Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.in Gastein ist er "in der göttlichsten Laune, weil auch nicht ein Mensch von Sein ganzes Herz gehört seiner Frau, Karoline von Dachröden, von der Wunderbar ist es, wie dieser starke männliche Geist das Leben der Frauen Leicht nahm sein stets reflektirender Geist das Leben nicht; vou sich selbst in Gastein ist er „in der göttlichsten Laune, weil auch nicht ein Mensch von Sein ganzes Herz gehört seiner Frau, Karoline von Dachröden, von der Wunderbar ist es, wie dieser starke männliche Geist das Leben der Frauen Leicht nahm sein stets reflektirender Geist das Leben nicht; vou sich selbst <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0408" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214863"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1593" prev="#ID_1592"> in Gastein ist er „in der göttlichsten Laune, weil auch nicht ein Mensch von<lb/> wirklichen Bekannten hier ist; er möchte, sagt er, daß wenn ein Tag um ist,<lb/> derselbe wieder anfange." Für den Verkehr mit Leuten, zu denen man kein<lb/> Verhältnis gewinnen kann, hat er den Grundsatz: lieber gleich zu Anfang<lb/> grob, denn einmal wird mans doch. Sein Humor verließ ihn anch dann<lb/> nicht, als sich die Gebrechen vorzeitigen Alters schwer bei ihm bemerkbar<lb/> machten. Als schon alle kleinen Verrichtungen des täglichen Lebens „sechsmal<lb/> so lauge als sonst dauern," schreibt er: „Ich befinde mich sehr wohl, und wenn<lb/> ich einen Knopf langsam zuknöpfe, so denke ich dabei an viele Dinge. Zum<lb/> Glück braucht man zum Denken keine Hände, und in Gedanken, die mich beschäf¬<lb/> tigen und mich, wenn auch in Wehmut, glücklich machen, lebe ich mehr als je."</p><lb/> <p xml:id="ID_1594"> Sein ganzes Herz gehört seiner Frau, Karoline von Dachröden, von der<lb/> er sagt: „Ich kann gewiß mit Unparteilichkeit behaupten, daß sich nie vielleicht<lb/> eine allgemeine Form in einem einzelnen so rein und vollkommen ausge¬<lb/> sprochen hat als deutsche Weiblichkeit in dir." Das Geheimnis des höhern<lb/> ehelichen Glückes beruht für ihn daraus, „daß mau es versteht, einander gegen¬<lb/> seitig die innere Freiheit des Gemütes zu erhalten und zu beleben, und sich<lb/> gerade dadurch immer enger an einander schließt." Er rühmt von seiner Frau<lb/> „den höchsten und freiesten Aufschwung der innern Empfindung und die größte<lb/> Einfachheit und Natürlichkeit da, wo der Mensch die Außenwelt berührt."</p><lb/> <p xml:id="ID_1595"> Wunderbar ist es, wie dieser starke männliche Geist das Leben der Frauen<lb/> für so viel höher und edler hält, als das der Männer: „sie knüpfen einfach<lb/> die stärksten und zartesten Fäden des Lebens zusammen, und weiter kann es<lb/> der Mann doch auch mit allen seineu Umwegen nicht bringen, er gelangt aber<lb/> nur selten dahin." So zieht er denn überhaupt die Töchter den Söhnen<lb/> vor: „Ich bin nun überhaupt unendlich mehr für die Töchter, man möchte<lb/> noch so viele haben. Auf das Fortbestehen des Namens habe ich nie Wert<lb/> gesetzt, mich gerade in einem Sohne wiederzufinden, hat mich auch nicht ge¬<lb/> reizt, aber eine Tochter ist ein unendlich beglückendes Wesen. Man kann so<lb/> ganz mit ihr fühlen und findet sich wieder von ihr begegnet." So hatte er<lb/> denn auch immer Zeit, sich mit seinen Enkeln abzugeben, zumal da ihn<lb/> Tagesneuigkeiten wenig kümmerten und er nie eine Zeitung las, da er meinte,<lb/> „das wichtige erfahre man auch so, und das übrige könne man sich schenken."<lb/> Dafür verfolgte er mit dem größten Interesse den Sieg des Deutschen über<lb/> das Englische bei den in London ausgewachsenen Kindern, die ihm nach einiger<lb/> Zeit gestanden: „Ich verstehe dn — du verstehst ich."</p><lb/> <p xml:id="ID_1596" next="#ID_1597"> Leicht nahm sein stets reflektirender Geist das Leben nicht; vou sich selbst<lb/> konnte er daher gewiß mit Recht sagen: „Es begegnet dem Menschen selten<lb/> etwas, ehe es sich nicht in seinem Innern vorher bewegt hat." So hat denn<lb/> auch für ihn das Wort seine Berechtigung: „Es ist überhaupt immer meine<lb/> Lebensansicht gewesen, daß es weit weniger darauf ankommt, welche Schicksale</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0408]
in Gastein ist er „in der göttlichsten Laune, weil auch nicht ein Mensch von
wirklichen Bekannten hier ist; er möchte, sagt er, daß wenn ein Tag um ist,
derselbe wieder anfange." Für den Verkehr mit Leuten, zu denen man kein
Verhältnis gewinnen kann, hat er den Grundsatz: lieber gleich zu Anfang
grob, denn einmal wird mans doch. Sein Humor verließ ihn anch dann
nicht, als sich die Gebrechen vorzeitigen Alters schwer bei ihm bemerkbar
machten. Als schon alle kleinen Verrichtungen des täglichen Lebens „sechsmal
so lauge als sonst dauern," schreibt er: „Ich befinde mich sehr wohl, und wenn
ich einen Knopf langsam zuknöpfe, so denke ich dabei an viele Dinge. Zum
Glück braucht man zum Denken keine Hände, und in Gedanken, die mich beschäf¬
tigen und mich, wenn auch in Wehmut, glücklich machen, lebe ich mehr als je."
Sein ganzes Herz gehört seiner Frau, Karoline von Dachröden, von der
er sagt: „Ich kann gewiß mit Unparteilichkeit behaupten, daß sich nie vielleicht
eine allgemeine Form in einem einzelnen so rein und vollkommen ausge¬
sprochen hat als deutsche Weiblichkeit in dir." Das Geheimnis des höhern
ehelichen Glückes beruht für ihn daraus, „daß mau es versteht, einander gegen¬
seitig die innere Freiheit des Gemütes zu erhalten und zu beleben, und sich
gerade dadurch immer enger an einander schließt." Er rühmt von seiner Frau
„den höchsten und freiesten Aufschwung der innern Empfindung und die größte
Einfachheit und Natürlichkeit da, wo der Mensch die Außenwelt berührt."
Wunderbar ist es, wie dieser starke männliche Geist das Leben der Frauen
für so viel höher und edler hält, als das der Männer: „sie knüpfen einfach
die stärksten und zartesten Fäden des Lebens zusammen, und weiter kann es
der Mann doch auch mit allen seineu Umwegen nicht bringen, er gelangt aber
nur selten dahin." So zieht er denn überhaupt die Töchter den Söhnen
vor: „Ich bin nun überhaupt unendlich mehr für die Töchter, man möchte
noch so viele haben. Auf das Fortbestehen des Namens habe ich nie Wert
gesetzt, mich gerade in einem Sohne wiederzufinden, hat mich auch nicht ge¬
reizt, aber eine Tochter ist ein unendlich beglückendes Wesen. Man kann so
ganz mit ihr fühlen und findet sich wieder von ihr begegnet." So hatte er
denn auch immer Zeit, sich mit seinen Enkeln abzugeben, zumal da ihn
Tagesneuigkeiten wenig kümmerten und er nie eine Zeitung las, da er meinte,
„das wichtige erfahre man auch so, und das übrige könne man sich schenken."
Dafür verfolgte er mit dem größten Interesse den Sieg des Deutschen über
das Englische bei den in London ausgewachsenen Kindern, die ihm nach einiger
Zeit gestanden: „Ich verstehe dn — du verstehst ich."
Leicht nahm sein stets reflektirender Geist das Leben nicht; vou sich selbst
konnte er daher gewiß mit Recht sagen: „Es begegnet dem Menschen selten
etwas, ehe es sich nicht in seinem Innern vorher bewegt hat." So hat denn
auch für ihn das Wort seine Berechtigung: „Es ist überhaupt immer meine
Lebensansicht gewesen, daß es weit weniger darauf ankommt, welche Schicksale
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