, es war mein Sonnenstrahl, der mich hente überallhin verfolgt hatte. Es war wie eine schöne Lichtgestnlt, ein Genius in Hellem Gewände und mit einem Banner, darauf standen die Worte: Wissen ist Macht. Und wohin sein Banner wehte, da erhoben sich die Leiber der Erschlagnen zu neuem Leben und stürzten den Molochsaltar, den Bottich der Unschuld um, und alles gerettete blickte dankbar zu dem Genius mit dem Banner empor. Auf die Frage, wie er sich nenne, antwortete er: Ich bin die — Das letzte Wort konnte ich nicht ver¬ stehen, und während ich noch darüber grübelte, wachte ich ans und dachte Weiler darüber nach; es konnte nichts andres heißen als: die Welthygiene. Dann machte ich mich auf zur Fortsetzung meiner Besichtigung des Weltfleisch- marktes. Das zweite^ Tagewerk war nicht minder anstrengend als das erste. Alles, was ich noch zu besichtigen hatte, erwies sich als ebenso großartig in der Anlage, wie in der Erfindung und in der praktischen Allsführung. Zunächst sah ich die großen Gefrierränme. Sie erstrecken sich über 7^ Aeres Landes und können gegen 500 Tonnen in 24 Stunden aufnehmen. !)445 Güter¬ wagen mit Fleisch, darunter 400 Eiswagen, sind jährlich unterwegs. Die Kühlvorrichtiuigen dienen einerseits dazu, das frisch geschlachtete Fleisch abzukühlen, andrerseits Wildpret, Geflügel u. s. w. nach Belieben in ge- frornem Zustande aufzubewahren, wie auch Pökelfleisch und frisches Ochsen- und Hammelfleisch für den Hotelgebrauch und für den Bedarf auf den großen Dampfern gefroren zu erhalten. Bei meiner Nachfrage wegen der Ab¬ kühlung des frisch geschlachteten Schweinefleisches, das nach meiner Beobach- tung noch im Wurstkcsfel Körpertemperatur haben müsse, wurde mir versichert.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/421>, abgerufen am 24.07.2024.