Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.Ale Erziehung zum Zviichekrieg Anfsatzlehre verfaßt, die für die obern Misse" der Nolksschnle und für die In einer Sprachlehre von Morlet und Richardot muß sogar eine Übung Ein kleines Lehrbuch der Geschichte (Blauchet, Liograxlnss 60s llmninö" Ein in Deutschland unbekannter Zweig des Unterrichts ist der weltliche Ale Erziehung zum Zviichekrieg Anfsatzlehre verfaßt, die für die obern Misse» der Nolksschnle und für die In einer Sprachlehre von Morlet und Richardot muß sogar eine Übung Ein kleines Lehrbuch der Geschichte (Blauchet, Liograxlnss 60s llmninö» Ein in Deutschland unbekannter Zweig des Unterrichts ist der weltliche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0396" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214851"/> <fw type="header" place="top"> Ale Erziehung zum Zviichekrieg</fw><lb/> <p xml:id="ID_1563" prev="#ID_1562"> Anfsatzlehre verfaßt, die für die obern Misse» der Nolksschnle und für die<lb/> untern der höhern Schule, also für elf- bis dreizehnjährige Schiller berechnet<lb/> ist. Unter mehrere» bemerkenswerten Stellen heben wir nur zwei heraus. In<lb/> einem Aufsatzmuster überlegt ein Knabe, was er in der Volksschule gelernt hat:<lb/> „Ich kann lesen, schreiben und rechnen; ich kann einen Brief verfassen;... ich<lb/> habe auch noch etwas andres gelernt, nämlich mein Vaterland von ganzem<lb/> Herzen lieben. Ich glaube einst ein tüchtiger Soldat zu werden; niemals<lb/> werde ich die Karte Frankreichs vergessen, die uns der Lehrer gezeigt hat, mit<lb/> einem schwarzen Fleck, einem Trauerfleck dort oben im Nordosten." In einem<lb/> andern Aufsatz wird die Bedeutung der Fahne erklärt; da heißt es zum Schluß:<lb/> „Du Fahne unsers Ruhms und unsers Unglücks, du Fahne, die einst auf dem<lb/> Boden von Elsaß-Lothringen flatterte, du giebst unsern Herzen die unerschütter¬<lb/> liche Hoffnung, daß wir dich einst unsern Brüdern dort zurückbringe» werde»,<lb/> auf den Boden, von dem du verbannt bist."</p><lb/> <p xml:id="ID_1564"> In einer Sprachlehre von Morlet und Richardot muß sogar eine Übung<lb/> mit dem Zeitworte den geschmackvolle» Anlaß geben, den Nachekrieg zu Pre¬<lb/> digein „Ihr wißt, Kinder, spricht der Großvater zu seinen Enkeln, von der<lb/> Karte Frankreichs fehlt ein Stück. Wenn der Großvater daran denkt, wird<lb/> er traurig und zornig; eine Thräne, die er nicht abwische» will, und die aus<lb/> seine» weiße» Bart rollt, sagt euch, wie ergriffe» er ist. Aber er verzweifelt<lb/> nicht; wen» er euch anblickt, faßt er wieder Mut. Vergeßt diesen Blick nie¬<lb/> mals. Er legt euch eine Pflicht aus, die ihr einst, wenn ihr erwachsen seid,<lb/> z» erfüllen habt."</p><lb/> <p xml:id="ID_1565"> Ein kleines Lehrbuch der Geschichte (Blauchet, Liograxlnss 60s llmninö»<lb/> iUu«rro8, neunte Auflage, 1838), für Kinder bestimmt, reicht zwar nur bis<lb/> 1789, kann sich aber nicht versage», el»en Anhang zu geben mit einem Kürtchen,<lb/> auf dem die Verlornen Gebiete in verdunkelter Zeichnung als Teile Frankreichs<lb/> erscheinen, ^.tlmrmg'luz beginnt im Osten der Reichslande. Dazu heißt es:<lb/> „In unsern Tagen ist Frankreich vom Schicksal aufs grausamste geprüft<lb/> worden. Es hat seine beiden schönsten Provinzen verloren, Elsaß und<lb/> ^vthriugeu. Vielleicht bedarf es euer uoch. Trachtet seines Rufes würdig<lb/> zu sein." Sollte etwa ein „tumbes kind" dabei sitze», das den Sinn dieser<lb/> Worte nicht verstünde, der Lehrer wird es an der mündlichen Unterweisung<lb/> nicht fehlen lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1566" next="#ID_1567"> Ein in Deutschland unbekannter Zweig des Unterrichts ist der weltliche<lb/> Katechismus, 1'inLUu.oUon morals et (?loi<in«z, eine Unterweisung in den sitt¬<lb/> liche» und in den staatsbürgerliche» Rechte» n»d Pflichten. Schon in der<lb/> Volksschule wird dieser Unterricht erteilt. Es kann nicht überraschen, daß<lb/> man in Frankreich, wo die Vaterlandsliebe den Offizier entschuldigt, der das<lb/> dem Feinde gegebne Ehrenwort gebrochen hat, auch kein Bedenken trügt, in<lb/> einer Sittenlehre zum Nachekrieg aufzufordern. So heißt es i» einem Lehr-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0396]
Ale Erziehung zum Zviichekrieg
Anfsatzlehre verfaßt, die für die obern Misse» der Nolksschnle und für die
untern der höhern Schule, also für elf- bis dreizehnjährige Schiller berechnet
ist. Unter mehrere» bemerkenswerten Stellen heben wir nur zwei heraus. In
einem Aufsatzmuster überlegt ein Knabe, was er in der Volksschule gelernt hat:
„Ich kann lesen, schreiben und rechnen; ich kann einen Brief verfassen;... ich
habe auch noch etwas andres gelernt, nämlich mein Vaterland von ganzem
Herzen lieben. Ich glaube einst ein tüchtiger Soldat zu werden; niemals
werde ich die Karte Frankreichs vergessen, die uns der Lehrer gezeigt hat, mit
einem schwarzen Fleck, einem Trauerfleck dort oben im Nordosten." In einem
andern Aufsatz wird die Bedeutung der Fahne erklärt; da heißt es zum Schluß:
„Du Fahne unsers Ruhms und unsers Unglücks, du Fahne, die einst auf dem
Boden von Elsaß-Lothringen flatterte, du giebst unsern Herzen die unerschütter¬
liche Hoffnung, daß wir dich einst unsern Brüdern dort zurückbringe» werde»,
auf den Boden, von dem du verbannt bist."
In einer Sprachlehre von Morlet und Richardot muß sogar eine Übung
mit dem Zeitworte den geschmackvolle» Anlaß geben, den Nachekrieg zu Pre¬
digein „Ihr wißt, Kinder, spricht der Großvater zu seinen Enkeln, von der
Karte Frankreichs fehlt ein Stück. Wenn der Großvater daran denkt, wird
er traurig und zornig; eine Thräne, die er nicht abwische» will, und die aus
seine» weiße» Bart rollt, sagt euch, wie ergriffe» er ist. Aber er verzweifelt
nicht; wen» er euch anblickt, faßt er wieder Mut. Vergeßt diesen Blick nie¬
mals. Er legt euch eine Pflicht aus, die ihr einst, wenn ihr erwachsen seid,
z» erfüllen habt."
Ein kleines Lehrbuch der Geschichte (Blauchet, Liograxlnss 60s llmninö»
iUu«rro8, neunte Auflage, 1838), für Kinder bestimmt, reicht zwar nur bis
1789, kann sich aber nicht versage», el»en Anhang zu geben mit einem Kürtchen,
auf dem die Verlornen Gebiete in verdunkelter Zeichnung als Teile Frankreichs
erscheinen, ^.tlmrmg'luz beginnt im Osten der Reichslande. Dazu heißt es:
„In unsern Tagen ist Frankreich vom Schicksal aufs grausamste geprüft
worden. Es hat seine beiden schönsten Provinzen verloren, Elsaß und
^vthriugeu. Vielleicht bedarf es euer uoch. Trachtet seines Rufes würdig
zu sein." Sollte etwa ein „tumbes kind" dabei sitze», das den Sinn dieser
Worte nicht verstünde, der Lehrer wird es an der mündlichen Unterweisung
nicht fehlen lassen.
Ein in Deutschland unbekannter Zweig des Unterrichts ist der weltliche
Katechismus, 1'inLUu.oUon morals et (?loi<in«z, eine Unterweisung in den sitt¬
liche» und in den staatsbürgerliche» Rechte» n»d Pflichten. Schon in der
Volksschule wird dieser Unterricht erteilt. Es kann nicht überraschen, daß
man in Frankreich, wo die Vaterlandsliebe den Offizier entschuldigt, der das
dem Feinde gegebne Ehrenwort gebrochen hat, auch kein Bedenken trügt, in
einer Sittenlehre zum Nachekrieg aufzufordern. So heißt es i» einem Lehr-
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