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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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die Reise nel tsi ps,of"z ckovs it 81 fuor-i hatte ihn so heiter gestimmt, daß
er in einem Briefe an denselben Freund ganz lebenslustig scherzen konnte:
"nunmehro, vor allen Dingen erbiete ich mich zu Aufträgen und Bestellun¬
gen aller Art: nur verlangen Sie nicht, daß ich Ooäioes revidiren soll,
als wozu ich keine Gaben besitze: hingegen an alle Ihre porus in)arxlcm-
ncitv v Lo0N8o!at"z können Sie Ihre Aufträge mir sicher übergeben, Sie
dürfen nur die Liste derselben schicken, und ich werde mich überall als
Ihr Onai-An ä"MÄirs8 Präsentiren und alles besorgen, als ob Sie es selbst
wären." Freilich, da er nun einmal mit den Augen kommt, die er sich in
England und Deutschland angeschafft hat, schaut er auch hier durch die trü¬
gerische Hülle der Dinge hindurch in ihr scheußliches Innere hinein. "Wieder
lebe ich unter der verrufnen Nation, die so schöne Gesichter und so schlechte
Gemüter hat. Am auffallendsten ist die unendliche Heiterkeit und Fröhlichkeit
aller Mienen; sie kommt von ihrer Gesundheit, und diese vom Klima. Dabei
sehn viele so geistreich aus, als ob etwas dahinter stäke; sie sind fein und
schlau und wissen sogar, sobald sie wollen, brav und ehrlich aufzusehn, und
sind dennoch so treulos, ehrlos, schamlos, daß die Verwunderung uns den
Zorn vergessen läßt." Das verdirbt ihm nun zwar die Laune nicht, aber er
empfindet doch eine ingrimmige Freude, als er im Vatikan unter der Büste des
Bias ("meines Ahnherrn" setzt er bei) die Inschrift findet: ?r^e5t7?/o5
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uns andern das Christentum, nicht wie es Schopenhauer versteht, sondern wie es
unzählige gute Seelen verstanden haben, längst ausgezogen. Nach der Lehre
des Christentums taugen nämlich nicht bloß die meisten, sondern alle Menschen
nichts, und doch werden alle diese sündhaften Taugenichtse von Gott also ge¬
liebt, daß er seinen eingebornen Sohn hingegeben hat; und wenn Gott also
gesinnt ist, dann können doch auch wir uns ebenfalls dazu bequemen, sie ein
wenig zu lieben. Und wenn wir dann noch die Erfahrung beachten, daß wir
regelmäßig in demselben Grade, als wir einen andern für schlecht halten,
von diesem wieder selbst für schlecht gehalten werden, so finden Nur bald, wie
relativ der Begriff der Schlechtigkeit ist, und wie wenig sich in der Praxis
mit des Bias Wahlspruch anfangen läßt.

Wie bei der Entscheidung für oder gegen den Pessimismus das Denken
nnr wenig, die Grundstimmung des Gemüts so gut wie alles bedeutet, tritt
in dein Briefwechsel Schopenhauers mit seinen Freunden ein paarmal recht
hübsch deutlich hervor. Quandt z. V. schätzte seine Philosophie im übrigen sehr
hoch, teilte aber seinen Pessimismus nicht und schickte ihm einmal eine sehr schöne
Widerlegung dieser düstern Lebensansicht. Darauf antwortete ihm Schopen¬
hauer am 28. Januar 184!) ganz kurz: "Eigentlich soll man ganz vom
Kantischen krause. Jdealism durchdrungen sein, ehe man zu mir kommt; aber
Sie kommen gar vom Hegel und bringen Pantheismus und Optimismus mit,


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er in einem Briefe an denselben Freund ganz lebenslustig scherzen konnte:
„nunmehro, vor allen Dingen erbiete ich mich zu Aufträgen und Bestellun¬
gen aller Art: nur verlangen Sie nicht, daß ich Ooäioes revidiren soll,
als wozu ich keine Gaben besitze: hingegen an alle Ihre porus in)arxlcm-
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Ihr Onai-An ä"MÄirs8 Präsentiren und alles besorgen, als ob Sie es selbst
wären." Freilich, da er nun einmal mit den Augen kommt, die er sich in
England und Deutschland angeschafft hat, schaut er auch hier durch die trü¬
gerische Hülle der Dinge hindurch in ihr scheußliches Innere hinein. „Wieder
lebe ich unter der verrufnen Nation, die so schöne Gesichter und so schlechte
Gemüter hat. Am auffallendsten ist die unendliche Heiterkeit und Fröhlichkeit
aller Mienen; sie kommt von ihrer Gesundheit, und diese vom Klima. Dabei
sehn viele so geistreich aus, als ob etwas dahinter stäke; sie sind fein und
schlau und wissen sogar, sobald sie wollen, brav und ehrlich aufzusehn, und
sind dennoch so treulos, ehrlos, schamlos, daß die Verwunderung uns den
Zorn vergessen läßt." Das verdirbt ihm nun zwar die Laune nicht, aber er
empfindet doch eine ingrimmige Freude, als er im Vatikan unter der Büste des
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unzählige gute Seelen verstanden haben, längst ausgezogen. Nach der Lehre
des Christentums taugen nämlich nicht bloß die meisten, sondern alle Menschen
nichts, und doch werden alle diese sündhaften Taugenichtse von Gott also ge¬
liebt, daß er seinen eingebornen Sohn hingegeben hat; und wenn Gott also
gesinnt ist, dann können doch auch wir uns ebenfalls dazu bequemen, sie ein
wenig zu lieben. Und wenn wir dann noch die Erfahrung beachten, daß wir
regelmäßig in demselben Grade, als wir einen andern für schlecht halten,
von diesem wieder selbst für schlecht gehalten werden, so finden Nur bald, wie
relativ der Begriff der Schlechtigkeit ist, und wie wenig sich in der Praxis
mit des Bias Wahlspruch anfangen läßt.

Wie bei der Entscheidung für oder gegen den Pessimismus das Denken
nnr wenig, die Grundstimmung des Gemüts so gut wie alles bedeutet, tritt
in dein Briefwechsel Schopenhauers mit seinen Freunden ein paarmal recht
hübsch deutlich hervor. Quandt z. V. schätzte seine Philosophie im übrigen sehr
hoch, teilte aber seinen Pessimismus nicht und schickte ihm einmal eine sehr schöne
Widerlegung dieser düstern Lebensansicht. Darauf antwortete ihm Schopen¬
hauer am 28. Januar 184!) ganz kurz: „Eigentlich soll man ganz vom
Kantischen krause. Jdealism durchdrungen sein, ehe man zu mir kommt; aber
Sie kommen gar vom Hegel und bringen Pantheismus und Optimismus mit,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/357>, abgerufen am 03.07.2024.