Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.Nie Lannlie Humboldt sie nicht mitspeisen kann, ein schöner Hase entgeht, den er für sie aufgehoben Unwiderstehlich komisch ist die Geschichte von Humboldts Pvrträtiruug Ihr richtiges Urteil und ihre gesunde Menschenkenntnis bewahrt sich Frau von Bülow überlebte ihren Gemahl, der den Anstrengungen seines Nie Lannlie Humboldt sie nicht mitspeisen kann, ein schöner Hase entgeht, den er für sie aufgehoben Unwiderstehlich komisch ist die Geschichte von Humboldts Pvrträtiruug Ihr richtiges Urteil und ihre gesunde Menschenkenntnis bewahrt sich Frau von Bülow überlebte ihren Gemahl, der den Anstrengungen seines <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0412" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214867"/> <fw type="header" place="top"> Nie Lannlie Humboldt</fw><lb/> <p xml:id="ID_1608" prev="#ID_1607"> sie nicht mitspeisen kann, ein schöner Hase entgeht, den er für sie aufgehoben<lb/> hatte, der alle Morgen „den Küchenzettel feierlich in der dritten Position<lb/> mit einer tadellosen Verbeugung übergiebt" und außerhalb des Hauses zu<lb/> Fuß, zu Pferde oder im Kabriolet stets im elegantesten Anzug zu scheu ist.<lb/> Schließlich „schwang er sich zum Opernsänger auf, und Bülows hatten einige<lb/> Jahre später die Überraschung, ihn mit vielem Erfolg auftreten zu sehen und<lb/> von der Bühne her eine besondre Verbeugung zu erhalten, die an Feierlichkeit<lb/> der ehemalige» bei Überreichung des Küchenzettels nicht nachstand."</p><lb/> <p xml:id="ID_1609"> Unwiderstehlich komisch ist die Geschichte von Humboldts Pvrträtiruug<lb/> durch Sir Thomas Lawrence. Er hatte den Kopf so weit vollendet, als er<lb/> überhaupt seine Bilder zu vollenden pflegte. Nun befand sich aber der Kopf<lb/> auf einem Körper, der unendlich viel größer war als Humboldt, und „Bülow<lb/> will dnriu das Bild Lord Liverpools erkennen, behauptet wenigstens, ein<lb/> Porträt von diesem in solchem braunen Rock zu kennen, und es ist sehr zu<lb/> glauben, daß dies eine Kopie werden sollte, die man nachher vom Porträt des<lb/> abgesetzten Ministers nicht mehr hat machen wollen. Daß hier nnn zwei<lb/> totige Minister über einander Hausen müssen, ist komisch."</p><lb/> <p xml:id="ID_1610"> Ihr richtiges Urteil und ihre gesunde Menschenkenntnis bewahrt sich<lb/> Gabriele überall. Talleyrand ist ihr „eine widerwärtige Figur, die einen<lb/> jedesmal von neuem wieder verwundert und mir sozusagen eine Art von<lb/> Übelkeit erregt." Man sieht ihn nach diesen wenigen Worten ordentlich herein-<lb/> treten, wie er, um die Schilderung eines andern Beobachters hinzuzufügen,<lb/> „seinen unförmlichen, seitwärts etwas verschobnen Oberkörper auf zwei lahmen<lb/> Füßen in den Salon schleppt. In seinem zusammengeschrumpften, erdfarbnen<lb/> Gesichte lagen zwei kleine, nichtssagende Augen. Überaus ekelhaft zeigte sich<lb/> der zahnlose, breitgeschlitzte Mund. Beim Diner legte er seinem rasenden Ap¬<lb/> petit durchaus keinen Zwang an und verschlang, was ihm vorkam. Er griff<lb/> mit der Hand in die Schüssel und drehte eine eingemachte Pflaume in der<lb/> Sauce herum, ehe er sie mit den dürren Fingern in den Mund beförderte.<lb/> In den kurzen Pausen zwischen den Gerichten trug er die erklärteste Lange¬<lb/> weile zur Schau; er sprach fast kein Wort, gähnte aber mehrmals mit einer<lb/> Art von Geblök."</p><lb/> <p xml:id="ID_1611" next="#ID_1612"> Frau von Bülow überlebte ihren Gemahl, der den Anstrengungen seines<lb/> Gesaudtcuposteus und des später von ihm verwalteten Ministeriums der aus¬<lb/> wärtigen Angelegenheiten nicht gewachsen war und im Jahre 1846 starb, so¬<lb/> wie ihre sämtlichen Geschwister; sie hatte den Schmerz, die Bibliothek ihres<lb/> Onkels Alexander und alles ihm sonst gehörige an den Kammerdiener Seysfert<lb/> fallen und die Freude, die Denkmäler der Brüder vor der Universität ent-<lb/> hüllen zu sehen. Von dem Inhalte des Buches ihres Lebens - deun als<lb/> solches kann man das vorliegende bezeichnen — haben wir hier nur eine<lb/> schwache Vorstellung geben können. In ihrer Jugend erlebte sie es, daß für</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0412]
Nie Lannlie Humboldt
sie nicht mitspeisen kann, ein schöner Hase entgeht, den er für sie aufgehoben
hatte, der alle Morgen „den Küchenzettel feierlich in der dritten Position
mit einer tadellosen Verbeugung übergiebt" und außerhalb des Hauses zu
Fuß, zu Pferde oder im Kabriolet stets im elegantesten Anzug zu scheu ist.
Schließlich „schwang er sich zum Opernsänger auf, und Bülows hatten einige
Jahre später die Überraschung, ihn mit vielem Erfolg auftreten zu sehen und
von der Bühne her eine besondre Verbeugung zu erhalten, die an Feierlichkeit
der ehemalige» bei Überreichung des Küchenzettels nicht nachstand."
Unwiderstehlich komisch ist die Geschichte von Humboldts Pvrträtiruug
durch Sir Thomas Lawrence. Er hatte den Kopf so weit vollendet, als er
überhaupt seine Bilder zu vollenden pflegte. Nun befand sich aber der Kopf
auf einem Körper, der unendlich viel größer war als Humboldt, und „Bülow
will dnriu das Bild Lord Liverpools erkennen, behauptet wenigstens, ein
Porträt von diesem in solchem braunen Rock zu kennen, und es ist sehr zu
glauben, daß dies eine Kopie werden sollte, die man nachher vom Porträt des
abgesetzten Ministers nicht mehr hat machen wollen. Daß hier nnn zwei
totige Minister über einander Hausen müssen, ist komisch."
Ihr richtiges Urteil und ihre gesunde Menschenkenntnis bewahrt sich
Gabriele überall. Talleyrand ist ihr „eine widerwärtige Figur, die einen
jedesmal von neuem wieder verwundert und mir sozusagen eine Art von
Übelkeit erregt." Man sieht ihn nach diesen wenigen Worten ordentlich herein-
treten, wie er, um die Schilderung eines andern Beobachters hinzuzufügen,
„seinen unförmlichen, seitwärts etwas verschobnen Oberkörper auf zwei lahmen
Füßen in den Salon schleppt. In seinem zusammengeschrumpften, erdfarbnen
Gesichte lagen zwei kleine, nichtssagende Augen. Überaus ekelhaft zeigte sich
der zahnlose, breitgeschlitzte Mund. Beim Diner legte er seinem rasenden Ap¬
petit durchaus keinen Zwang an und verschlang, was ihm vorkam. Er griff
mit der Hand in die Schüssel und drehte eine eingemachte Pflaume in der
Sauce herum, ehe er sie mit den dürren Fingern in den Mund beförderte.
In den kurzen Pausen zwischen den Gerichten trug er die erklärteste Lange¬
weile zur Schau; er sprach fast kein Wort, gähnte aber mehrmals mit einer
Art von Geblök."
Frau von Bülow überlebte ihren Gemahl, der den Anstrengungen seines
Gesaudtcuposteus und des später von ihm verwalteten Ministeriums der aus¬
wärtigen Angelegenheiten nicht gewachsen war und im Jahre 1846 starb, so¬
wie ihre sämtlichen Geschwister; sie hatte den Schmerz, die Bibliothek ihres
Onkels Alexander und alles ihm sonst gehörige an den Kammerdiener Seysfert
fallen und die Freude, die Denkmäler der Brüder vor der Universität ent-
hüllen zu sehen. Von dem Inhalte des Buches ihres Lebens - deun als
solches kann man das vorliegende bezeichnen — haben wir hier nur eine
schwache Vorstellung geben können. In ihrer Jugend erlebte sie es, daß für
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