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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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unter Anleitung eines Sachverständigen. Der Direktor empfiehlt den Klassenlehrer
für diese Stunden, und die Stunde ist mit je drei Mark zu bezahlen. Haben
die Stunden Erfolg, so mag es noch hingehen; bleibt aber der Junge doch sitzen,
so fällt manches harte Wort gegen den vielleicht ganz schuldlose" Lehrer. Der
Preis von drei Mark für eine Privatstunde ist keineswegs zu hoch. Man
denke doch, was dem Rechtsanwalt, dem Arzt eine Stunde Arbeit eintrügt!
Nennt der Offizier den Preis zu hoch, so drückt er dadurch den Stand des
Gymnasiallehrers herab. Vielleicht erscheint das als eine Kleinigkeit; aber
genau so gestalten sich nur zu oft die Verhältnisse, sodaß sich thatsächlich da¬
durch ein Riß bildet, der doch zwischen den beiden in Frage kommenden Ständen
nicht vorhanden sein sollte.

Ob es nicht zum Heil des Lehrerstandes wäre, wenn den Lehrern Privat¬
stunden ganz verboten würden, soll hier nicht erörtert werden. Aber dieser
Punkt bringt uns auf die Geldfrage. Und sie ist hier der nervus rsruin, wie
so oft. Offizier und akademisch gebildeter Lehrer würden sich nicht so häufig
fremd sein, sich besser verstehen, wenn die Besoldung des Lehrers besser wäre.
Ein Lehrer ohne eignes Vermögen kann mit dein Offizier nicht gesellig ver¬
kehren, weil der Offizier bei seiner Geselligkeit zu hohe Ansprüche macht. Das
ist ein Krebsschaden in der heutigen Gesellschaft. Das unleugbar vorhandne
eckige Wesen vieler Lehrer als Folge davon, daß sie selten eine Reise machen,
wenig oder keine Geselligkeit pflegen können, die sie mit Vertretern andrer
Stände in Berührung brächte, die daraus folgende Unbeholfenheit, ja sogar
die nicht seltene Nachlässigkeit im Äußern hängt meist mit der niedrigen Be¬
soldung zusammen. Hier sind Schäden vorhanden, die, je länger sie dauern,
um so größer werden müssen. Ein Auseinandergehen von Elementen, die zu¬
sammengehören, ist immer gefährlich.

Wer kann es bessern? Die Beteiligten selbst, aber nur wenn der Staat
kräftig hilft. Unsre Parlamentarier haben leider nicht Zeit genug, sich mit
solchen Dingen, die sie vielleicht ungerechterweise untergeordnete Dinge nennen,
zu beschäftigen. Aber sie müssen auf solche Schäden hinweisen. Gelingt es
nicht, beim erstenmale dafür Interesse zu erwecken, dann vielleicht beim zweiten
oder dritten. Aber Schweigen ist hier nicht einmal Silber, Reden sicher¬
lich Gold.

Wohl im Bewußtsein der schroffen Scheidewand, die verkehrterweise
den Lehr- und den Wehrstand von einander trennt, hat man mit bitterm
Hohn den jüngst im Militärwochenblatt gemachten Vorschlag begrüßt, diese
beiden Stände wenigstens in ihren untern Schichten einander näher zu bringen.
Das genannte Blatt verlangt die Wiedereinführung der unter Friedrich dem
Großen geübten Sitte, die Lehrer, vor allem die an Landschulen, ans ge¬
dienten Unteroffizieren zu nehmen. Namentlich aus Lehrerkreisen ist diesem Vor¬
schlage bittrer Spott entgegengebracht worden. So besonders durch die Preu-


unter Anleitung eines Sachverständigen. Der Direktor empfiehlt den Klassenlehrer
für diese Stunden, und die Stunde ist mit je drei Mark zu bezahlen. Haben
die Stunden Erfolg, so mag es noch hingehen; bleibt aber der Junge doch sitzen,
so fällt manches harte Wort gegen den vielleicht ganz schuldlose» Lehrer. Der
Preis von drei Mark für eine Privatstunde ist keineswegs zu hoch. Man
denke doch, was dem Rechtsanwalt, dem Arzt eine Stunde Arbeit eintrügt!
Nennt der Offizier den Preis zu hoch, so drückt er dadurch den Stand des
Gymnasiallehrers herab. Vielleicht erscheint das als eine Kleinigkeit; aber
genau so gestalten sich nur zu oft die Verhältnisse, sodaß sich thatsächlich da¬
durch ein Riß bildet, der doch zwischen den beiden in Frage kommenden Ständen
nicht vorhanden sein sollte.

Ob es nicht zum Heil des Lehrerstandes wäre, wenn den Lehrern Privat¬
stunden ganz verboten würden, soll hier nicht erörtert werden. Aber dieser
Punkt bringt uns auf die Geldfrage. Und sie ist hier der nervus rsruin, wie
so oft. Offizier und akademisch gebildeter Lehrer würden sich nicht so häufig
fremd sein, sich besser verstehen, wenn die Besoldung des Lehrers besser wäre.
Ein Lehrer ohne eignes Vermögen kann mit dein Offizier nicht gesellig ver¬
kehren, weil der Offizier bei seiner Geselligkeit zu hohe Ansprüche macht. Das
ist ein Krebsschaden in der heutigen Gesellschaft. Das unleugbar vorhandne
eckige Wesen vieler Lehrer als Folge davon, daß sie selten eine Reise machen,
wenig oder keine Geselligkeit pflegen können, die sie mit Vertretern andrer
Stände in Berührung brächte, die daraus folgende Unbeholfenheit, ja sogar
die nicht seltene Nachlässigkeit im Äußern hängt meist mit der niedrigen Be¬
soldung zusammen. Hier sind Schäden vorhanden, die, je länger sie dauern,
um so größer werden müssen. Ein Auseinandergehen von Elementen, die zu¬
sammengehören, ist immer gefährlich.

Wer kann es bessern? Die Beteiligten selbst, aber nur wenn der Staat
kräftig hilft. Unsre Parlamentarier haben leider nicht Zeit genug, sich mit
solchen Dingen, die sie vielleicht ungerechterweise untergeordnete Dinge nennen,
zu beschäftigen. Aber sie müssen auf solche Schäden hinweisen. Gelingt es
nicht, beim erstenmale dafür Interesse zu erwecken, dann vielleicht beim zweiten
oder dritten. Aber Schweigen ist hier nicht einmal Silber, Reden sicher¬
lich Gold.

Wohl im Bewußtsein der schroffen Scheidewand, die verkehrterweise
den Lehr- und den Wehrstand von einander trennt, hat man mit bitterm
Hohn den jüngst im Militärwochenblatt gemachten Vorschlag begrüßt, diese
beiden Stände wenigstens in ihren untern Schichten einander näher zu bringen.
Das genannte Blatt verlangt die Wiedereinführung der unter Friedrich dem
Großen geübten Sitte, die Lehrer, vor allem die an Landschulen, ans ge¬
dienten Unteroffizieren zu nehmen. Namentlich aus Lehrerkreisen ist diesem Vor¬
schlage bittrer Spott entgegengebracht worden. So besonders durch die Preu-


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[0424] unter Anleitung eines Sachverständigen. Der Direktor empfiehlt den Klassenlehrer für diese Stunden, und die Stunde ist mit je drei Mark zu bezahlen. Haben die Stunden Erfolg, so mag es noch hingehen; bleibt aber der Junge doch sitzen, so fällt manches harte Wort gegen den vielleicht ganz schuldlose» Lehrer. Der Preis von drei Mark für eine Privatstunde ist keineswegs zu hoch. Man denke doch, was dem Rechtsanwalt, dem Arzt eine Stunde Arbeit eintrügt! Nennt der Offizier den Preis zu hoch, so drückt er dadurch den Stand des Gymnasiallehrers herab. Vielleicht erscheint das als eine Kleinigkeit; aber genau so gestalten sich nur zu oft die Verhältnisse, sodaß sich thatsächlich da¬ durch ein Riß bildet, der doch zwischen den beiden in Frage kommenden Ständen nicht vorhanden sein sollte. Ob es nicht zum Heil des Lehrerstandes wäre, wenn den Lehrern Privat¬ stunden ganz verboten würden, soll hier nicht erörtert werden. Aber dieser Punkt bringt uns auf die Geldfrage. Und sie ist hier der nervus rsruin, wie so oft. Offizier und akademisch gebildeter Lehrer würden sich nicht so häufig fremd sein, sich besser verstehen, wenn die Besoldung des Lehrers besser wäre. Ein Lehrer ohne eignes Vermögen kann mit dein Offizier nicht gesellig ver¬ kehren, weil der Offizier bei seiner Geselligkeit zu hohe Ansprüche macht. Das ist ein Krebsschaden in der heutigen Gesellschaft. Das unleugbar vorhandne eckige Wesen vieler Lehrer als Folge davon, daß sie selten eine Reise machen, wenig oder keine Geselligkeit pflegen können, die sie mit Vertretern andrer Stände in Berührung brächte, die daraus folgende Unbeholfenheit, ja sogar die nicht seltene Nachlässigkeit im Äußern hängt meist mit der niedrigen Be¬ soldung zusammen. Hier sind Schäden vorhanden, die, je länger sie dauern, um so größer werden müssen. Ein Auseinandergehen von Elementen, die zu¬ sammengehören, ist immer gefährlich. Wer kann es bessern? Die Beteiligten selbst, aber nur wenn der Staat kräftig hilft. Unsre Parlamentarier haben leider nicht Zeit genug, sich mit solchen Dingen, die sie vielleicht ungerechterweise untergeordnete Dinge nennen, zu beschäftigen. Aber sie müssen auf solche Schäden hinweisen. Gelingt es nicht, beim erstenmale dafür Interesse zu erwecken, dann vielleicht beim zweiten oder dritten. Aber Schweigen ist hier nicht einmal Silber, Reden sicher¬ lich Gold. Wohl im Bewußtsein der schroffen Scheidewand, die verkehrterweise den Lehr- und den Wehrstand von einander trennt, hat man mit bitterm Hohn den jüngst im Militärwochenblatt gemachten Vorschlag begrüßt, diese beiden Stände wenigstens in ihren untern Schichten einander näher zu bringen. Das genannte Blatt verlangt die Wiedereinführung der unter Friedrich dem Großen geübten Sitte, die Lehrer, vor allem die an Landschulen, ans ge¬ dienten Unteroffizieren zu nehmen. Namentlich aus Lehrerkreisen ist diesem Vor¬ schlage bittrer Spott entgegengebracht worden. So besonders durch die Preu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/424>, abgerufen am 21.11.2024.