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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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vielleicht seinen Bedarf einschränken. Der kapitalistische Unternehmer verliert
in keinem der beiden Fälle.

So der Engländer. Fügen wir ergänzend hinzu, daß es sehr häufig nicht
der Arbeiter, sondern der Unternehmer ist, der auf dem Wege entweder der
Ringbildung und Monopolisirung oder der Steuer- und Zollgesetzgebung den
Preis ungebührlich in die Höhe treibt, wie wir dies in den letzten Jahren um
Brot, Fleisch, Zucker und Kohlen erlebt haben, wo die Arbeiter der betreffenden
Produktionszweige an den Preiserhöhungen ganz unschuldig waren und gar
nichts davon hatten.

Die hier ermittelte Bedeutung des Geldkapitals gilt nun für alle Fälle,
gleichviel ob die Produktion zugleich auch noch den technischen Fortschritt
fördert oder nicht. Wenn Großes geschaffen werden soll, müssen allerdings
viele Kleine ihre Arbeit und ihre Arbeitsmittel vereinigen. Daß aber der
Leiter des Unternehmens vor dessen Beginn schon reich sei, d. h. die Macht
habe, Arbeiter und Arbeitsmittel selbst zu kaufen, ist ebenso wenig notwendig,
als daß er dabei reich werde oder seinen Reichtum verdopple und verzehn¬
fache. Nicht daran ist das Panamaunternehmen gescheitert, daß Lesseps für
seine Person nicht die Mittel dazu hatte, sondern daß er beim Beginn schon
zu alt war und weder die Schwierigkeiten und die Kosten richtig abzuschätzen,
noch die richtige Verwendung der ungeheuern, von lauter kleinen Leuten ge¬
lieferten Geldmittel zu sichern vermochte. Der verstvrbne Kardinal Lavigerie
pflegte sich zu rühmen, daß er bei 15000 Franks Einkommen 1200 000 Franks
jährlich ausgebe, ohne Schulden zu machen. Diese Summen wurden größten¬
teils produktiv angelegt namentlich in der Urbarmachung der an die Sahara
grenzenden Landstriche Algeriens. Wir haben da also eine großartige Ver¬
einigung von Arbeitsmitteln zu produktiven Zwecken, ohne daß ein Kapitalist
vorhanden wäre oder dabei entstünde. Wir könnten eine ganze Reihe solcher
wohlthätigen Gründungen anführen, wie die Frauckestiftuug und das Rauhe
Haus, haben aber gerade das "Werk" Lavigeries genannt, weil es im mate¬
riellsten Sinne des Wortes produktiv ist.

Ist also der Unternehmer als Kapitalist zwar sehr Wohl zu ersetzen, so
kann er dagegen als Organisator und Oberleiter des Betriebes allerdings nicht
ersetzt werden. Aber da es eben, wie wir gesehen haben, nicht nötig ist, daß
er entweder von vornherein Kapitalist sei oder durch das Unternehmen Kapitalist
werde, so braucht auch keine irüsvra oontrilmM8 xlsds geschaffen zu werden,
die ihn durch ihre Entbehrungen zum reichen Manne macht.

Man wird nun vielleicht einwenden: mag sein, daß der Theorie nach alle
Leistungen der modernen Großindustrie auch ohne Großkapitnlisten denkbar
wären, thatsächlich ist das Streben rühriger Privatleute nach Reichtum der
Sporn gewesen, der sie ins Dasein zu rufen getrieben hat, und ohne diesen
Sporn würde" sie nicht vorhanden sein. Wir sind so kühn, diese Behauptung


vielleicht seinen Bedarf einschränken. Der kapitalistische Unternehmer verliert
in keinem der beiden Fälle.

So der Engländer. Fügen wir ergänzend hinzu, daß es sehr häufig nicht
der Arbeiter, sondern der Unternehmer ist, der auf dem Wege entweder der
Ringbildung und Monopolisirung oder der Steuer- und Zollgesetzgebung den
Preis ungebührlich in die Höhe treibt, wie wir dies in den letzten Jahren um
Brot, Fleisch, Zucker und Kohlen erlebt haben, wo die Arbeiter der betreffenden
Produktionszweige an den Preiserhöhungen ganz unschuldig waren und gar
nichts davon hatten.

Die hier ermittelte Bedeutung des Geldkapitals gilt nun für alle Fälle,
gleichviel ob die Produktion zugleich auch noch den technischen Fortschritt
fördert oder nicht. Wenn Großes geschaffen werden soll, müssen allerdings
viele Kleine ihre Arbeit und ihre Arbeitsmittel vereinigen. Daß aber der
Leiter des Unternehmens vor dessen Beginn schon reich sei, d. h. die Macht
habe, Arbeiter und Arbeitsmittel selbst zu kaufen, ist ebenso wenig notwendig,
als daß er dabei reich werde oder seinen Reichtum verdopple und verzehn¬
fache. Nicht daran ist das Panamaunternehmen gescheitert, daß Lesseps für
seine Person nicht die Mittel dazu hatte, sondern daß er beim Beginn schon
zu alt war und weder die Schwierigkeiten und die Kosten richtig abzuschätzen,
noch die richtige Verwendung der ungeheuern, von lauter kleinen Leuten ge¬
lieferten Geldmittel zu sichern vermochte. Der verstvrbne Kardinal Lavigerie
pflegte sich zu rühmen, daß er bei 15000 Franks Einkommen 1200 000 Franks
jährlich ausgebe, ohne Schulden zu machen. Diese Summen wurden größten¬
teils produktiv angelegt namentlich in der Urbarmachung der an die Sahara
grenzenden Landstriche Algeriens. Wir haben da also eine großartige Ver¬
einigung von Arbeitsmitteln zu produktiven Zwecken, ohne daß ein Kapitalist
vorhanden wäre oder dabei entstünde. Wir könnten eine ganze Reihe solcher
wohlthätigen Gründungen anführen, wie die Frauckestiftuug und das Rauhe
Haus, haben aber gerade das „Werk" Lavigeries genannt, weil es im mate¬
riellsten Sinne des Wortes produktiv ist.

Ist also der Unternehmer als Kapitalist zwar sehr Wohl zu ersetzen, so
kann er dagegen als Organisator und Oberleiter des Betriebes allerdings nicht
ersetzt werden. Aber da es eben, wie wir gesehen haben, nicht nötig ist, daß
er entweder von vornherein Kapitalist sei oder durch das Unternehmen Kapitalist
werde, so braucht auch keine irüsvra oontrilmM8 xlsds geschaffen zu werden,
die ihn durch ihre Entbehrungen zum reichen Manne macht.

Man wird nun vielleicht einwenden: mag sein, daß der Theorie nach alle
Leistungen der modernen Großindustrie auch ohne Großkapitnlisten denkbar
wären, thatsächlich ist das Streben rühriger Privatleute nach Reichtum der
Sporn gewesen, der sie ins Dasein zu rufen getrieben hat, und ohne diesen
Sporn würde» sie nicht vorhanden sein. Wir sind so kühn, diese Behauptung


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[0623] vielleicht seinen Bedarf einschränken. Der kapitalistische Unternehmer verliert in keinem der beiden Fälle. So der Engländer. Fügen wir ergänzend hinzu, daß es sehr häufig nicht der Arbeiter, sondern der Unternehmer ist, der auf dem Wege entweder der Ringbildung und Monopolisirung oder der Steuer- und Zollgesetzgebung den Preis ungebührlich in die Höhe treibt, wie wir dies in den letzten Jahren um Brot, Fleisch, Zucker und Kohlen erlebt haben, wo die Arbeiter der betreffenden Produktionszweige an den Preiserhöhungen ganz unschuldig waren und gar nichts davon hatten. Die hier ermittelte Bedeutung des Geldkapitals gilt nun für alle Fälle, gleichviel ob die Produktion zugleich auch noch den technischen Fortschritt fördert oder nicht. Wenn Großes geschaffen werden soll, müssen allerdings viele Kleine ihre Arbeit und ihre Arbeitsmittel vereinigen. Daß aber der Leiter des Unternehmens vor dessen Beginn schon reich sei, d. h. die Macht habe, Arbeiter und Arbeitsmittel selbst zu kaufen, ist ebenso wenig notwendig, als daß er dabei reich werde oder seinen Reichtum verdopple und verzehn¬ fache. Nicht daran ist das Panamaunternehmen gescheitert, daß Lesseps für seine Person nicht die Mittel dazu hatte, sondern daß er beim Beginn schon zu alt war und weder die Schwierigkeiten und die Kosten richtig abzuschätzen, noch die richtige Verwendung der ungeheuern, von lauter kleinen Leuten ge¬ lieferten Geldmittel zu sichern vermochte. Der verstvrbne Kardinal Lavigerie pflegte sich zu rühmen, daß er bei 15000 Franks Einkommen 1200 000 Franks jährlich ausgebe, ohne Schulden zu machen. Diese Summen wurden größten¬ teils produktiv angelegt namentlich in der Urbarmachung der an die Sahara grenzenden Landstriche Algeriens. Wir haben da also eine großartige Ver¬ einigung von Arbeitsmitteln zu produktiven Zwecken, ohne daß ein Kapitalist vorhanden wäre oder dabei entstünde. Wir könnten eine ganze Reihe solcher wohlthätigen Gründungen anführen, wie die Frauckestiftuug und das Rauhe Haus, haben aber gerade das „Werk" Lavigeries genannt, weil es im mate¬ riellsten Sinne des Wortes produktiv ist. Ist also der Unternehmer als Kapitalist zwar sehr Wohl zu ersetzen, so kann er dagegen als Organisator und Oberleiter des Betriebes allerdings nicht ersetzt werden. Aber da es eben, wie wir gesehen haben, nicht nötig ist, daß er entweder von vornherein Kapitalist sei oder durch das Unternehmen Kapitalist werde, so braucht auch keine irüsvra oontrilmM8 xlsds geschaffen zu werden, die ihn durch ihre Entbehrungen zum reichen Manne macht. Man wird nun vielleicht einwenden: mag sein, daß der Theorie nach alle Leistungen der modernen Großindustrie auch ohne Großkapitnlisten denkbar wären, thatsächlich ist das Streben rühriger Privatleute nach Reichtum der Sporn gewesen, der sie ins Dasein zu rufen getrieben hat, und ohne diesen Sporn würde» sie nicht vorhanden sein. Wir sind so kühn, diese Behauptung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/623>, abgerufen am 26.06.2024.