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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Der Prozeß gegen Ahlwardt

Am vierten Bcrhandlungstcige erklärt der Vors.- Es gehn viele anonyme
Briefe für und gegen Ahlwardt bei mir ein, die auch Beleidigungen und Anschul¬
digungen gegen mich, als Leiter dieser Verhandlung, enthalten. Ich verachte die
feigen Subjekte, die nicht den Mut habe", ihr Geschreibsel mit ihrem Namen zu
vertreten. Es ist weit unter meiner Würde, derartige Dinge weiter zu beachten.

Gehörte das zur Verhandlung? War es nötig, daß sich der Vorsitzende
durch Bezeichnung der Schreiber als "feiger Subjekte" fiir ihr "Geschreibsel"
abfand? Er würde seiner Verachtung durch Stillschweigen einen viel wür¬
digern Ausdruck gegeben haben.

Am fünften Tage wiederholt der Vorsitzende die Vorwürfe gegen die "feigen
Subjekte," die anonyme Briefe an ihn schrieben, und liest mehrere solcher Briefe
vor. Er erwähnt auch einen Brief, worin gesagt wird, daß Ahlwardt selbst
jüdischer Herkunft sei, und daß die Mutter -- ,,doch ich will die abscheulichen
Sachen hier lieber nicht weiter erörtern. Ich habe ja schou gesagt, es wird uoch
so weit kommen, daß man Herrn Ahlwardt selbst für einen Juden erklärt."

Hier benutzt der Vorsitzende die durch die Briefe gebotene Gelegenheit,
Kränkungen gegen Ahlwardt auszusprechen. Besonders peinlich berührt es,
das; er auch der Mutter Ahlwardts erwähnt und dann plötzlich abbricht, um
die Abscheulichkeiten nicht zu erörtern. Natürlich kann sich nun jeder dazu
denken, was er will.

Angeklagter legt mehrere Papiere vor, aus denen sich die Wahrheit seiner
Behauptungen, und daß sich die militärischen Sachverständigen irren, ergeben soll.
"Ich thue es nicht gerne, aus Achtung vor dem preußischen Offizierslande, mit
Rücksicht auf die Militärvvrlcige und aus dem mir innewohnenden Patriotismus."
Nachdem er aber vernommen habe, daß gestern auf dem Korridor gesagt worden
sei: ,,Da haben wir ja die anlisemische Kanaille," habe er sich dazu ent¬
schlossen. -- Vors.: Unterlasse" Sie ein für alle mal Ihre Versicherung der Hoch¬
achtung vor dem Militär und Ihres Patriotismus. Es wird eine ganze Anzahl
von Personen geben, die nach Ihrem öffentlichen Auftreten Zweifel an Ihrem
Patriotismus haben, wenn sie daran denken. daß Sie die Beamtenschaft, das Mi¬
litär und alles, was im preußischen Staate Obrigkeit ist, in gröbster und unnatür¬
lichster Weise angreifen. Ob Sie sich für einen großen Patrioten halten, ist uns
außerordentlich gleichartig. Wenn Sie sich aber unterfangen sollten, hier die Treue
und den Patriotismus der Militärbehörden anzuzweifeln, so werde ich das unter
keinen Umständen dulden.

Daß es viele giebt, die Ahlwardt jeden Patriotismus absprechen, ist un¬
zweifelhaft. Es giebt aber auch solche, die glauben, daß er aus durchaus
patriotischer Gesinnung gehandelt habe. Später vernommene Zeugen haben
das ausdrücklich als ihre Überzeugung bekundet. Mit welchem Rechte konnte
nun der Vorsitzende hierüber kurzer Hand entscheiden und nicht allein dem An¬
geklagten jeden Patriotismus in schroffer und höhnischer Weise absprechen,
sondern ihm auch verbieten, von feinern Patriotismus zu rede"? Auch wenn
man annimmt, daß der Patriotismus, den Ahlwardt besitzt, jedenfalls nach
der Art seiner Bethätigung eine Verirrung sei, so ändert das nichts an der
Sache.


Der Prozeß gegen Ahlwardt

Am vierten Bcrhandlungstcige erklärt der Vors.- Es gehn viele anonyme
Briefe für und gegen Ahlwardt bei mir ein, die auch Beleidigungen und Anschul¬
digungen gegen mich, als Leiter dieser Verhandlung, enthalten. Ich verachte die
feigen Subjekte, die nicht den Mut habe», ihr Geschreibsel mit ihrem Namen zu
vertreten. Es ist weit unter meiner Würde, derartige Dinge weiter zu beachten.

Gehörte das zur Verhandlung? War es nötig, daß sich der Vorsitzende
durch Bezeichnung der Schreiber als „feiger Subjekte" fiir ihr „Geschreibsel"
abfand? Er würde seiner Verachtung durch Stillschweigen einen viel wür¬
digern Ausdruck gegeben haben.

Am fünften Tage wiederholt der Vorsitzende die Vorwürfe gegen die „feigen
Subjekte," die anonyme Briefe an ihn schrieben, und liest mehrere solcher Briefe
vor. Er erwähnt auch einen Brief, worin gesagt wird, daß Ahlwardt selbst
jüdischer Herkunft sei, und daß die Mutter — ,,doch ich will die abscheulichen
Sachen hier lieber nicht weiter erörtern. Ich habe ja schou gesagt, es wird uoch
so weit kommen, daß man Herrn Ahlwardt selbst für einen Juden erklärt."

Hier benutzt der Vorsitzende die durch die Briefe gebotene Gelegenheit,
Kränkungen gegen Ahlwardt auszusprechen. Besonders peinlich berührt es,
das; er auch der Mutter Ahlwardts erwähnt und dann plötzlich abbricht, um
die Abscheulichkeiten nicht zu erörtern. Natürlich kann sich nun jeder dazu
denken, was er will.

Angeklagter legt mehrere Papiere vor, aus denen sich die Wahrheit seiner
Behauptungen, und daß sich die militärischen Sachverständigen irren, ergeben soll.
„Ich thue es nicht gerne, aus Achtung vor dem preußischen Offizierslande, mit
Rücksicht auf die Militärvvrlcige und aus dem mir innewohnenden Patriotismus."
Nachdem er aber vernommen habe, daß gestern auf dem Korridor gesagt worden
sei: ,,Da haben wir ja die anlisemische Kanaille," habe er sich dazu ent¬
schlossen. — Vors.: Unterlasse» Sie ein für alle mal Ihre Versicherung der Hoch¬
achtung vor dem Militär und Ihres Patriotismus. Es wird eine ganze Anzahl
von Personen geben, die nach Ihrem öffentlichen Auftreten Zweifel an Ihrem
Patriotismus haben, wenn sie daran denken. daß Sie die Beamtenschaft, das Mi¬
litär und alles, was im preußischen Staate Obrigkeit ist, in gröbster und unnatür¬
lichster Weise angreifen. Ob Sie sich für einen großen Patrioten halten, ist uns
außerordentlich gleichartig. Wenn Sie sich aber unterfangen sollten, hier die Treue
und den Patriotismus der Militärbehörden anzuzweifeln, so werde ich das unter
keinen Umständen dulden.

Daß es viele giebt, die Ahlwardt jeden Patriotismus absprechen, ist un¬
zweifelhaft. Es giebt aber auch solche, die glauben, daß er aus durchaus
patriotischer Gesinnung gehandelt habe. Später vernommene Zeugen haben
das ausdrücklich als ihre Überzeugung bekundet. Mit welchem Rechte konnte
nun der Vorsitzende hierüber kurzer Hand entscheiden und nicht allein dem An¬
geklagten jeden Patriotismus in schroffer und höhnischer Weise absprechen,
sondern ihm auch verbieten, von feinern Patriotismus zu rede»? Auch wenn
man annimmt, daß der Patriotismus, den Ahlwardt besitzt, jedenfalls nach
der Art seiner Bethätigung eine Verirrung sei, so ändert das nichts an der
Sache.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/622>, abgerufen am 23.12.2024.