Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.zu Kanal ein seine Mutter richtet: "Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?" Weizsäckers Sprache hat hie und da durch ihren modernen Klang Anstoß zu Kanal ein seine Mutter richtet: „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?" Weizsäckers Sprache hat hie und da durch ihren modernen Klang Anstoß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0324" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214116"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1114" prev="#ID_1113"> zu Kanal ein seine Mutter richtet: „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?"<lb/> verliert seine Härte, wenn Weizsäcker übersetzt: „Was willst du von mir, Frau?"<lb/> Doch scheint diese Milderung des Ausdrucks dem Texte x«5 s»/,<lb/> nicht ganz zu entsprechen. Das Wort des Pilatus: „Sehet, welch ein<lb/> Mensch!" » verliert bei Weizsäcker den Ausdruck des<lb/> Mitleids. Es lautet einsach: „Hier ist der Mensch." Der berühmte An¬<lb/> fang des Johannisevangeliums, über dem Goethe seinen Faust sinnen<lb/> laßt, lautet auch in der revidirten Luthcrbibel noch: „Im Anfang war das<lb/> Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dcis-<lb/> selbige war im Anfang bei Gott." Hier ist erstens der Satz: „Gott war das<lb/> Wort" dem Texte: i)v « ^»/«L nicht entsprechend, da Gott Prädikat,<lb/> nicht Subjekt ist, und zweitens erscheint der Satz: „dasselbige war im Anfang<lb/> bei Gott" als überflüssige Wiederholung. Weizsäcker übersetzt: „Im Anfang<lb/> war das Wort, und das Wort war bei Gott. Und das Wort war Gott,<lb/> solchergestalt war es im Anfang bei Gott." Der Taufbefehl Christi: „Gehet<lb/> hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters, des Sohnes<lb/> und des heiligen Geistes" u. s. w. lautet bei Weizsäcker: „Gehet hin und werdet<lb/> alle Völker, durch die Taufe auf den Namen" u. s. w. Die revidirte Bibel<lb/> übersetzt, allerdings nur in der Anmerkung: „Gehet hin. und machet zu Jüngern<lb/> </,«,9^'red)(s«?/c) alle Völker, indem ihr sie taufet" n. s. w. Diese Übersetzung ist<lb/> wohl vorzuziehen, der Ausdruck ..werben" ist nicht glücklich gewählt. Das<lb/> berühmte Kapitel von der Liebe (1. Kor. 13) schließt bei Luther mit den<lb/> Worten: ,,Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die<lb/> Liebe ist die größeste unter ihnen." Dem Zusammenhang nach wird aber die<lb/> Liebe im Gegensatz zu andern Gaben als etwas Dauerndes betrachtet, dieser<lb/> Gedanke tritt in Luthers Übersetzung nicht deutlich genug hervor. Weizsäcker<lb/> übersetzt daher: „Nun, bleibend ist Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei: die<lb/> Liebe aber ist das größte unter ihnen." Bei der vierten Bitte des Vater¬<lb/> unsers dagegen hat Weizsäcker auch in der neuen Auflage die gewöhnliche Auf¬<lb/> fassung beibehalten: „Unser nötiges Brot gieb und heute." Richtiger scheint<lb/> die von andern Auslegern vertretne Übersetzung: „Unser Brot für morgen<lb/> gieb uns heute." Dadurch wird das allerdings schwierige Wort e^/,"on5/.oc>- besser<lb/> erklärt, und das Wort „heute" erhält eine klare Beziehung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1115" next="#ID_1116"> Weizsäckers Sprache hat hie und da durch ihren modernen Klang Anstoß<lb/> erregt. Darin hat sich auch in der neuen Auflage nichts geändert. Der „Kom¬<lb/> mandant" des Tempels nimmt die Apostel gefangen; Johannes der Täufer<lb/> wird „verhaftet" und dann „geköpft"; Lukas schreibt an den „hochgeehrten"<lb/> Theophilus; der Vater des Publius liegt an Fieber und „Dysenterie" dar¬<lb/> nieder; Jcckvbus und Johannes sind die „Kameraden" des Simon, und Paulus<lb/> vergleicht sich im zweiten Brief an die Kvrinthier mit „den Extraaposteln"; die<lb/> Athener sind nach der Meinung des Paulus sehr „religiös"; dem Titus rät</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0324]
zu Kanal ein seine Mutter richtet: „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?"
verliert seine Härte, wenn Weizsäcker übersetzt: „Was willst du von mir, Frau?"
Doch scheint diese Milderung des Ausdrucks dem Texte x«5 s»/,
nicht ganz zu entsprechen. Das Wort des Pilatus: „Sehet, welch ein
Mensch!" » verliert bei Weizsäcker den Ausdruck des
Mitleids. Es lautet einsach: „Hier ist der Mensch." Der berühmte An¬
fang des Johannisevangeliums, über dem Goethe seinen Faust sinnen
laßt, lautet auch in der revidirten Luthcrbibel noch: „Im Anfang war das
Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dcis-
selbige war im Anfang bei Gott." Hier ist erstens der Satz: „Gott war das
Wort" dem Texte: i)v « ^»/«L nicht entsprechend, da Gott Prädikat,
nicht Subjekt ist, und zweitens erscheint der Satz: „dasselbige war im Anfang
bei Gott" als überflüssige Wiederholung. Weizsäcker übersetzt: „Im Anfang
war das Wort, und das Wort war bei Gott. Und das Wort war Gott,
solchergestalt war es im Anfang bei Gott." Der Taufbefehl Christi: „Gehet
hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters, des Sohnes
und des heiligen Geistes" u. s. w. lautet bei Weizsäcker: „Gehet hin und werdet
alle Völker, durch die Taufe auf den Namen" u. s. w. Die revidirte Bibel
übersetzt, allerdings nur in der Anmerkung: „Gehet hin. und machet zu Jüngern
</,«,9^'red)(s«?/c) alle Völker, indem ihr sie taufet" n. s. w. Diese Übersetzung ist
wohl vorzuziehen, der Ausdruck ..werben" ist nicht glücklich gewählt. Das
berühmte Kapitel von der Liebe (1. Kor. 13) schließt bei Luther mit den
Worten: ,,Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die
Liebe ist die größeste unter ihnen." Dem Zusammenhang nach wird aber die
Liebe im Gegensatz zu andern Gaben als etwas Dauerndes betrachtet, dieser
Gedanke tritt in Luthers Übersetzung nicht deutlich genug hervor. Weizsäcker
übersetzt daher: „Nun, bleibend ist Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei: die
Liebe aber ist das größte unter ihnen." Bei der vierten Bitte des Vater¬
unsers dagegen hat Weizsäcker auch in der neuen Auflage die gewöhnliche Auf¬
fassung beibehalten: „Unser nötiges Brot gieb und heute." Richtiger scheint
die von andern Auslegern vertretne Übersetzung: „Unser Brot für morgen
gieb uns heute." Dadurch wird das allerdings schwierige Wort e^/,"on5/.oc>- besser
erklärt, und das Wort „heute" erhält eine klare Beziehung.
Weizsäckers Sprache hat hie und da durch ihren modernen Klang Anstoß
erregt. Darin hat sich auch in der neuen Auflage nichts geändert. Der „Kom¬
mandant" des Tempels nimmt die Apostel gefangen; Johannes der Täufer
wird „verhaftet" und dann „geköpft"; Lukas schreibt an den „hochgeehrten"
Theophilus; der Vater des Publius liegt an Fieber und „Dysenterie" dar¬
nieder; Jcckvbus und Johannes sind die „Kameraden" des Simon, und Paulus
vergleicht sich im zweiten Brief an die Kvrinthier mit „den Extraaposteln"; die
Athener sind nach der Meinung des Paulus sehr „religiös"; dem Titus rät
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