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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Laiengedanken über die Steuerreform in Preußen

veranlagt und tels Beamtenheer dazu hält und besoldet, nicht für sich, sondern
um den Gemeinden neue Zuschlagskataster zu schaffe". Das ist eigentüm¬
lich; aber die Reform wird noch stärkere Eigentümlichkeiten zeitigen.

Wenn eine Steuer in Preußen reformbedürftig ist, so ist es die Grund¬
steuer. Ihre Einschätzung vor dreißig Jahren entspricht nicht annähernd
den heutige" Erträgen. Der Staat selbst hat das anerkannt, indem er den
Landschaftsbanken gestattete, den Bodenwcrt bis zum fünfunddreißigfnchen
Reinertrage anzunehmen und dann noch Zuschlage zu machen. Diese unzu¬
längliche Steuer soll nun endlos festgelegt werden; ja noch mehr: durch die
Rückforderung der Grundstellerentschädigungen für ehedem befreite Güter wird
die Verbesserung künftig unmöglich gemacht.

Die geplante Rückgewähr muß böses Blut machen. Warum soll die
Entschädign"", nur zurückgezahlt werden, wenn das Gut im Familienbesitz ge¬
blieben ist? Der Käufer hat die Grundsteuer notgedrungen bei der Wcrt-
berechnung mit angeschlagen und vom Preise gekürzt; wenn die Rente fällt,
muß er das Kapital heimzahlen. Wozu die schwächliche Schonung, wenn der
seßhaft gebliebne Besitz nicht geschont wird? Der Staat hat nichts zu ver¬
schenken; siehe das Defizit!

Die Aufhebung der Befreiungen ist vor dreißig Jahren als ein Akt der
Gerechtigkeit empfunden worden. Mit Heimzahlung der Entschädigungen sind
wir glücklich wieder auf dem Punkte vor 1861 angekommen; es wird Hundert-
tausende von Hektaren in Preußen geben, die der Staat künftig rechtlich nicht
besteuern darf.

Und derselbe Finanzminister, der die persönlichen Befreiungen der Standes-
herren aufhob, stellt die Nealprivilegien wieder her! Warum das? Und
warum behält der Staat nicht seine beste und sicherste Stenerquelle?

Der Grundsteuerverzicht wird Herrn Miquel kaum aus vollem Herzen
kommen. Aber seit Jahren wird die Grundsteuer als ungerecht im Landtage
verschrieen; die Überweisung ist als Heilmittel sür die kranken Kommunen
unablässig angepriesen und in gewissem Sinne populär und Parteiprogramm
geworden. Auf den vollen Stenerverzicht wagte allerdings niemand zu hoffen,
nnr ans die Hälfte. Der Finanzminister macht ganze Arbeit. Wird die Zu-
kunft sie loben? Oder wird der preußische Landtag von 1893 das Stacits-
stenerrückgrat in Preußen zerbrechen?


3. Die Kommunalsteucrrefvrm

Hundert Millionen Steuern frei für die Gemeinden! Eine stolze Zahl.
Leider gehörte eine Null dahinter, um dem Aufsaugungsvermögen der modernen
Gemeinden näher zu kommen.

Der Finanzminister weiß das, und er eröffnet deshalb "neue Steuer-
quellen." Eine gute Aussicht. Der Steuerzahler sieht sich die "Gebühren


Laiengedanken über die Steuerreform in Preußen

veranlagt und tels Beamtenheer dazu hält und besoldet, nicht für sich, sondern
um den Gemeinden neue Zuschlagskataster zu schaffe». Das ist eigentüm¬
lich; aber die Reform wird noch stärkere Eigentümlichkeiten zeitigen.

Wenn eine Steuer in Preußen reformbedürftig ist, so ist es die Grund¬
steuer. Ihre Einschätzung vor dreißig Jahren entspricht nicht annähernd
den heutige» Erträgen. Der Staat selbst hat das anerkannt, indem er den
Landschaftsbanken gestattete, den Bodenwcrt bis zum fünfunddreißigfnchen
Reinertrage anzunehmen und dann noch Zuschlage zu machen. Diese unzu¬
längliche Steuer soll nun endlos festgelegt werden; ja noch mehr: durch die
Rückforderung der Grundstellerentschädigungen für ehedem befreite Güter wird
die Verbesserung künftig unmöglich gemacht.

Die geplante Rückgewähr muß böses Blut machen. Warum soll die
Entschädign»«, nur zurückgezahlt werden, wenn das Gut im Familienbesitz ge¬
blieben ist? Der Käufer hat die Grundsteuer notgedrungen bei der Wcrt-
berechnung mit angeschlagen und vom Preise gekürzt; wenn die Rente fällt,
muß er das Kapital heimzahlen. Wozu die schwächliche Schonung, wenn der
seßhaft gebliebne Besitz nicht geschont wird? Der Staat hat nichts zu ver¬
schenken; siehe das Defizit!

Die Aufhebung der Befreiungen ist vor dreißig Jahren als ein Akt der
Gerechtigkeit empfunden worden. Mit Heimzahlung der Entschädigungen sind
wir glücklich wieder auf dem Punkte vor 1861 angekommen; es wird Hundert-
tausende von Hektaren in Preußen geben, die der Staat künftig rechtlich nicht
besteuern darf.

Und derselbe Finanzminister, der die persönlichen Befreiungen der Standes-
herren aufhob, stellt die Nealprivilegien wieder her! Warum das? Und
warum behält der Staat nicht seine beste und sicherste Stenerquelle?

Der Grundsteuerverzicht wird Herrn Miquel kaum aus vollem Herzen
kommen. Aber seit Jahren wird die Grundsteuer als ungerecht im Landtage
verschrieen; die Überweisung ist als Heilmittel sür die kranken Kommunen
unablässig angepriesen und in gewissem Sinne populär und Parteiprogramm
geworden. Auf den vollen Stenerverzicht wagte allerdings niemand zu hoffen,
nnr ans die Hälfte. Der Finanzminister macht ganze Arbeit. Wird die Zu-
kunft sie loben? Oder wird der preußische Landtag von 1893 das Stacits-
stenerrückgrat in Preußen zerbrechen?


3. Die Kommunalsteucrrefvrm

Hundert Millionen Steuern frei für die Gemeinden! Eine stolze Zahl.
Leider gehörte eine Null dahinter, um dem Aufsaugungsvermögen der modernen
Gemeinden näher zu kommen.

Der Finanzminister weiß das, und er eröffnet deshalb „neue Steuer-
quellen." Eine gute Aussicht. Der Steuerzahler sieht sich die „Gebühren


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[0614] Laiengedanken über die Steuerreform in Preußen veranlagt und tels Beamtenheer dazu hält und besoldet, nicht für sich, sondern um den Gemeinden neue Zuschlagskataster zu schaffe». Das ist eigentüm¬ lich; aber die Reform wird noch stärkere Eigentümlichkeiten zeitigen. Wenn eine Steuer in Preußen reformbedürftig ist, so ist es die Grund¬ steuer. Ihre Einschätzung vor dreißig Jahren entspricht nicht annähernd den heutige» Erträgen. Der Staat selbst hat das anerkannt, indem er den Landschaftsbanken gestattete, den Bodenwcrt bis zum fünfunddreißigfnchen Reinertrage anzunehmen und dann noch Zuschlage zu machen. Diese unzu¬ längliche Steuer soll nun endlos festgelegt werden; ja noch mehr: durch die Rückforderung der Grundstellerentschädigungen für ehedem befreite Güter wird die Verbesserung künftig unmöglich gemacht. Die geplante Rückgewähr muß böses Blut machen. Warum soll die Entschädign»«, nur zurückgezahlt werden, wenn das Gut im Familienbesitz ge¬ blieben ist? Der Käufer hat die Grundsteuer notgedrungen bei der Wcrt- berechnung mit angeschlagen und vom Preise gekürzt; wenn die Rente fällt, muß er das Kapital heimzahlen. Wozu die schwächliche Schonung, wenn der seßhaft gebliebne Besitz nicht geschont wird? Der Staat hat nichts zu ver¬ schenken; siehe das Defizit! Die Aufhebung der Befreiungen ist vor dreißig Jahren als ein Akt der Gerechtigkeit empfunden worden. Mit Heimzahlung der Entschädigungen sind wir glücklich wieder auf dem Punkte vor 1861 angekommen; es wird Hundert- tausende von Hektaren in Preußen geben, die der Staat künftig rechtlich nicht besteuern darf. Und derselbe Finanzminister, der die persönlichen Befreiungen der Standes- herren aufhob, stellt die Nealprivilegien wieder her! Warum das? Und warum behält der Staat nicht seine beste und sicherste Stenerquelle? Der Grundsteuerverzicht wird Herrn Miquel kaum aus vollem Herzen kommen. Aber seit Jahren wird die Grundsteuer als ungerecht im Landtage verschrieen; die Überweisung ist als Heilmittel sür die kranken Kommunen unablässig angepriesen und in gewissem Sinne populär und Parteiprogramm geworden. Auf den vollen Stenerverzicht wagte allerdings niemand zu hoffen, nnr ans die Hälfte. Der Finanzminister macht ganze Arbeit. Wird die Zu- kunft sie loben? Oder wird der preußische Landtag von 1893 das Stacits- stenerrückgrat in Preußen zerbrechen? 3. Die Kommunalsteucrrefvrm Hundert Millionen Steuern frei für die Gemeinden! Eine stolze Zahl. Leider gehörte eine Null dahinter, um dem Aufsaugungsvermögen der modernen Gemeinden näher zu kommen. Der Finanzminister weiß das, und er eröffnet deshalb „neue Steuer- quellen." Eine gute Aussicht. Der Steuerzahler sieht sich die „Gebühren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/614>, abgerufen am 26.06.2024.