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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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es lag eine eigne Glückseligkeit darin, wenn man des kommenden Glückes so
sicher war wie Jakob.

Und das war ein rechtes Glück, denn die Zeit zog sich doch etwas in die
Länge, und es kam kein Bescheid für ihn. Die Knaben des Dorfes gingen an
ihm vorüber, einer nach dem andern, und alle hatten zu berichten, was ihnen
am Christabend aufgetischt werden würde.

Wir bekommen Kaffee mit Rosinenstollen! Was bekommst denn du? fragte
ein kleiner Junge in triumphirendem Tone, und doch gehörte er zu der nie¬
dersten Klasse des Dorfes, ungefähr zu derselben, zu der auch Jakob gehörte.

Was viel feineres, antwortete Jakob mit ruhigem Selbstgefühl und sah
ihm lächelnd nach, als er an ihm vorübersprang.

Speck und warme Kartoffeln und heute Weißbrot -- was sagst du dazu?
fragte der Nächste und sah noch triumphirender ans, denn er stand eine Stufe
höher.

Was viel feineres, antwortete Jakob, denn durch so wenig ließ er sich
nicht verblüffen.

Reisbrei und Schweinebraten und hinterher Apfelkuchen, kannst du dich
damit messen? murmelte der dritte und setzte eine wichtige Miene auf, deun
er gehörte zu der vornehmsten Klasse im Dorfe.

Was viel feineres, antwortete Jakob unerschttttert, denn er konnte es ja
heute getrost mit allen aufnehmen. Er sagte es in so überzeugenden Tone,
daß es den andern Jungen reizte und er höhnisch fragte: Was hat denn so
einer wie du groß zu erwarten?

Einen Augenblick wurde Jakob wirklich ein wenig verlegen, denn auf die
Frage war er nicht vorbereitet gewesen, und um die Wahrheit zu gestehen,
er war sich auch nicht so recht klar darüber, was für gute Dinge eigentlich
seiner harrten. Da er aber fühlte, daß es in seinen Verhältnissen nicht passend
sei, sich von jemand in Verlegenheit setzen zu lassen, so raffte er sich schnell
zusammen und sagte stolz: Gänsefett mit Butter!

Diese Antwort machte dem Jungen den Gamus. Er schlich beschämt
von bannen, und Jakob saß wieder allein da, voll seliger Erwartung, wenn
sich auch allmählich ein ganz klein wenig Ungeduld mit hineinmischte.

Denn noch immer kam kein Bescheid für ihn. Die Knaben ringsumher
verschwanden, denn der Tag ging zur Neige, und sie hatten nun zu Hanse
genug zu sehen. Aber statt der Knaben kam das, was er gestern in der Schule
gehört hatte, und besuchte Jakob und sprach so eigentümlich rührend zu ihm.
Er war ja schon acht Jahre alt und war schon über ein ganzes Jahr in die
Schule gegaugen, denn die Großmutter war eine erfahrene alte Frau, die ihm
sagte, daß er das Lernen nicht vernachlässigen solle, das sei das Wichtigste
ans dieser Welt. Und er selber war ein vernünftiger kleiner Junge, der gern
lernte und gut Acht gab. Und gestern hatte der Lehrer von der großen Freude
erzählt, die mit dem Weihnachtsabend auf die Erde herabgekommen sei.

Dunkelheit und Finsternis -- so hatte er erzählt -- herrschten auf der
Erde, und Sünde und Sorge wohnten in den Herzen der Menschen. Aber
Jesus ward geboren, und die Klarheit des Himmels umstrahlte die Hirte"
auf dem Felde, und die Engel kamen und verkündeten ihnen große Freude:
Gottes Sohn sei mit reichen Gaben vom Himmel herabgekommen, mit Trost
für die, die leiden müßten, mit Frieden und Frende für alle, die sich darnach
sehnten. So lautete der Gesang der Engel, der ewig tönen soll, und Gottes


es lag eine eigne Glückseligkeit darin, wenn man des kommenden Glückes so
sicher war wie Jakob.

Und das war ein rechtes Glück, denn die Zeit zog sich doch etwas in die
Länge, und es kam kein Bescheid für ihn. Die Knaben des Dorfes gingen an
ihm vorüber, einer nach dem andern, und alle hatten zu berichten, was ihnen
am Christabend aufgetischt werden würde.

Wir bekommen Kaffee mit Rosinenstollen! Was bekommst denn du? fragte
ein kleiner Junge in triumphirendem Tone, und doch gehörte er zu der nie¬
dersten Klasse des Dorfes, ungefähr zu derselben, zu der auch Jakob gehörte.

Was viel feineres, antwortete Jakob mit ruhigem Selbstgefühl und sah
ihm lächelnd nach, als er an ihm vorübersprang.

Speck und warme Kartoffeln und heute Weißbrot — was sagst du dazu?
fragte der Nächste und sah noch triumphirender ans, denn er stand eine Stufe
höher.

Was viel feineres, antwortete Jakob, denn durch so wenig ließ er sich
nicht verblüffen.

Reisbrei und Schweinebraten und hinterher Apfelkuchen, kannst du dich
damit messen? murmelte der dritte und setzte eine wichtige Miene auf, deun
er gehörte zu der vornehmsten Klasse im Dorfe.

Was viel feineres, antwortete Jakob unerschttttert, denn er konnte es ja
heute getrost mit allen aufnehmen. Er sagte es in so überzeugenden Tone,
daß es den andern Jungen reizte und er höhnisch fragte: Was hat denn so
einer wie du groß zu erwarten?

Einen Augenblick wurde Jakob wirklich ein wenig verlegen, denn auf die
Frage war er nicht vorbereitet gewesen, und um die Wahrheit zu gestehen,
er war sich auch nicht so recht klar darüber, was für gute Dinge eigentlich
seiner harrten. Da er aber fühlte, daß es in seinen Verhältnissen nicht passend
sei, sich von jemand in Verlegenheit setzen zu lassen, so raffte er sich schnell
zusammen und sagte stolz: Gänsefett mit Butter!

Diese Antwort machte dem Jungen den Gamus. Er schlich beschämt
von bannen, und Jakob saß wieder allein da, voll seliger Erwartung, wenn
sich auch allmählich ein ganz klein wenig Ungeduld mit hineinmischte.

Denn noch immer kam kein Bescheid für ihn. Die Knaben ringsumher
verschwanden, denn der Tag ging zur Neige, und sie hatten nun zu Hanse
genug zu sehen. Aber statt der Knaben kam das, was er gestern in der Schule
gehört hatte, und besuchte Jakob und sprach so eigentümlich rührend zu ihm.
Er war ja schon acht Jahre alt und war schon über ein ganzes Jahr in die
Schule gegaugen, denn die Großmutter war eine erfahrene alte Frau, die ihm
sagte, daß er das Lernen nicht vernachlässigen solle, das sei das Wichtigste
ans dieser Welt. Und er selber war ein vernünftiger kleiner Junge, der gern
lernte und gut Acht gab. Und gestern hatte der Lehrer von der großen Freude
erzählt, die mit dem Weihnachtsabend auf die Erde herabgekommen sei.

Dunkelheit und Finsternis — so hatte er erzählt — herrschten auf der
Erde, und Sünde und Sorge wohnten in den Herzen der Menschen. Aber
Jesus ward geboren, und die Klarheit des Himmels umstrahlte die Hirte»
auf dem Felde, und die Engel kamen und verkündeten ihnen große Freude:
Gottes Sohn sei mit reichen Gaben vom Himmel herabgekommen, mit Trost
für die, die leiden müßten, mit Frieden und Frende für alle, die sich darnach
sehnten. So lautete der Gesang der Engel, der ewig tönen soll, und Gottes


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[0658] es lag eine eigne Glückseligkeit darin, wenn man des kommenden Glückes so sicher war wie Jakob. Und das war ein rechtes Glück, denn die Zeit zog sich doch etwas in die Länge, und es kam kein Bescheid für ihn. Die Knaben des Dorfes gingen an ihm vorüber, einer nach dem andern, und alle hatten zu berichten, was ihnen am Christabend aufgetischt werden würde. Wir bekommen Kaffee mit Rosinenstollen! Was bekommst denn du? fragte ein kleiner Junge in triumphirendem Tone, und doch gehörte er zu der nie¬ dersten Klasse des Dorfes, ungefähr zu derselben, zu der auch Jakob gehörte. Was viel feineres, antwortete Jakob mit ruhigem Selbstgefühl und sah ihm lächelnd nach, als er an ihm vorübersprang. Speck und warme Kartoffeln und heute Weißbrot — was sagst du dazu? fragte der Nächste und sah noch triumphirender ans, denn er stand eine Stufe höher. Was viel feineres, antwortete Jakob, denn durch so wenig ließ er sich nicht verblüffen. Reisbrei und Schweinebraten und hinterher Apfelkuchen, kannst du dich damit messen? murmelte der dritte und setzte eine wichtige Miene auf, deun er gehörte zu der vornehmsten Klasse im Dorfe. Was viel feineres, antwortete Jakob unerschttttert, denn er konnte es ja heute getrost mit allen aufnehmen. Er sagte es in so überzeugenden Tone, daß es den andern Jungen reizte und er höhnisch fragte: Was hat denn so einer wie du groß zu erwarten? Einen Augenblick wurde Jakob wirklich ein wenig verlegen, denn auf die Frage war er nicht vorbereitet gewesen, und um die Wahrheit zu gestehen, er war sich auch nicht so recht klar darüber, was für gute Dinge eigentlich seiner harrten. Da er aber fühlte, daß es in seinen Verhältnissen nicht passend sei, sich von jemand in Verlegenheit setzen zu lassen, so raffte er sich schnell zusammen und sagte stolz: Gänsefett mit Butter! Diese Antwort machte dem Jungen den Gamus. Er schlich beschämt von bannen, und Jakob saß wieder allein da, voll seliger Erwartung, wenn sich auch allmählich ein ganz klein wenig Ungeduld mit hineinmischte. Denn noch immer kam kein Bescheid für ihn. Die Knaben ringsumher verschwanden, denn der Tag ging zur Neige, und sie hatten nun zu Hanse genug zu sehen. Aber statt der Knaben kam das, was er gestern in der Schule gehört hatte, und besuchte Jakob und sprach so eigentümlich rührend zu ihm. Er war ja schon acht Jahre alt und war schon über ein ganzes Jahr in die Schule gegaugen, denn die Großmutter war eine erfahrene alte Frau, die ihm sagte, daß er das Lernen nicht vernachlässigen solle, das sei das Wichtigste ans dieser Welt. Und er selber war ein vernünftiger kleiner Junge, der gern lernte und gut Acht gab. Und gestern hatte der Lehrer von der großen Freude erzählt, die mit dem Weihnachtsabend auf die Erde herabgekommen sei. Dunkelheit und Finsternis — so hatte er erzählt — herrschten auf der Erde, und Sünde und Sorge wohnten in den Herzen der Menschen. Aber Jesus ward geboren, und die Klarheit des Himmels umstrahlte die Hirte» auf dem Felde, und die Engel kamen und verkündeten ihnen große Freude: Gottes Sohn sei mit reichen Gaben vom Himmel herabgekommen, mit Trost für die, die leiden müßten, mit Frieden und Frende für alle, die sich darnach sehnten. So lautete der Gesang der Engel, der ewig tönen soll, und Gottes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/658>, abgerufen am 22.12.2024.