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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Zur Judenfrage

achtung, die sich gegen die Juden richteten. Nicht selten hat sich dieser Haß
in lebhaften Ausbrüchen, in Verfolgungen oder gar in Vertreibungen der Juden
Luft gemacht. Aber auch wo diese Empfindungen zeitweise nicht zu Tage
traten, haben sie nicht aufgehört, sondern nnr geschlummert. So ist es auch
in Deutschland gewesen. Die ganze Periode des Liberalismus, während derer
kein Wort gegen die Juden offen gesagt werden durfte, war nichts andres als
eine künstliche Unterdrückung des Volksgefühls. Und wenn man die achtbaren
Männer, die heute noch als Verteidiger der Juden auftreten, ans ihr Gewissen
fragte, so würden sie im stillen eingestehen, daß auch ihnen die Juden -- nicht
jeder einzelne, aber das Volk als ganzes -- herzlich zuwider seien. Daß
daneben die Juden auch noch Lobredner andrer Art finden, kann bei ihrem
Reichtum und dem Einfluß, den sie schon gewonnen haben, nicht Wunder
nehmen.

Der Grund der Abneigung unsers Volks gegen die Juden liegt nicht in
dem Gegensatz der Religion. Wohl mag es eifrige Priester gegeben haben
und "och geben, die den Juden um seiner Religion willen hassen. Die große
Menge unsers Volkes aber ist dick zu duldsam, als daß sie daraus einen
Grund des Hasses entnähme. Wenn anch über den Talmud der Juden aller¬
hand gehässige Gerüchte umgehen, so kennt ihn doch niemand so genau, um
daraus Folgerungen ziehen zu können. Solche Gerüchte sind weit mehr An¬
zeichen als Gründe des Hasses. Das, was den Juden dem deutschen Volke
widerwärtig macht, ist sein ganzes eigentümliches Wesen und die Art und Weise,
wie er dieses Wesen bethätigt.

Unter diesem Wesen der Juden haben jedoch die verschiednen Teile
Deutschlands uicht in gleicher Weise zu leiden, da die Verbreitung der Juden
sehr verschieden ist,") In einem großen Teile Norddeutschlands, in Thüringen
und Sachsen, in der Oberpfalz und Altbaiern giebt es nur wenig Juden. In
diesen Gegenden sammeln sie sich nnr in den größern Städten. Berlin hat
4,36 (jetzt wohl 5), Hamburg 4,07 (dagegen Bremen nnr 0,38) Prozent Juden.
In Sachsen sind sehr wenig Juden, mit Ansncihme von Dresden und Leipzig.
Stark vertreten (in der Zahl von 2 bis 3 oder 3 bis 4 Prozent der Bevöl¬
kerung) sind sie in zwei Lündcrgrnppen von Deutschland; zunächst in den
früher polnischen Landesteilen, und sodann in einem Striche des westlichen
Deutschlands, der sich aus den beiden Hessen, Nasfnn, Unterfranken, der
Pfalz und dem Elsaß bildet. In diesen Gegenden sitzen die Juden nicht bloß
in den großen Städten, sondern sie sind dnrch das ganze Land verbreitet.
Dort muß man die Juden beobachten, um zu erkennen, was sie sür unser
Volksleben bedeuten.



Die nachfolgenden Angaben sind ans dem Buche von R. Andree "Zur Volkskunde
der Juden" entnommen. Seitdem haben sich wahrscheinlich die Verhältnisse etwas verschoben.
Im wesentlichen werden sie aber noch dieselben s.i".
Zur Judenfrage

achtung, die sich gegen die Juden richteten. Nicht selten hat sich dieser Haß
in lebhaften Ausbrüchen, in Verfolgungen oder gar in Vertreibungen der Juden
Luft gemacht. Aber auch wo diese Empfindungen zeitweise nicht zu Tage
traten, haben sie nicht aufgehört, sondern nnr geschlummert. So ist es auch
in Deutschland gewesen. Die ganze Periode des Liberalismus, während derer
kein Wort gegen die Juden offen gesagt werden durfte, war nichts andres als
eine künstliche Unterdrückung des Volksgefühls. Und wenn man die achtbaren
Männer, die heute noch als Verteidiger der Juden auftreten, ans ihr Gewissen
fragte, so würden sie im stillen eingestehen, daß auch ihnen die Juden — nicht
jeder einzelne, aber das Volk als ganzes — herzlich zuwider seien. Daß
daneben die Juden auch noch Lobredner andrer Art finden, kann bei ihrem
Reichtum und dem Einfluß, den sie schon gewonnen haben, nicht Wunder
nehmen.

Der Grund der Abneigung unsers Volks gegen die Juden liegt nicht in
dem Gegensatz der Religion. Wohl mag es eifrige Priester gegeben haben
und »och geben, die den Juden um seiner Religion willen hassen. Die große
Menge unsers Volkes aber ist dick zu duldsam, als daß sie daraus einen
Grund des Hasses entnähme. Wenn anch über den Talmud der Juden aller¬
hand gehässige Gerüchte umgehen, so kennt ihn doch niemand so genau, um
daraus Folgerungen ziehen zu können. Solche Gerüchte sind weit mehr An¬
zeichen als Gründe des Hasses. Das, was den Juden dem deutschen Volke
widerwärtig macht, ist sein ganzes eigentümliches Wesen und die Art und Weise,
wie er dieses Wesen bethätigt.

Unter diesem Wesen der Juden haben jedoch die verschiednen Teile
Deutschlands uicht in gleicher Weise zu leiden, da die Verbreitung der Juden
sehr verschieden ist,") In einem großen Teile Norddeutschlands, in Thüringen
und Sachsen, in der Oberpfalz und Altbaiern giebt es nur wenig Juden. In
diesen Gegenden sammeln sie sich nnr in den größern Städten. Berlin hat
4,36 (jetzt wohl 5), Hamburg 4,07 (dagegen Bremen nnr 0,38) Prozent Juden.
In Sachsen sind sehr wenig Juden, mit Ansncihme von Dresden und Leipzig.
Stark vertreten (in der Zahl von 2 bis 3 oder 3 bis 4 Prozent der Bevöl¬
kerung) sind sie in zwei Lündcrgrnppen von Deutschland; zunächst in den
früher polnischen Landesteilen, und sodann in einem Striche des westlichen
Deutschlands, der sich aus den beiden Hessen, Nasfnn, Unterfranken, der
Pfalz und dem Elsaß bildet. In diesen Gegenden sitzen die Juden nicht bloß
in den großen Städten, sondern sie sind dnrch das ganze Land verbreitet.
Dort muß man die Juden beobachten, um zu erkennen, was sie sür unser
Volksleben bedeuten.



Die nachfolgenden Angaben sind ans dem Buche von R. Andree „Zur Volkskunde
der Juden" entnommen. Seitdem haben sich wahrscheinlich die Verhältnisse etwas verschoben.
Im wesentlichen werden sie aber noch dieselben s.i».
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[0430] Zur Judenfrage achtung, die sich gegen die Juden richteten. Nicht selten hat sich dieser Haß in lebhaften Ausbrüchen, in Verfolgungen oder gar in Vertreibungen der Juden Luft gemacht. Aber auch wo diese Empfindungen zeitweise nicht zu Tage traten, haben sie nicht aufgehört, sondern nnr geschlummert. So ist es auch in Deutschland gewesen. Die ganze Periode des Liberalismus, während derer kein Wort gegen die Juden offen gesagt werden durfte, war nichts andres als eine künstliche Unterdrückung des Volksgefühls. Und wenn man die achtbaren Männer, die heute noch als Verteidiger der Juden auftreten, ans ihr Gewissen fragte, so würden sie im stillen eingestehen, daß auch ihnen die Juden — nicht jeder einzelne, aber das Volk als ganzes — herzlich zuwider seien. Daß daneben die Juden auch noch Lobredner andrer Art finden, kann bei ihrem Reichtum und dem Einfluß, den sie schon gewonnen haben, nicht Wunder nehmen. Der Grund der Abneigung unsers Volks gegen die Juden liegt nicht in dem Gegensatz der Religion. Wohl mag es eifrige Priester gegeben haben und »och geben, die den Juden um seiner Religion willen hassen. Die große Menge unsers Volkes aber ist dick zu duldsam, als daß sie daraus einen Grund des Hasses entnähme. Wenn anch über den Talmud der Juden aller¬ hand gehässige Gerüchte umgehen, so kennt ihn doch niemand so genau, um daraus Folgerungen ziehen zu können. Solche Gerüchte sind weit mehr An¬ zeichen als Gründe des Hasses. Das, was den Juden dem deutschen Volke widerwärtig macht, ist sein ganzes eigentümliches Wesen und die Art und Weise, wie er dieses Wesen bethätigt. Unter diesem Wesen der Juden haben jedoch die verschiednen Teile Deutschlands uicht in gleicher Weise zu leiden, da die Verbreitung der Juden sehr verschieden ist,") In einem großen Teile Norddeutschlands, in Thüringen und Sachsen, in der Oberpfalz und Altbaiern giebt es nur wenig Juden. In diesen Gegenden sammeln sie sich nnr in den größern Städten. Berlin hat 4,36 (jetzt wohl 5), Hamburg 4,07 (dagegen Bremen nnr 0,38) Prozent Juden. In Sachsen sind sehr wenig Juden, mit Ansncihme von Dresden und Leipzig. Stark vertreten (in der Zahl von 2 bis 3 oder 3 bis 4 Prozent der Bevöl¬ kerung) sind sie in zwei Lündcrgrnppen von Deutschland; zunächst in den früher polnischen Landesteilen, und sodann in einem Striche des westlichen Deutschlands, der sich aus den beiden Hessen, Nasfnn, Unterfranken, der Pfalz und dem Elsaß bildet. In diesen Gegenden sitzen die Juden nicht bloß in den großen Städten, sondern sie sind dnrch das ganze Land verbreitet. Dort muß man die Juden beobachten, um zu erkennen, was sie sür unser Volksleben bedeuten. Die nachfolgenden Angaben sind ans dem Buche von R. Andree „Zur Volkskunde der Juden" entnommen. Seitdem haben sich wahrscheinlich die Verhältnisse etwas verschoben. Im wesentlichen werden sie aber noch dieselben s.i».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/430>, abgerufen am 25.11.2024.