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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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einen zweiten; wo dann das Tier rito, wie sichs für Deutschland gehört, ge¬
schlachtet wurde, wobei sechsunddreißig Fleischprvben auf Trichinen gemacht
wurden, und zwar so, daß jeder der sechs Fleischprobenbriuger sie an die Direktion
ablieferte und diese sie so an die am Fenster sitzende" Mikroskopiker verteilte,
das; keiner wissen konnte, von welchem Schwein die Proben waren, die er
untersuchte.

Nachdem ich die riesigen Massen bewundert hatte, die vou Armours
täglich zu Markte gebracht werden, war ich nun doch neugierig, wie es hier
mit der ärztlichen Untersuchung des Fleisches stünde. Ich beschloß, mir
darüber bestimmte Aufklärung zu verschaffen. Ehe ich jedoch mit Herrn
Armour darüber verhandeln konnte, mußte ich alle die mit den Schlachthäusern
verbundnen Fabriken in Augenschein nehmen (die voriges Jahr achtzehn
Millionen Pfund Speck, 2,3 Millionen Pfund Fettöl, 5,7 Millionen Pfund
Wurst, 12,2 Millionen Pfund Büchsenfleisch, 80,3 Millionen Pfund Pökel¬
fleisch. 34,6 Millionen Pfund Rauchfleisch, 2,2 Millionen Pfund künstliche
Butter, 5,2 Millionen Pfund Guano und 6,4 Millionen Pfund Blechbüchsen
fabrizirten und auf den Weltmarkt brachten).

Ich bewunderte die Ausdauer des Herrn von Nahten, der so tapfer alle
die schlüpfrigen Treppen mit uns auf und ab stieg, als wir aus den Pökel¬
kammern in die Räucherkammern und wieder von da in die Gefrierräume
klommen. Ohne die vielen Fahrstühle, die uns mitunter mühelos und ge¬
räuschlos hinauf- und hinabbeförderten, wäre es Wohl nicht möglich gewesen.
Jeder Tritt war schwierig, denn in den Büchsensleischfabriken, in der Pepfin-
fabrik, in der Butterfabrik, überall glitt man aus, hier auf verkrümelten
Fleischresten, dort auf Fettklümpchen. Zwar wurde vor uns fortwährend
von Angestellten mit großen breiten Scheuer- und Gummibürstcn der Cement-
fußbodeu und der Holzfußboden gereinigt und vom geringfügigsten Unrat ge¬
säubert, aber man gewöhnt sich trotzdem bei der stundenlangen Besich¬
tigung eine Art von Matrosenschritt an. Als ich Herrn von Rasten, der
doch nicht das Interesse an der Sache haben konnte wie der Arzt und
Hygieniker, meine Bewunderung über seinen Eifer aussprach, teilte er mir
mit, daß er zwischen der mexikanischen Regierung und der der Vereinigten
Staaten wegen Schweinetransport nach Mexiko unterhandle, wo diese Tiere
fast ungenießbar, mager und voll Finnen wären, was ich aus eigner lang¬
jähriger Erfahrung bestätigen konnte.

Das Geldgeschäft, sagte er, das damit verbunden ist, wäre nicht gering,
nur muß man gehörig über alles, was damit zusammenhängt, unterrichtet sein,
darum sind diese Stunden der Belehrung, die ich hier zubringe, für mich von
größter Wichtigkeit!

1^6 <zinc1 rssxubliog. "Istrimsnti viiMt.? fragte ich.

Mit Finnen und Trichinen? entgegnete er, ja Doktor, das ist noch ein


Bilder aus dem Weste»

einen zweiten; wo dann das Tier rito, wie sichs für Deutschland gehört, ge¬
schlachtet wurde, wobei sechsunddreißig Fleischprvben auf Trichinen gemacht
wurden, und zwar so, daß jeder der sechs Fleischprobenbriuger sie an die Direktion
ablieferte und diese sie so an die am Fenster sitzende« Mikroskopiker verteilte,
das; keiner wissen konnte, von welchem Schwein die Proben waren, die er
untersuchte.

Nachdem ich die riesigen Massen bewundert hatte, die vou Armours
täglich zu Markte gebracht werden, war ich nun doch neugierig, wie es hier
mit der ärztlichen Untersuchung des Fleisches stünde. Ich beschloß, mir
darüber bestimmte Aufklärung zu verschaffen. Ehe ich jedoch mit Herrn
Armour darüber verhandeln konnte, mußte ich alle die mit den Schlachthäusern
verbundnen Fabriken in Augenschein nehmen (die voriges Jahr achtzehn
Millionen Pfund Speck, 2,3 Millionen Pfund Fettöl, 5,7 Millionen Pfund
Wurst, 12,2 Millionen Pfund Büchsenfleisch, 80,3 Millionen Pfund Pökel¬
fleisch. 34,6 Millionen Pfund Rauchfleisch, 2,2 Millionen Pfund künstliche
Butter, 5,2 Millionen Pfund Guano und 6,4 Millionen Pfund Blechbüchsen
fabrizirten und auf den Weltmarkt brachten).

Ich bewunderte die Ausdauer des Herrn von Nahten, der so tapfer alle
die schlüpfrigen Treppen mit uns auf und ab stieg, als wir aus den Pökel¬
kammern in die Räucherkammern und wieder von da in die Gefrierräume
klommen. Ohne die vielen Fahrstühle, die uns mitunter mühelos und ge¬
räuschlos hinauf- und hinabbeförderten, wäre es Wohl nicht möglich gewesen.
Jeder Tritt war schwierig, denn in den Büchsensleischfabriken, in der Pepfin-
fabrik, in der Butterfabrik, überall glitt man aus, hier auf verkrümelten
Fleischresten, dort auf Fettklümpchen. Zwar wurde vor uns fortwährend
von Angestellten mit großen breiten Scheuer- und Gummibürstcn der Cement-
fußbodeu und der Holzfußboden gereinigt und vom geringfügigsten Unrat ge¬
säubert, aber man gewöhnt sich trotzdem bei der stundenlangen Besich¬
tigung eine Art von Matrosenschritt an. Als ich Herrn von Rasten, der
doch nicht das Interesse an der Sache haben konnte wie der Arzt und
Hygieniker, meine Bewunderung über seinen Eifer aussprach, teilte er mir
mit, daß er zwischen der mexikanischen Regierung und der der Vereinigten
Staaten wegen Schweinetransport nach Mexiko unterhandle, wo diese Tiere
fast ungenießbar, mager und voll Finnen wären, was ich aus eigner lang¬
jähriger Erfahrung bestätigen konnte.

Das Geldgeschäft, sagte er, das damit verbunden ist, wäre nicht gering,
nur muß man gehörig über alles, was damit zusammenhängt, unterrichtet sein,
darum sind diese Stunden der Belehrung, die ich hier zubringe, für mich von
größter Wichtigkeit!

1^6 <zinc1 rssxubliog. «Istrimsnti viiMt.? fragte ich.

Mit Finnen und Trichinen? entgegnete er, ja Doktor, das ist noch ein


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[0419] Bilder aus dem Weste» einen zweiten; wo dann das Tier rito, wie sichs für Deutschland gehört, ge¬ schlachtet wurde, wobei sechsunddreißig Fleischprvben auf Trichinen gemacht wurden, und zwar so, daß jeder der sechs Fleischprobenbriuger sie an die Direktion ablieferte und diese sie so an die am Fenster sitzende« Mikroskopiker verteilte, das; keiner wissen konnte, von welchem Schwein die Proben waren, die er untersuchte. Nachdem ich die riesigen Massen bewundert hatte, die vou Armours täglich zu Markte gebracht werden, war ich nun doch neugierig, wie es hier mit der ärztlichen Untersuchung des Fleisches stünde. Ich beschloß, mir darüber bestimmte Aufklärung zu verschaffen. Ehe ich jedoch mit Herrn Armour darüber verhandeln konnte, mußte ich alle die mit den Schlachthäusern verbundnen Fabriken in Augenschein nehmen (die voriges Jahr achtzehn Millionen Pfund Speck, 2,3 Millionen Pfund Fettöl, 5,7 Millionen Pfund Wurst, 12,2 Millionen Pfund Büchsenfleisch, 80,3 Millionen Pfund Pökel¬ fleisch. 34,6 Millionen Pfund Rauchfleisch, 2,2 Millionen Pfund künstliche Butter, 5,2 Millionen Pfund Guano und 6,4 Millionen Pfund Blechbüchsen fabrizirten und auf den Weltmarkt brachten). Ich bewunderte die Ausdauer des Herrn von Nahten, der so tapfer alle die schlüpfrigen Treppen mit uns auf und ab stieg, als wir aus den Pökel¬ kammern in die Räucherkammern und wieder von da in die Gefrierräume klommen. Ohne die vielen Fahrstühle, die uns mitunter mühelos und ge¬ räuschlos hinauf- und hinabbeförderten, wäre es Wohl nicht möglich gewesen. Jeder Tritt war schwierig, denn in den Büchsensleischfabriken, in der Pepfin- fabrik, in der Butterfabrik, überall glitt man aus, hier auf verkrümelten Fleischresten, dort auf Fettklümpchen. Zwar wurde vor uns fortwährend von Angestellten mit großen breiten Scheuer- und Gummibürstcn der Cement- fußbodeu und der Holzfußboden gereinigt und vom geringfügigsten Unrat ge¬ säubert, aber man gewöhnt sich trotzdem bei der stundenlangen Besich¬ tigung eine Art von Matrosenschritt an. Als ich Herrn von Rasten, der doch nicht das Interesse an der Sache haben konnte wie der Arzt und Hygieniker, meine Bewunderung über seinen Eifer aussprach, teilte er mir mit, daß er zwischen der mexikanischen Regierung und der der Vereinigten Staaten wegen Schweinetransport nach Mexiko unterhandle, wo diese Tiere fast ungenießbar, mager und voll Finnen wären, was ich aus eigner lang¬ jähriger Erfahrung bestätigen konnte. Das Geldgeschäft, sagte er, das damit verbunden ist, wäre nicht gering, nur muß man gehörig über alles, was damit zusammenhängt, unterrichtet sein, darum sind diese Stunden der Belehrung, die ich hier zubringe, für mich von größter Wichtigkeit! 1^6 <zinc1 rssxubliog. «Istrimsnti viiMt.? fragte ich. Mit Finnen und Trichinen? entgegnete er, ja Doktor, das ist noch ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/419>, abgerufen am 24.07.2024.