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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Der Schutz des pnvaleigentmns zur See

das ist wohl der Grund, daß man so wenig Verständnis für die Wichtigkeit
des Kaperkriegs hat. Und doch sollte man sich an die kühnen Freibeuterzttge
der kurbrandenbnrgischen Fregatten unter dem wackern Klaus van Neueren
gegen die spanischen Silberflotten erinnern; mehrere reich beladne Gallionen
wurden mitten in spanischen Gewässern, im Golf von Mexiko, dem übermäch¬
tigen Feinde abgejagt. Das scharfe Auge des Großen Kurfürsten erkannte die
Wichtigkeit des Kaperkriegs ebenso gut, wie die Bedeutung des Seehandels
und die Notwendigkeit, ihn dnrch eine kraftvolle Seemacht zu schützen. Wie
kläglich benahm sich dagegen die Bundesgewalt bei dein Kriege gegen Däne¬
mark im Jahre 1848! Welche Rolle spielte die Seemacht Dänemarks in den
Kämpfen um die Schleswig-holsteinischen Herzogtümer! Wie ohnmächtig waren
die gesamten deutschen Vundesstaaten gegen die Störung des Seehandels durch
den unbedeutenden Feind, gegen die Wegnahme zahlreicher Handelsschiffe! Wer
sich überzeugen lassen will, kann aus Batschs Werk: "Deutsch Seegras, ein
Stück Neichsgeschichte" lernen, wie schwere Folgen es haben kann, wenn in
der Neichsvertretung das Verständnis für das Seewesen fehlt. Schon damals
(1848) schlug man vor, Schritte zu thun, um durch Verträge das Privat¬
eigentum auf See zu schützen, und ließ sich dabei, wie Breses bemerkt, in
"humanen" Abscheu vor dem sogenannten "privilegirten Seeraub" geduldig
das Fell über die Ohren ziehen. Darin sind wir aber heute leider noch nicht
um einen Zoll weiter. Wieder sehen wir eine Phalanx von Handelsdoktrinären,
die mit pergamentner Verträgen die feindlichen Kreuzer und Hilfskreuzer
bekämpfen wollen. Ob anch sie erst durch Schaden klug werden wollen? Man
muß leider annehmen, daß sie die traurigen Erfahrungen, die Deutschland im
Kampfe gegen das kleine Dänemark gemacht hat, vergessen haben.

Unter den Fachleuten, d. h. den Seeleuten, werden sich wenige Gegner des
Seebenterechts finden, weil ihnen die Bedeutung dieses Kriegsmittels klar vor
Augen liegt. Die Juristen dagegen möchten diesen "barbarischen" Unfug meist
in die historische Rumpelkammer werfen. Unser berühmtester Kenner des See¬
rechts, Admiralitätsrat Perels, sagt in seinem Werke "Das internationale
öffentliche Seerecht der Gegenwart": "Auch heute noch gehen die Ansichten
der hervorragendsten Publizisten über die Aufrechthaltung oder Beseitigung des
Rechts der Seebeute aus einander. Unter den Verteidigern, die es vorzüglich
in England und Frankreich findet, sind zu nennen: Phillimore, Twiß, Haute-
feuille, Ortolan, Carrvn, während viele andre, wie Wheatvn, de Cussy Cauchv
>">d Calvo, die meisten deutscheu Autoritäten der Völkerrechtswiffenschaft, ins¬
besondre Heffter, Bluntschli, Geßner, von Holtzendorff u.v.a., für die Besei¬
tigung eingetreten sind. Auch das Institut Ah etroit imo'llMoiiÄl hat sich im
Prinzip mit Stimmenmehrheit für die Beseitigung des Seebenterechts ausge¬
sprochen, indem es im Jahre 1877 die Resolutionen annahm: 1. Das Privat¬
eigentum, neutrales oder feindliches, ist unverletzlich unter neutraler oder feinde


Der Schutz des pnvaleigentmns zur See

das ist wohl der Grund, daß man so wenig Verständnis für die Wichtigkeit
des Kaperkriegs hat. Und doch sollte man sich an die kühnen Freibeuterzttge
der kurbrandenbnrgischen Fregatten unter dem wackern Klaus van Neueren
gegen die spanischen Silberflotten erinnern; mehrere reich beladne Gallionen
wurden mitten in spanischen Gewässern, im Golf von Mexiko, dem übermäch¬
tigen Feinde abgejagt. Das scharfe Auge des Großen Kurfürsten erkannte die
Wichtigkeit des Kaperkriegs ebenso gut, wie die Bedeutung des Seehandels
und die Notwendigkeit, ihn dnrch eine kraftvolle Seemacht zu schützen. Wie
kläglich benahm sich dagegen die Bundesgewalt bei dein Kriege gegen Däne¬
mark im Jahre 1848! Welche Rolle spielte die Seemacht Dänemarks in den
Kämpfen um die Schleswig-holsteinischen Herzogtümer! Wie ohnmächtig waren
die gesamten deutschen Vundesstaaten gegen die Störung des Seehandels durch
den unbedeutenden Feind, gegen die Wegnahme zahlreicher Handelsschiffe! Wer
sich überzeugen lassen will, kann aus Batschs Werk: „Deutsch Seegras, ein
Stück Neichsgeschichte" lernen, wie schwere Folgen es haben kann, wenn in
der Neichsvertretung das Verständnis für das Seewesen fehlt. Schon damals
(1848) schlug man vor, Schritte zu thun, um durch Verträge das Privat¬
eigentum auf See zu schützen, und ließ sich dabei, wie Breses bemerkt, in
„humanen" Abscheu vor dem sogenannten „privilegirten Seeraub" geduldig
das Fell über die Ohren ziehen. Darin sind wir aber heute leider noch nicht
um einen Zoll weiter. Wieder sehen wir eine Phalanx von Handelsdoktrinären,
die mit pergamentner Verträgen die feindlichen Kreuzer und Hilfskreuzer
bekämpfen wollen. Ob anch sie erst durch Schaden klug werden wollen? Man
muß leider annehmen, daß sie die traurigen Erfahrungen, die Deutschland im
Kampfe gegen das kleine Dänemark gemacht hat, vergessen haben.

Unter den Fachleuten, d. h. den Seeleuten, werden sich wenige Gegner des
Seebenterechts finden, weil ihnen die Bedeutung dieses Kriegsmittels klar vor
Augen liegt. Die Juristen dagegen möchten diesen „barbarischen" Unfug meist
in die historische Rumpelkammer werfen. Unser berühmtester Kenner des See¬
rechts, Admiralitätsrat Perels, sagt in seinem Werke „Das internationale
öffentliche Seerecht der Gegenwart": „Auch heute noch gehen die Ansichten
der hervorragendsten Publizisten über die Aufrechthaltung oder Beseitigung des
Rechts der Seebeute aus einander. Unter den Verteidigern, die es vorzüglich
in England und Frankreich findet, sind zu nennen: Phillimore, Twiß, Haute-
feuille, Ortolan, Carrvn, während viele andre, wie Wheatvn, de Cussy Cauchv
>">d Calvo, die meisten deutscheu Autoritäten der Völkerrechtswiffenschaft, ins¬
besondre Heffter, Bluntschli, Geßner, von Holtzendorff u.v.a., für die Besei¬
tigung eingetreten sind. Auch das Institut Ah etroit imo'llMoiiÄl hat sich im
Prinzip mit Stimmenmehrheit für die Beseitigung des Seebenterechts ausge¬
sprochen, indem es im Jahre 1877 die Resolutionen annahm: 1. Das Privat¬
eigentum, neutrales oder feindliches, ist unverletzlich unter neutraler oder feinde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/375>, abgerufen am 20.09.2024.