Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.zeit, ihre Vorliebe für die "Miliz," ihre Abneigung gegen unsre militärische Er¬ Die Sozialdemokratie hat an der Vorlage zunächst ein sozialpolitisches Grenzboten I 1893 21
zeit, ihre Vorliebe für die „Miliz," ihre Abneigung gegen unsre militärische Er¬ Die Sozialdemokratie hat an der Vorlage zunächst ein sozialpolitisches Grenzboten I 1893 21
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zeit, ihre Vorliebe für die „Miliz," ihre Abneigung gegen unsre militärische Er¬
ziehung und das Verhältnis des Sozialismus zum Militarismus erörtert
haben, so hat das seinen guten Grund. Die Einzelheiten der Vorlage sind
der sozialdemokratischen Partei sehr gleichgültig. Was kümmern sie die vierten
Bataillone, was kümmert es sie, ob 50000 oder etwas mehr oder weniger
Soldaten und ob 60 Millionen Mark oder eine etwas größere oder kleinere
Summe bewilligt werden sollen! Die Sozialdemokratie interessirt sich «ur für
die Vorlage, soweit sie dadurch dem „Ziele," das ihr vorschwebt, näher kommt;
die eigentlichen militärische» Organisativnsfragen lassen sie kalt. Die vollen
Wirkungen der Vorlage werden erst nach etwa zwanzig Jahren eintreten, aber
die Sozialdemokratie zweifelt ja, ob nach dieser Zeit das ganze herrschende
System noch bestehen wird. Mögen sich die ehrbaren bürgerlichen Parteien
an dem Zankapfel, den ihnen die Negierung als Weihnachtsgeschenk hingeworfen
hat, verbeißen, der dritte steht im Hintergrunde lachend dabei. Ein Leitartikel
in der „Neuen Zeit," von einem vor nicht langer Zeit ins sozialistische Lager
übergegangnen Verfasser, bezeichnet die Lage in der Überschrift als den „Zank
um den Philister," und Bebel fängt seine Neichstagsrede damit an: „Ich habe
keine Veranlassung, im allgemeinen ans die sehr ausführlichen (!), aber sich
doch sehr in militärische Details verlaufenden Ausführungen (!) des Herrn Reichs¬
kanzlers, die wir soeben gehört haben, zu antworten," und erlaubt sich die
Bemerkung, daß er übrigens „die großen allgemeinen Gesichtspunkte" in
dieser Rede des Reichskanzlers vermißt habe.
Die Sozialdemokratie hat an der Vorlage zunächst ein sozialpolitisches
Interesse, das nach Bebel für „wirkliche Staatsmänner" obenan steht,
ein militärisches nur insofern, als dies mittelbar auch wieder eine sozial¬
politisches ist. Es müssen neue Geldmittel geschafft, neue Steuern auf¬
erlegt werden. Die Söhne und Enkel der Sieger von 1866 und 1870 sollen
wie diese mit ihrem Blut für die Aufrichtung, so mit ihrem Gut für die Er¬
haltung des geeinten Reichs Opfer bringen. Fortwährend wachsen die Staats¬
schulden Deutschlands und der übrigen europäischen Staaten, und den gemeinen
Mann muß geradezu schwindeln, wenn er in seiner Zeitung von den ungeheuern
Schuldsummen liest. Der Abgeordnete Fritzen vom Zentrum hat im Reichs¬
tage auf dieses Bvrgsystcm und seine Schattenseiten hingewiesen. Die Zahlen
werden einen niederschmetternder Eindruck machen auf deu, der sie liest, wie
auf den, der sie in deu Volksversammlungen aus dem Munde eines Redners
hört. Wer soll die neuen Steuer» tragen? das ist noch weit mehr die Frage,
als ob sie überhaupt getragen werden sollen. Diesmal hat man die Börse,
den Branntwein, das Bier ins Auge gefaßt. Bier und Branntwein sind all¬
gemeine Bedarfsgegenstände, deren Verteuerung auf diese oder jene Weise sehr
vielen, die des Bieres besonders dem Mittelstände und den ihm nahestehenden
Schichten, fühlbar werden würde. Wird nur das Bier verteuert, so nimmt
Grenzboten I 1893 21
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