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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Die Militärvorlage und der Antrag Bennigsen

annimmt, daß es dabei unsrer Heeresverwaltung um eine Vergrößerung
unsers Heeresbestandes überhaupt zu thun sei.

Diese Vergrößerung würde zugleich zu einer Verjüngung des Heeres
dienen. Durch die vermehrte Zahl der Eingestellten würde sich ermöglichen
lassen, bei einem ausbrechenden Kriege zunächst mit den acht bis zehn jünger"
Jahrgängen eine große Feldarmee aufzustellen, die die ersten Schlachten schlüge.
Dagegen würden die ältern, oft schon verheirateten Leute einstweilen zurück¬
behalten und geschont werden können. Darin würde ein großer Vorteil nicht
allein für die Schlagfertigkeit des Heeres, sondern auch für die nationale Wirt¬
schaft liegen.

Zur Ergänzung der Feldbataillone verlangt die Heeresverwaltung die
jährliche Einstellung von 22 402 Rekruten.

Endlich fordert die Heeresverwaltung auch noch eine Verstärkung der
SpezialWaffen, namentlich der Artillerie. Auch diese wird zur Gleichstellung
unsers Heeres mit dem Heere Frankreichs als notwendig bezeichnet. Die
dazu erforderliche Verstärkung wird ans 24Z61 Mann berechnet, von denen
die Hälfte zu zweijähriger, die andre Hälfte zu dreijähriger Dienstzeit heran-
zuziehen wäre. Dies würde einen Bedarf an Rekruten von rund 10 000 Mann
ergeben.

Nach den bisher angegebnen Zahlen würden also infolge der Umgestaltung
ungefähr 60 000 Rekruten mehr als bisher jährlich einzustellen sein, und so
bezeichnet es auch die Begründung der Vorlage. Unsre Broschüre berechnet
aber, daß noch 7600 Rekruten für die Kapitulantenstellen, sowie 8000 Re¬
kruten für den Nachersatz zur Ausfüllung der im Laufe des Jahres eintretenden
Lücken hinzukommen. Darnach soll sich, wie die Broschüre annimmt, die Ver¬
mehrung der jährlich einzustellenden Rekruten auf 75 000 belaufen.^)

Es würde jedoch irrig sein, wollte man annehmen, daß sich nun auch
um den doppelten Bestand dieser Rekruten die Friedensprüsenzstürke unsers
Heeres vergrößere. Vou diesen gehen nämlich die Mannschaften ab, die bis
jetzt während des dritten Jahres im Dienst behalten wurden, und die in Zu¬
kunft entlassen werden. Sie betrugen, wie bereits bemerkt, im Jahre 1892
57 362 Mann.

Nach alledem berechnet die Regierungsvorlage die durchschnittliche Friedens¬
prüsenzstürke unsers künftigen Heeres ohne die Unteroffiziere auf 492068 Mann,
mit den Unteroffizieren aber auf 570877 Mann.

Betrachten wir nun die Wirksamkeit dieser Reformvorschlüge im ganzen,
so wird damit zunächst der Grundsatz der allgemeinen Dienstpflicht, der unserm



*) Die norddeutsche Allgemeine Zeitung bezeichnet diese Berechnung als unrichtig. Die
Kapitulanten kämen nicht in Betracht, weil sie aus den Leuten, die schon gedient haben, ge¬
nommen würden. Es würden also in Wahrheit nicht 75"00, sondern nur etwa 60000 Rekruten
mehr eingestellt werden.
Die Militärvorlage und der Antrag Bennigsen

annimmt, daß es dabei unsrer Heeresverwaltung um eine Vergrößerung
unsers Heeresbestandes überhaupt zu thun sei.

Diese Vergrößerung würde zugleich zu einer Verjüngung des Heeres
dienen. Durch die vermehrte Zahl der Eingestellten würde sich ermöglichen
lassen, bei einem ausbrechenden Kriege zunächst mit den acht bis zehn jünger»
Jahrgängen eine große Feldarmee aufzustellen, die die ersten Schlachten schlüge.
Dagegen würden die ältern, oft schon verheirateten Leute einstweilen zurück¬
behalten und geschont werden können. Darin würde ein großer Vorteil nicht
allein für die Schlagfertigkeit des Heeres, sondern auch für die nationale Wirt¬
schaft liegen.

Zur Ergänzung der Feldbataillone verlangt die Heeresverwaltung die
jährliche Einstellung von 22 402 Rekruten.

Endlich fordert die Heeresverwaltung auch noch eine Verstärkung der
SpezialWaffen, namentlich der Artillerie. Auch diese wird zur Gleichstellung
unsers Heeres mit dem Heere Frankreichs als notwendig bezeichnet. Die
dazu erforderliche Verstärkung wird ans 24Z61 Mann berechnet, von denen
die Hälfte zu zweijähriger, die andre Hälfte zu dreijähriger Dienstzeit heran-
zuziehen wäre. Dies würde einen Bedarf an Rekruten von rund 10 000 Mann
ergeben.

Nach den bisher angegebnen Zahlen würden also infolge der Umgestaltung
ungefähr 60 000 Rekruten mehr als bisher jährlich einzustellen sein, und so
bezeichnet es auch die Begründung der Vorlage. Unsre Broschüre berechnet
aber, daß noch 7600 Rekruten für die Kapitulantenstellen, sowie 8000 Re¬
kruten für den Nachersatz zur Ausfüllung der im Laufe des Jahres eintretenden
Lücken hinzukommen. Darnach soll sich, wie die Broschüre annimmt, die Ver¬
mehrung der jährlich einzustellenden Rekruten auf 75 000 belaufen.^)

Es würde jedoch irrig sein, wollte man annehmen, daß sich nun auch
um den doppelten Bestand dieser Rekruten die Friedensprüsenzstürke unsers
Heeres vergrößere. Vou diesen gehen nämlich die Mannschaften ab, die bis
jetzt während des dritten Jahres im Dienst behalten wurden, und die in Zu¬
kunft entlassen werden. Sie betrugen, wie bereits bemerkt, im Jahre 1892
57 362 Mann.

Nach alledem berechnet die Regierungsvorlage die durchschnittliche Friedens¬
prüsenzstürke unsers künftigen Heeres ohne die Unteroffiziere auf 492068 Mann,
mit den Unteroffizieren aber auf 570877 Mann.

Betrachten wir nun die Wirksamkeit dieser Reformvorschlüge im ganzen,
so wird damit zunächst der Grundsatz der allgemeinen Dienstpflicht, der unserm



*) Die norddeutsche Allgemeine Zeitung bezeichnet diese Berechnung als unrichtig. Die
Kapitulanten kämen nicht in Betracht, weil sie aus den Leuten, die schon gedient haben, ge¬
nommen würden. Es würden also in Wahrheit nicht 75»00, sondern nur etwa 60000 Rekruten
mehr eingestellt werden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/176>, abgerufen am 03.07.2024.