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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Das Fräulein

Frau Rose nur dieses eine Wort Eindruck gemacht. -- Wirklich? Aber wo
macht sie die? Sie hat doch keinen Winkel für sich in der Wohnung.

O, es giebt allerhand Orte, entgegnete Tante Eusebia geheimnisvoll.
Der Sorte kommt es nicht darauf an, wo sie sich pudert und schminkt.

Sie schminkt sich auch?

Alles, bekräftigte Eusebia.

Schrecklich!

Ich habe es ja gleich gesagt.

Der Sache muß auf den Grund gegangen werden.

Muß es auch.

Aber wer soll es thun?

Ich!

Nein, ich werde mir den Offizier ansehen.

Ein Offizier? Ich denke, ein Gemeiner?

Na, wenn sie sich schminkt, muß es doch ein Offizier sein. Und den sehe
ich mir an.

So sehr auch Tante Eusebia die Mission ersehnte, Rose blieb Siegerin.
Was sie sich einmal in ihren Kopf gesetzt hatte, das setzte sie durch.

Minna gegenüber verbarg sie ihren Groll, damit sie nicht etwa Verdacht
schöpfe und das Stelldichein mit dem militärischen Verehrer abbestelle. Sie
ließ auch das Fräulein wie gewöhnlich allein mit den Kindern nach dem
zoologischen Garten fahren. Dann kleidete sie sich sehr gewühlt und elegant
an und kutschirte den Schuldigen uach.

Sie suchte sie durch den ganzen Garten, und da sie, dem Offizier zuliebe,
sehr zierliche, aber auch sehr enge Stiefelchen angezogen hatte, wurde ihr das
Suchen recht schwer. Endlich fand sie die drei vor dem Affenhause, wo
sich die Kinder an den drolligen Sprüngen und dem komischen Gebcihren der
Affen ergötzten. Von bunten Tuch war nichts in der Nähe. Das Schau¬
spiel, das sich ihr bot, war so harmlos, daß es Frau Rosen förmlich empörte.
Wozu hatte sie so Toilette gemacht? Doch nicht für die albernen Affen und
für das dumme Fräulein?

Ihre Enttäuschung war groß. Doch ließ sie sich nichts merken, sie sagte
nur in gereiztem Tone: Warum sind Sie nicht bei der Musik, Fräulein?
Warum habe ich meine Töchter Isolde und Elsa genannt? Doch nur, weil
wir für Wagner schwärmen. Und Kinder sollen ihr Ohr rechtzeitig Schulen.
Deshalb wünsche ich, daß Sie sich in der Nähe der Musik mit ihnen aufhalten.
Sonst bezahlt mau das teure Abonnement, und es verfehlt seinen Zweck.

Ich dachte, die Tiere würden den Kindern Spaß machen.

Zum Spaß sind aber die Menschen nicht aus der Welt, sie sollen sich
belehren. Vielleicht fassen Sie das Leben spaßhaft auf, wir nicht.

Dabei richtete sie ihr kleines dickes Persönchen so hoch empor, wie sie
nur konnte, und rauschte der Lüsternllec, dem Promenadenwege zwischen den
beiden Orchestern, zu. Dort nahm sie Platz. Aber wenn anch Uniformen
genug hier auf- und abwandelten, zu dem Fräulein schienen sie keine Be¬
ziehung zu haben.

Tag sür Tag wiederholte nun Frau Sobernstüdt ihre" Überfall mit einer
Beharrlichkeit, die einer bessern Sache würdig gewesen wäre. Doch stets ohne
Erfolg. Der Offizier -- oder der Gemeine, was er nun sein mochte -- blieb
verschollen. Aber das bestärkte Frau Rosen mir in ihrem Verdacht. Sie


Das Fräulein

Frau Rose nur dieses eine Wort Eindruck gemacht. — Wirklich? Aber wo
macht sie die? Sie hat doch keinen Winkel für sich in der Wohnung.

O, es giebt allerhand Orte, entgegnete Tante Eusebia geheimnisvoll.
Der Sorte kommt es nicht darauf an, wo sie sich pudert und schminkt.

Sie schminkt sich auch?

Alles, bekräftigte Eusebia.

Schrecklich!

Ich habe es ja gleich gesagt.

Der Sache muß auf den Grund gegangen werden.

Muß es auch.

Aber wer soll es thun?

Ich!

Nein, ich werde mir den Offizier ansehen.

Ein Offizier? Ich denke, ein Gemeiner?

Na, wenn sie sich schminkt, muß es doch ein Offizier sein. Und den sehe
ich mir an.

So sehr auch Tante Eusebia die Mission ersehnte, Rose blieb Siegerin.
Was sie sich einmal in ihren Kopf gesetzt hatte, das setzte sie durch.

Minna gegenüber verbarg sie ihren Groll, damit sie nicht etwa Verdacht
schöpfe und das Stelldichein mit dem militärischen Verehrer abbestelle. Sie
ließ auch das Fräulein wie gewöhnlich allein mit den Kindern nach dem
zoologischen Garten fahren. Dann kleidete sie sich sehr gewühlt und elegant
an und kutschirte den Schuldigen uach.

Sie suchte sie durch den ganzen Garten, und da sie, dem Offizier zuliebe,
sehr zierliche, aber auch sehr enge Stiefelchen angezogen hatte, wurde ihr das
Suchen recht schwer. Endlich fand sie die drei vor dem Affenhause, wo
sich die Kinder an den drolligen Sprüngen und dem komischen Gebcihren der
Affen ergötzten. Von bunten Tuch war nichts in der Nähe. Das Schau¬
spiel, das sich ihr bot, war so harmlos, daß es Frau Rosen förmlich empörte.
Wozu hatte sie so Toilette gemacht? Doch nicht für die albernen Affen und
für das dumme Fräulein?

Ihre Enttäuschung war groß. Doch ließ sie sich nichts merken, sie sagte
nur in gereiztem Tone: Warum sind Sie nicht bei der Musik, Fräulein?
Warum habe ich meine Töchter Isolde und Elsa genannt? Doch nur, weil
wir für Wagner schwärmen. Und Kinder sollen ihr Ohr rechtzeitig Schulen.
Deshalb wünsche ich, daß Sie sich in der Nähe der Musik mit ihnen aufhalten.
Sonst bezahlt mau das teure Abonnement, und es verfehlt seinen Zweck.

Ich dachte, die Tiere würden den Kindern Spaß machen.

Zum Spaß sind aber die Menschen nicht aus der Welt, sie sollen sich
belehren. Vielleicht fassen Sie das Leben spaßhaft auf, wir nicht.

Dabei richtete sie ihr kleines dickes Persönchen so hoch empor, wie sie
nur konnte, und rauschte der Lüsternllec, dem Promenadenwege zwischen den
beiden Orchestern, zu. Dort nahm sie Platz. Aber wenn anch Uniformen
genug hier auf- und abwandelten, zu dem Fräulein schienen sie keine Be¬
ziehung zu haben.

Tag sür Tag wiederholte nun Frau Sobernstüdt ihre» Überfall mit einer
Beharrlichkeit, die einer bessern Sache würdig gewesen wäre. Doch stets ohne
Erfolg. Der Offizier — oder der Gemeine, was er nun sein mochte — blieb
verschollen. Aber das bestärkte Frau Rosen mir in ihrem Verdacht. Sie


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[0554] Das Fräulein Frau Rose nur dieses eine Wort Eindruck gemacht. — Wirklich? Aber wo macht sie die? Sie hat doch keinen Winkel für sich in der Wohnung. O, es giebt allerhand Orte, entgegnete Tante Eusebia geheimnisvoll. Der Sorte kommt es nicht darauf an, wo sie sich pudert und schminkt. Sie schminkt sich auch? Alles, bekräftigte Eusebia. Schrecklich! Ich habe es ja gleich gesagt. Der Sache muß auf den Grund gegangen werden. Muß es auch. Aber wer soll es thun? Ich! Nein, ich werde mir den Offizier ansehen. Ein Offizier? Ich denke, ein Gemeiner? Na, wenn sie sich schminkt, muß es doch ein Offizier sein. Und den sehe ich mir an. So sehr auch Tante Eusebia die Mission ersehnte, Rose blieb Siegerin. Was sie sich einmal in ihren Kopf gesetzt hatte, das setzte sie durch. Minna gegenüber verbarg sie ihren Groll, damit sie nicht etwa Verdacht schöpfe und das Stelldichein mit dem militärischen Verehrer abbestelle. Sie ließ auch das Fräulein wie gewöhnlich allein mit den Kindern nach dem zoologischen Garten fahren. Dann kleidete sie sich sehr gewühlt und elegant an und kutschirte den Schuldigen uach. Sie suchte sie durch den ganzen Garten, und da sie, dem Offizier zuliebe, sehr zierliche, aber auch sehr enge Stiefelchen angezogen hatte, wurde ihr das Suchen recht schwer. Endlich fand sie die drei vor dem Affenhause, wo sich die Kinder an den drolligen Sprüngen und dem komischen Gebcihren der Affen ergötzten. Von bunten Tuch war nichts in der Nähe. Das Schau¬ spiel, das sich ihr bot, war so harmlos, daß es Frau Rosen förmlich empörte. Wozu hatte sie so Toilette gemacht? Doch nicht für die albernen Affen und für das dumme Fräulein? Ihre Enttäuschung war groß. Doch ließ sie sich nichts merken, sie sagte nur in gereiztem Tone: Warum sind Sie nicht bei der Musik, Fräulein? Warum habe ich meine Töchter Isolde und Elsa genannt? Doch nur, weil wir für Wagner schwärmen. Und Kinder sollen ihr Ohr rechtzeitig Schulen. Deshalb wünsche ich, daß Sie sich in der Nähe der Musik mit ihnen aufhalten. Sonst bezahlt mau das teure Abonnement, und es verfehlt seinen Zweck. Ich dachte, die Tiere würden den Kindern Spaß machen. Zum Spaß sind aber die Menschen nicht aus der Welt, sie sollen sich belehren. Vielleicht fassen Sie das Leben spaßhaft auf, wir nicht. Dabei richtete sie ihr kleines dickes Persönchen so hoch empor, wie sie nur konnte, und rauschte der Lüsternllec, dem Promenadenwege zwischen den beiden Orchestern, zu. Dort nahm sie Platz. Aber wenn anch Uniformen genug hier auf- und abwandelten, zu dem Fräulein schienen sie keine Be¬ ziehung zu haben. Tag sür Tag wiederholte nun Frau Sobernstüdt ihre» Überfall mit einer Beharrlichkeit, die einer bessern Sache würdig gewesen wäre. Doch stets ohne Erfolg. Der Offizier — oder der Gemeine, was er nun sein mochte — blieb verschollen. Aber das bestärkte Frau Rosen mir in ihrem Verdacht. Sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/554>, abgerufen am 01.09.2024.