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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Leila die Aatzenprinzessin

Meerschaumkvpfe ihres Ncirgileh stieg noch ein dünnes Rauchwölkchen kerzen¬
gerade empor. Er betrachtete sie lange mit immer schneller klopfendem Herzen,
und während er sich über ihr Antlitz beugte, fiel ihm eine Stelle aus den
Gesängen des unsterblichen Firdusi ein: "Süß ist der Hauch deines Mundes
wie Ambra und Nelken, und der Odem, der durch das Nubinthor deiner
Lippen geht, ist köstlicher als der Frühlingswind in den Gärten von Schiras!"

Jetzt schlug Leila die Augen auf und schaute den Freund verwundert an.
Anfangs schien sie nicht zu verstehen, was in ihm vorging. Dann flüsterte
sie leise: Gedenke meiner Warnung und rühre mich nicht an! Wenn dir mein
Glück lieb ist, so weiche zurück, ehe ich dem alten Bann verfalle!

Er vernahm den Klang ihrer Stimme, aber er verstand ihre Worte nicht.
Ihre Augen, diese wunderbaren, unergründlichen Augen hatten ihm den letzten
Nest seiner Fassung geraubt.

Leila, sagte er, Leila, stoße mich nicht von dir, kein Geschick soll dich mir
entreißen! Ich habe dich erlöst, und ich will dich halten in alle Ewigkeit!
Er hatte seine Arme um ihren Hals geschlungen und preßte seinen glühenden
Mund auf ihre kühlen Lippen. Dann sank er zurück.

Plötzlich zuckte das Licht einesMlitzes durch deu dämmrigen Raum, und
über die Dächer rollte der Donner, daß die Fensterscheiben erzitterten.

Da erwachte Justus aus seiner Betäubung. Er fand sich allein auf
seinem alten Ledersofa; uur eine weiße Katze schmiegte sich an ihn und blickte
ihn unaussprechlich ängstlich an.

Entschuldigen Sie, Herr Kollege, wenn wir Sie im Mittagsschlafe stören;
aber der Besuch, den wir Ihnen hier bringen, wird Ihnen sicherlich angenehm
und erwünscht sein!

Justus fuhr empor und rieb sich die Augen. An seinem Lager standen
drei Herren, vou denen er zwei kannte, den Mathematiker und seinen alten
Freund Walther. Der dritte, ein bleicher junger Mann mit Schnüreurock und
Reitstiefeln, der kurz geschornes Haar und einen langen kunstreich gedrehten
Schnurrbart trug, schien ein polnischer Kavalier zu sein.

Wir bringen Ihnen einen Schüler, fuhr Professor Walther fort, den
jungen Fürsten Orlowski. Er geht als Gesandtschaftsattacho nach Konstan-
tinopel und will bei Ihnen, ehe er abreist, Unterricht im Türkischen nehmen.

Justus hatte sich erhoben und stammelte einige Worte der Entschuldigung
und Begrüßung. Entsetzliche Hitze -- ich pflege sonst nie mittags zu schlafen --
Durchlaucht erweisen mir große Ehre --

Nix versteh"! entgegnete der Fürst gelassen und schüttelte den Kopf.

Er versteht kein Wort Deutsch, sagte der Mathematiker, Sie müssen
französisch sprechen, und wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, so
lassen Sie sich die Stunden gut bezahlen, der Kerl hats!




Leila die Aatzenprinzessin

Meerschaumkvpfe ihres Ncirgileh stieg noch ein dünnes Rauchwölkchen kerzen¬
gerade empor. Er betrachtete sie lange mit immer schneller klopfendem Herzen,
und während er sich über ihr Antlitz beugte, fiel ihm eine Stelle aus den
Gesängen des unsterblichen Firdusi ein: „Süß ist der Hauch deines Mundes
wie Ambra und Nelken, und der Odem, der durch das Nubinthor deiner
Lippen geht, ist köstlicher als der Frühlingswind in den Gärten von Schiras!"

Jetzt schlug Leila die Augen auf und schaute den Freund verwundert an.
Anfangs schien sie nicht zu verstehen, was in ihm vorging. Dann flüsterte
sie leise: Gedenke meiner Warnung und rühre mich nicht an! Wenn dir mein
Glück lieb ist, so weiche zurück, ehe ich dem alten Bann verfalle!

Er vernahm den Klang ihrer Stimme, aber er verstand ihre Worte nicht.
Ihre Augen, diese wunderbaren, unergründlichen Augen hatten ihm den letzten
Nest seiner Fassung geraubt.

Leila, sagte er, Leila, stoße mich nicht von dir, kein Geschick soll dich mir
entreißen! Ich habe dich erlöst, und ich will dich halten in alle Ewigkeit!
Er hatte seine Arme um ihren Hals geschlungen und preßte seinen glühenden
Mund auf ihre kühlen Lippen. Dann sank er zurück.

Plötzlich zuckte das Licht einesMlitzes durch deu dämmrigen Raum, und
über die Dächer rollte der Donner, daß die Fensterscheiben erzitterten.

Da erwachte Justus aus seiner Betäubung. Er fand sich allein auf
seinem alten Ledersofa; uur eine weiße Katze schmiegte sich an ihn und blickte
ihn unaussprechlich ängstlich an.

Entschuldigen Sie, Herr Kollege, wenn wir Sie im Mittagsschlafe stören;
aber der Besuch, den wir Ihnen hier bringen, wird Ihnen sicherlich angenehm
und erwünscht sein!

Justus fuhr empor und rieb sich die Augen. An seinem Lager standen
drei Herren, vou denen er zwei kannte, den Mathematiker und seinen alten
Freund Walther. Der dritte, ein bleicher junger Mann mit Schnüreurock und
Reitstiefeln, der kurz geschornes Haar und einen langen kunstreich gedrehten
Schnurrbart trug, schien ein polnischer Kavalier zu sein.

Wir bringen Ihnen einen Schüler, fuhr Professor Walther fort, den
jungen Fürsten Orlowski. Er geht als Gesandtschaftsattacho nach Konstan-
tinopel und will bei Ihnen, ehe er abreist, Unterricht im Türkischen nehmen.

Justus hatte sich erhoben und stammelte einige Worte der Entschuldigung
und Begrüßung. Entsetzliche Hitze — ich pflege sonst nie mittags zu schlafen —
Durchlaucht erweisen mir große Ehre —

Nix versteh«! entgegnete der Fürst gelassen und schüttelte den Kopf.

Er versteht kein Wort Deutsch, sagte der Mathematiker, Sie müssen
französisch sprechen, und wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, so
lassen Sie sich die Stunden gut bezahlen, der Kerl hats!




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[0388] Leila die Aatzenprinzessin Meerschaumkvpfe ihres Ncirgileh stieg noch ein dünnes Rauchwölkchen kerzen¬ gerade empor. Er betrachtete sie lange mit immer schneller klopfendem Herzen, und während er sich über ihr Antlitz beugte, fiel ihm eine Stelle aus den Gesängen des unsterblichen Firdusi ein: „Süß ist der Hauch deines Mundes wie Ambra und Nelken, und der Odem, der durch das Nubinthor deiner Lippen geht, ist köstlicher als der Frühlingswind in den Gärten von Schiras!" Jetzt schlug Leila die Augen auf und schaute den Freund verwundert an. Anfangs schien sie nicht zu verstehen, was in ihm vorging. Dann flüsterte sie leise: Gedenke meiner Warnung und rühre mich nicht an! Wenn dir mein Glück lieb ist, so weiche zurück, ehe ich dem alten Bann verfalle! Er vernahm den Klang ihrer Stimme, aber er verstand ihre Worte nicht. Ihre Augen, diese wunderbaren, unergründlichen Augen hatten ihm den letzten Nest seiner Fassung geraubt. Leila, sagte er, Leila, stoße mich nicht von dir, kein Geschick soll dich mir entreißen! Ich habe dich erlöst, und ich will dich halten in alle Ewigkeit! Er hatte seine Arme um ihren Hals geschlungen und preßte seinen glühenden Mund auf ihre kühlen Lippen. Dann sank er zurück. Plötzlich zuckte das Licht einesMlitzes durch deu dämmrigen Raum, und über die Dächer rollte der Donner, daß die Fensterscheiben erzitterten. Da erwachte Justus aus seiner Betäubung. Er fand sich allein auf seinem alten Ledersofa; uur eine weiße Katze schmiegte sich an ihn und blickte ihn unaussprechlich ängstlich an. Entschuldigen Sie, Herr Kollege, wenn wir Sie im Mittagsschlafe stören; aber der Besuch, den wir Ihnen hier bringen, wird Ihnen sicherlich angenehm und erwünscht sein! Justus fuhr empor und rieb sich die Augen. An seinem Lager standen drei Herren, vou denen er zwei kannte, den Mathematiker und seinen alten Freund Walther. Der dritte, ein bleicher junger Mann mit Schnüreurock und Reitstiefeln, der kurz geschornes Haar und einen langen kunstreich gedrehten Schnurrbart trug, schien ein polnischer Kavalier zu sein. Wir bringen Ihnen einen Schüler, fuhr Professor Walther fort, den jungen Fürsten Orlowski. Er geht als Gesandtschaftsattacho nach Konstan- tinopel und will bei Ihnen, ehe er abreist, Unterricht im Türkischen nehmen. Justus hatte sich erhoben und stammelte einige Worte der Entschuldigung und Begrüßung. Entsetzliche Hitze — ich pflege sonst nie mittags zu schlafen — Durchlaucht erweisen mir große Ehre — Nix versteh«! entgegnete der Fürst gelassen und schüttelte den Kopf. Er versteht kein Wort Deutsch, sagte der Mathematiker, Sie müssen französisch sprechen, und wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, so lassen Sie sich die Stunden gut bezahlen, der Kerl hats!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/388>, abgerufen am 23.07.2024.