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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Lin amerikanischer Sozialist

sieht, ist nicht frei. Der Mann, der, um nur das tierische Leben zu fristen,
zwölf Stunden des Tages arbeiten muß, ist nicht frei. Der von Sorgen er¬
füllte Mann ist nicht frei. Der Lohnarbeiter, der Schreiber, der jeden Tag
zur bestimmten Stunde seinem Herrn zur Verfügung stehen und seines Befehls
gewärtig fein muß, ist nicht frei." Das Wesentliche der Freiheit: Existenz¬
sicherheit, Muße und Unabhängigkeit 0vn der Willkür eines Brodherrn werde
erst der Sozialistenstaat bringen. Nicht minder unbegründet sei die Ansicht,
eine solche Einrichtung werde den einzelnen der Notwendigkeit persönlicher An¬
strengung überheben. "Ich überhebe einen nicht der Notwendigkeit, seine Beine
anzustrengen, wenn ich ihm eine Leiter reiche, ich überhebe den Lnudmann
nicht seiner Arbeitsmühe, wenn ich ihm einen Pflug liefere. Der Staat macht
die geistigen Kräfte des Knaben nicht überflüssig, wem? er ihm eine Schule,
Lehrer und Bücher darbietet. Unser Gemeinwesen will keinem die Notwendig¬
keit der Selbsthilfe abnehmen, sonder" nur jeden in die Möglichkeit versetzen,
sich selbst zu helfen."

Die Vorteile des Großbetriebes darzulegen, konnte sich Gronlund eigent¬
lich ersparen, da das von seinen Gegnern, den Kapitalisten, bereits ausreichend
besorgt worden ist und noch täglich besorgt wird. Die Schattenseiten über¬
sieht er, wie auch den Umstand, daß in der Landwirtschaft je nach der Be¬
schaffenheit des Bodens und nach der Art der zu erzielenden Früchte bald der
extensive, bald der intensive Großbetrieb, bald der mittlere, bald der Klein¬
betrieb (Spatenbau) angezeigt ist. Doch giebt ihm gerade bei uns in Deutsch¬
land der Gang der Entwicklung insofern Recht, als das stets sich steigernde
Gcldbedürfnis die Bauern zwingt, aus ihrer Vereinzelung herauszutreten, ihre
Unabhängigkeit teilweise zu opfern und sich durch Kredit-, Einkaufs-, Mol¬
kerei-, Stierhaltungsgenossenschaften dem genossenschaftlichen Großbetriebe mehr
und mehr zu nähern. Von irgend welchem Geschäftsrisiko kann, wie Gron¬
lund ausführt, bei der organisirten Produktion eines ganzen Volks keine Rede
sein. "Peter und Paul mögen bei ihren Unternehmungen Gefahr laufen, weil
die Kannibalen Hans und Jakob im Hinterhalt lauern, um sie bei der ersten
besten Gelegenheit aufzufressen, aber für die Produktion eines ganzen Volks
braucht es kein Risiko zu geben. Man beseitige die Geschäftsgeheimnisse der
Fabrikanten und Händler, man schließe die Börsen, diese Spielbuden, man
stelle auf dem Wege wissenschaftlicher Statistik Bedarf und Borrat in allen
Teilen des Landes fest, mit andern Worten, man Produzire planmäßig, und
Krisen werden unmöglich werden. Das Gemeinwesen wird zugleich die allge¬
meine Versicherungsgesellschaft fein." Wirkliche Überproduktion sei selbstver¬
ständlich so lange nicht vorhanden, als es noch einem einzigen Menschen an
Nahrung, Kleidung und Wohnung fehle. Erst durch die Durchführung solcher
Organisation, erst durch ein alles beherrschendes Zentralorgan könne die Ge¬
sellschaft das werden, was sie doch sein wolle, ein wirklicher Organismus, und


Lin amerikanischer Sozialist

sieht, ist nicht frei. Der Mann, der, um nur das tierische Leben zu fristen,
zwölf Stunden des Tages arbeiten muß, ist nicht frei. Der von Sorgen er¬
füllte Mann ist nicht frei. Der Lohnarbeiter, der Schreiber, der jeden Tag
zur bestimmten Stunde seinem Herrn zur Verfügung stehen und seines Befehls
gewärtig fein muß, ist nicht frei." Das Wesentliche der Freiheit: Existenz¬
sicherheit, Muße und Unabhängigkeit 0vn der Willkür eines Brodherrn werde
erst der Sozialistenstaat bringen. Nicht minder unbegründet sei die Ansicht,
eine solche Einrichtung werde den einzelnen der Notwendigkeit persönlicher An¬
strengung überheben. „Ich überhebe einen nicht der Notwendigkeit, seine Beine
anzustrengen, wenn ich ihm eine Leiter reiche, ich überhebe den Lnudmann
nicht seiner Arbeitsmühe, wenn ich ihm einen Pflug liefere. Der Staat macht
die geistigen Kräfte des Knaben nicht überflüssig, wem? er ihm eine Schule,
Lehrer und Bücher darbietet. Unser Gemeinwesen will keinem die Notwendig¬
keit der Selbsthilfe abnehmen, sonder» nur jeden in die Möglichkeit versetzen,
sich selbst zu helfen."

Die Vorteile des Großbetriebes darzulegen, konnte sich Gronlund eigent¬
lich ersparen, da das von seinen Gegnern, den Kapitalisten, bereits ausreichend
besorgt worden ist und noch täglich besorgt wird. Die Schattenseiten über¬
sieht er, wie auch den Umstand, daß in der Landwirtschaft je nach der Be¬
schaffenheit des Bodens und nach der Art der zu erzielenden Früchte bald der
extensive, bald der intensive Großbetrieb, bald der mittlere, bald der Klein¬
betrieb (Spatenbau) angezeigt ist. Doch giebt ihm gerade bei uns in Deutsch¬
land der Gang der Entwicklung insofern Recht, als das stets sich steigernde
Gcldbedürfnis die Bauern zwingt, aus ihrer Vereinzelung herauszutreten, ihre
Unabhängigkeit teilweise zu opfern und sich durch Kredit-, Einkaufs-, Mol¬
kerei-, Stierhaltungsgenossenschaften dem genossenschaftlichen Großbetriebe mehr
und mehr zu nähern. Von irgend welchem Geschäftsrisiko kann, wie Gron¬
lund ausführt, bei der organisirten Produktion eines ganzen Volks keine Rede
sein. „Peter und Paul mögen bei ihren Unternehmungen Gefahr laufen, weil
die Kannibalen Hans und Jakob im Hinterhalt lauern, um sie bei der ersten
besten Gelegenheit aufzufressen, aber für die Produktion eines ganzen Volks
braucht es kein Risiko zu geben. Man beseitige die Geschäftsgeheimnisse der
Fabrikanten und Händler, man schließe die Börsen, diese Spielbuden, man
stelle auf dem Wege wissenschaftlicher Statistik Bedarf und Borrat in allen
Teilen des Landes fest, mit andern Worten, man Produzire planmäßig, und
Krisen werden unmöglich werden. Das Gemeinwesen wird zugleich die allge¬
meine Versicherungsgesellschaft fein." Wirkliche Überproduktion sei selbstver¬
ständlich so lange nicht vorhanden, als es noch einem einzigen Menschen an
Nahrung, Kleidung und Wohnung fehle. Erst durch die Durchführung solcher
Organisation, erst durch ein alles beherrschendes Zentralorgan könne die Ge¬
sellschaft das werden, was sie doch sein wolle, ein wirklicher Organismus, und


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[0076] Lin amerikanischer Sozialist sieht, ist nicht frei. Der Mann, der, um nur das tierische Leben zu fristen, zwölf Stunden des Tages arbeiten muß, ist nicht frei. Der von Sorgen er¬ füllte Mann ist nicht frei. Der Lohnarbeiter, der Schreiber, der jeden Tag zur bestimmten Stunde seinem Herrn zur Verfügung stehen und seines Befehls gewärtig fein muß, ist nicht frei." Das Wesentliche der Freiheit: Existenz¬ sicherheit, Muße und Unabhängigkeit 0vn der Willkür eines Brodherrn werde erst der Sozialistenstaat bringen. Nicht minder unbegründet sei die Ansicht, eine solche Einrichtung werde den einzelnen der Notwendigkeit persönlicher An¬ strengung überheben. „Ich überhebe einen nicht der Notwendigkeit, seine Beine anzustrengen, wenn ich ihm eine Leiter reiche, ich überhebe den Lnudmann nicht seiner Arbeitsmühe, wenn ich ihm einen Pflug liefere. Der Staat macht die geistigen Kräfte des Knaben nicht überflüssig, wem? er ihm eine Schule, Lehrer und Bücher darbietet. Unser Gemeinwesen will keinem die Notwendig¬ keit der Selbsthilfe abnehmen, sonder» nur jeden in die Möglichkeit versetzen, sich selbst zu helfen." Die Vorteile des Großbetriebes darzulegen, konnte sich Gronlund eigent¬ lich ersparen, da das von seinen Gegnern, den Kapitalisten, bereits ausreichend besorgt worden ist und noch täglich besorgt wird. Die Schattenseiten über¬ sieht er, wie auch den Umstand, daß in der Landwirtschaft je nach der Be¬ schaffenheit des Bodens und nach der Art der zu erzielenden Früchte bald der extensive, bald der intensive Großbetrieb, bald der mittlere, bald der Klein¬ betrieb (Spatenbau) angezeigt ist. Doch giebt ihm gerade bei uns in Deutsch¬ land der Gang der Entwicklung insofern Recht, als das stets sich steigernde Gcldbedürfnis die Bauern zwingt, aus ihrer Vereinzelung herauszutreten, ihre Unabhängigkeit teilweise zu opfern und sich durch Kredit-, Einkaufs-, Mol¬ kerei-, Stierhaltungsgenossenschaften dem genossenschaftlichen Großbetriebe mehr und mehr zu nähern. Von irgend welchem Geschäftsrisiko kann, wie Gron¬ lund ausführt, bei der organisirten Produktion eines ganzen Volks keine Rede sein. „Peter und Paul mögen bei ihren Unternehmungen Gefahr laufen, weil die Kannibalen Hans und Jakob im Hinterhalt lauern, um sie bei der ersten besten Gelegenheit aufzufressen, aber für die Produktion eines ganzen Volks braucht es kein Risiko zu geben. Man beseitige die Geschäftsgeheimnisse der Fabrikanten und Händler, man schließe die Börsen, diese Spielbuden, man stelle auf dem Wege wissenschaftlicher Statistik Bedarf und Borrat in allen Teilen des Landes fest, mit andern Worten, man Produzire planmäßig, und Krisen werden unmöglich werden. Das Gemeinwesen wird zugleich die allge¬ meine Versicherungsgesellschaft fein." Wirkliche Überproduktion sei selbstver¬ ständlich so lange nicht vorhanden, als es noch einem einzigen Menschen an Nahrung, Kleidung und Wohnung fehle. Erst durch die Durchführung solcher Organisation, erst durch ein alles beherrschendes Zentralorgan könne die Ge¬ sellschaft das werden, was sie doch sein wolle, ein wirklicher Organismus, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/76>, abgerufen am 22.12.2024.