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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Der Schutz des Privateigentums zur See

vorzukommen, als die körperliche. Wie wäre es sonst möglich, daß man immer
wieder Versuche macht, dein Seekrieg eine seiner wirksamsten Waffen, das See¬
beuterecht, zu nehmen? Während auf der einen Seite durch die Technik die
Seekriegsmittel auss äußerste verschärft werden, will man auf der andern
durch Verträge die großen Seemächte zu bestimmen suchen, zu Gunsten derer,
die zur See schwach sind, auf eine Kampfweise zu verzichten, die, so lange es
eine Seefahrt giebt, großen Einfluß auf den Kriegsverlauf gehabt hat. Wie
würden wir lachen, wenn von England bei allen Mächten der Antrag gestellt
würde, im feindlichen Privatbesitz befindlicher Grund und Boden, Gebäude,
Schlösser, Dörfer u. s. w. dürfte" vou den kriegführenden Heeren unter keinen
Umständen besetzt werden! Darnach kann mau sich einen ungefähren Begriff
machen, wie die Engländer gelacht haben müssen, als sie lasen, daß schon zum
zweitenmale im deutschen Reichstage ganz ernsthaft der Antrag auf Unverletz¬
lichkeit des Privateigentums zur See gestellt worden ist.

Alles, was das Seewesen betrifft, ist dem Deutschen noch immer eine
ziemlich unklare Sache. Aus Prnchtwerken hat er einige, meist sehr oberfläch¬
liche Kentnisse von der Kriegsflotte, dem Kriegsschiffsdienst und der Einrich¬
tung der Küstenverteidignng gewonnen. Aber Torpedo und Torpedoboote,
diese beiden Begriffe verwechselt er schon sehr hänfig. Von der gesteigerten
Bedeutung des Krenzerkrieges weiß er sicher so gut wie nichts. Ähnlich steht
es mit seiner Kenntnis des Seerechts und der Seebräuche. Der Zweck des
Seekrieges ist doch offenbar die Niederlegung der feindlichen Seemacht im
vollsten Sinne des Worts. Dazu gehört aber die möglichste Schädigung der
feindlichen Handelsflotte. Warum? Weil die Handelsflotte dem Feindeslande
Zufuhr an Menschen (Schiffsbesatzung), Lebensmitteln, Kohlen u. s. w. bringt.
Bekanntlich wird auch der belagerten Festung vom Belagerer jede Zufuhr ab¬
geschnitten. Ist nun etwa ein von Feinden umgebnes, teilweise vielleicht schon
vom Feinde besetztes Land nicht in ähnlicher Lage?

Für den Einschluß einer Küste durch feindliche Scestreitkräfte, die soge-
nannte Blockade (deutsch würde man wohl besser "Blockung" sagen), sind am
grünen Tisch freilich eine Anzahl Bestimmungen ausgeklügelt worden, aber die
Machthaber haben sich je nach den Umständen darüber hinweggesetzt und werden
sich stets darüber hinwegsetzen, wenn es ihr Vorteil ist. So erklärte z.B.
Napoleon in dem Dekret vom 21. November 1806: I^s etroit as dio"M8, "leprös
ig, rui8on et l'uWAS as tems los xsuxlss xolicZW, n'v8t uxplioablv ein'loi
xlgoeii lortss, trug aber dabei, wie Perels bemerkt, selbst kein Bedenken, von
der Blockade einen so ausgedehnten Gebrauch zu machen, wie es nie zuvor
geschehen war.

Bei der wirksamen Blockade wird der ganze Schiffsverkehr -- Einfuhr
und Ausfuhr -- gehemmt. Wie bedenklich ein solcher Zustand für Deutsch¬
land im Falle eines europäischen Krieges sein würde, hat Kapitän Stenzel


Der Schutz des Privateigentums zur See

vorzukommen, als die körperliche. Wie wäre es sonst möglich, daß man immer
wieder Versuche macht, dein Seekrieg eine seiner wirksamsten Waffen, das See¬
beuterecht, zu nehmen? Während auf der einen Seite durch die Technik die
Seekriegsmittel auss äußerste verschärft werden, will man auf der andern
durch Verträge die großen Seemächte zu bestimmen suchen, zu Gunsten derer,
die zur See schwach sind, auf eine Kampfweise zu verzichten, die, so lange es
eine Seefahrt giebt, großen Einfluß auf den Kriegsverlauf gehabt hat. Wie
würden wir lachen, wenn von England bei allen Mächten der Antrag gestellt
würde, im feindlichen Privatbesitz befindlicher Grund und Boden, Gebäude,
Schlösser, Dörfer u. s. w. dürfte» vou den kriegführenden Heeren unter keinen
Umständen besetzt werden! Darnach kann mau sich einen ungefähren Begriff
machen, wie die Engländer gelacht haben müssen, als sie lasen, daß schon zum
zweitenmale im deutschen Reichstage ganz ernsthaft der Antrag auf Unverletz¬
lichkeit des Privateigentums zur See gestellt worden ist.

Alles, was das Seewesen betrifft, ist dem Deutschen noch immer eine
ziemlich unklare Sache. Aus Prnchtwerken hat er einige, meist sehr oberfläch¬
liche Kentnisse von der Kriegsflotte, dem Kriegsschiffsdienst und der Einrich¬
tung der Küstenverteidignng gewonnen. Aber Torpedo und Torpedoboote,
diese beiden Begriffe verwechselt er schon sehr hänfig. Von der gesteigerten
Bedeutung des Krenzerkrieges weiß er sicher so gut wie nichts. Ähnlich steht
es mit seiner Kenntnis des Seerechts und der Seebräuche. Der Zweck des
Seekrieges ist doch offenbar die Niederlegung der feindlichen Seemacht im
vollsten Sinne des Worts. Dazu gehört aber die möglichste Schädigung der
feindlichen Handelsflotte. Warum? Weil die Handelsflotte dem Feindeslande
Zufuhr an Menschen (Schiffsbesatzung), Lebensmitteln, Kohlen u. s. w. bringt.
Bekanntlich wird auch der belagerten Festung vom Belagerer jede Zufuhr ab¬
geschnitten. Ist nun etwa ein von Feinden umgebnes, teilweise vielleicht schon
vom Feinde besetztes Land nicht in ähnlicher Lage?

Für den Einschluß einer Küste durch feindliche Scestreitkräfte, die soge-
nannte Blockade (deutsch würde man wohl besser „Blockung" sagen), sind am
grünen Tisch freilich eine Anzahl Bestimmungen ausgeklügelt worden, aber die
Machthaber haben sich je nach den Umständen darüber hinweggesetzt und werden
sich stets darüber hinwegsetzen, wenn es ihr Vorteil ist. So erklärte z.B.
Napoleon in dem Dekret vom 21. November 1806: I^s etroit as dio«M8, «leprös
ig, rui8on et l'uWAS as tems los xsuxlss xolicZW, n'v8t uxplioablv ein'loi
xlgoeii lortss, trug aber dabei, wie Perels bemerkt, selbst kein Bedenken, von
der Blockade einen so ausgedehnten Gebrauch zu machen, wie es nie zuvor
geschehen war.

Bei der wirksamen Blockade wird der ganze Schiffsverkehr — Einfuhr
und Ausfuhr — gehemmt. Wie bedenklich ein solcher Zustand für Deutsch¬
land im Falle eines europäischen Krieges sein würde, hat Kapitän Stenzel


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[0370] Der Schutz des Privateigentums zur See vorzukommen, als die körperliche. Wie wäre es sonst möglich, daß man immer wieder Versuche macht, dein Seekrieg eine seiner wirksamsten Waffen, das See¬ beuterecht, zu nehmen? Während auf der einen Seite durch die Technik die Seekriegsmittel auss äußerste verschärft werden, will man auf der andern durch Verträge die großen Seemächte zu bestimmen suchen, zu Gunsten derer, die zur See schwach sind, auf eine Kampfweise zu verzichten, die, so lange es eine Seefahrt giebt, großen Einfluß auf den Kriegsverlauf gehabt hat. Wie würden wir lachen, wenn von England bei allen Mächten der Antrag gestellt würde, im feindlichen Privatbesitz befindlicher Grund und Boden, Gebäude, Schlösser, Dörfer u. s. w. dürfte» vou den kriegführenden Heeren unter keinen Umständen besetzt werden! Darnach kann mau sich einen ungefähren Begriff machen, wie die Engländer gelacht haben müssen, als sie lasen, daß schon zum zweitenmale im deutschen Reichstage ganz ernsthaft der Antrag auf Unverletz¬ lichkeit des Privateigentums zur See gestellt worden ist. Alles, was das Seewesen betrifft, ist dem Deutschen noch immer eine ziemlich unklare Sache. Aus Prnchtwerken hat er einige, meist sehr oberfläch¬ liche Kentnisse von der Kriegsflotte, dem Kriegsschiffsdienst und der Einrich¬ tung der Küstenverteidignng gewonnen. Aber Torpedo und Torpedoboote, diese beiden Begriffe verwechselt er schon sehr hänfig. Von der gesteigerten Bedeutung des Krenzerkrieges weiß er sicher so gut wie nichts. Ähnlich steht es mit seiner Kenntnis des Seerechts und der Seebräuche. Der Zweck des Seekrieges ist doch offenbar die Niederlegung der feindlichen Seemacht im vollsten Sinne des Worts. Dazu gehört aber die möglichste Schädigung der feindlichen Handelsflotte. Warum? Weil die Handelsflotte dem Feindeslande Zufuhr an Menschen (Schiffsbesatzung), Lebensmitteln, Kohlen u. s. w. bringt. Bekanntlich wird auch der belagerten Festung vom Belagerer jede Zufuhr ab¬ geschnitten. Ist nun etwa ein von Feinden umgebnes, teilweise vielleicht schon vom Feinde besetztes Land nicht in ähnlicher Lage? Für den Einschluß einer Küste durch feindliche Scestreitkräfte, die soge- nannte Blockade (deutsch würde man wohl besser „Blockung" sagen), sind am grünen Tisch freilich eine Anzahl Bestimmungen ausgeklügelt worden, aber die Machthaber haben sich je nach den Umständen darüber hinweggesetzt und werden sich stets darüber hinwegsetzen, wenn es ihr Vorteil ist. So erklärte z.B. Napoleon in dem Dekret vom 21. November 1806: I^s etroit as dio«M8, «leprös ig, rui8on et l'uWAS as tems los xsuxlss xolicZW, n'v8t uxplioablv ein'loi xlgoeii lortss, trug aber dabei, wie Perels bemerkt, selbst kein Bedenken, von der Blockade einen so ausgedehnten Gebrauch zu machen, wie es nie zuvor geschehen war. Bei der wirksamen Blockade wird der ganze Schiffsverkehr — Einfuhr und Ausfuhr — gehemmt. Wie bedenklich ein solcher Zustand für Deutsch¬ land im Falle eines europäischen Krieges sein würde, hat Kapitän Stenzel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/370>, abgerufen am 20.09.2024.