Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der langweilige Kammerherr

warm ums Herz. Abers auf meinen Herrn mußte ich auch passen, der mit
ein Berg andre Herrschaften um mir herum saß. Da waren hübsche Mädgens
bei mit swarzen Angers und weißen Zahnens; abers mein Junker kuckte nich
einmal nach sie. Er sah ümmer nach das blaue Boot mit die goldnen Liljen
in die Flagge, und ich ärgerte mir über sein blasses Gesicht und ruderte weit
fort von die hohen Herrschaftens.

Nu fingen ein paar von die jungen Leute an zu singen, die Herrens
sprühten die Damens mit Wasser, alle lachten, und da war viel Spaß. Es
war ein prachvolles Fest, meinten sie alle, bloß mein Junker sagte kein Wort.

Ans Kommando von einen von die Herrens ruderten wir nu nach die
Seite von See, wo der Mondenschein nich hinkam, und wo es ganz kohlswarz
dunkel war. Da sollten unsre bunten Laternens brennen. Abers da kam ein
Windstoß und pustete die meisten aus, worüber alle Herrschaftens lachten und
spektakelten. nassem kam es mich vor, als hörte ich son sonderbaren Schrei
von Sloßgarten her, und mein Junker fuhr auch in die Höchte und kuckte
sich um. Da abers zog ihn ein von die Damens wieder auf die Bank und
lachte über ihm, weil daß er son schreckhafte Natur hätt. Die Herrens wurden
dreist gegen die kleinen Fräuleins mit die swarzen Angers, und die lachten
zu allens. Mich kam es vor, als könnt die ganze Gesellschaft ihr Lebtag nich
wieder aus" Lachen kommen.

Es dauerte "ich lange, und wir ruderten all wieder ans Land. Ein Boot
nachu andern legt an die Brücke, und ein paar Dieners stehen da mit Wind¬
lichtern. Da kommt der alte französche Herzog auf uns zugelaufen. Das Wasser
läuft ihn an sein goldgestickten Sammtrock hinunter, und er kann nich sprechen.
Nur die Arme hebt er hoch, und denn stößt er ein Schrei aus, daß ich das
Zittern krieg. Und die Herrschaftens woll auch; denn mit einmal lachen sie
nich mehr und werden still, totenstill, bis ein paar anfangen zu beten und
auf die Knieens zu fallen.

Ich hatt kaum Zeit, mir umzusehn und zu merken, daß das blaue
Boot halb umgesmissen ins flache Wasser lag, und daß viele Fußtritte in den
Sand waren, da faßte mir mein Herr an den Hals. Es hatt woll dasselbigte
gesehen wie ich, und nu zog er mich hinter sich her durch deu dunkeln Wald,
wo man kein Handbreit vor Augen sehen konnt, über die Plätzens, wo der
Mond hell schien, und an all die weißen Puppens vorbei bis aus die Land¬
straße. Wie er in die Stockfiusterheit so deu Weg gefunden hat, kaun ich noch
heutigen Tags nich begreifen; er fand ihn abers, und die andern Herrschaftens
blieben stockstill an Wasserrand stehen und mochten kein Fuß vor den andern
setzen. Mein Herr lief durch die Banners und noch ein Strecke auf die Asche¬
berger Landstraße, daun stand er mit einmal still und ließ mir los. Deal er
hatte mir mitgesleift, ob ich wollt oder nich!

Detlev Marksen war aufgestanden und ging einige mal im Zimmer auf


Der langweilige Kammerherr

warm ums Herz. Abers auf meinen Herrn mußte ich auch passen, der mit
ein Berg andre Herrschaften um mir herum saß. Da waren hübsche Mädgens
bei mit swarzen Angers und weißen Zahnens; abers mein Junker kuckte nich
einmal nach sie. Er sah ümmer nach das blaue Boot mit die goldnen Liljen
in die Flagge, und ich ärgerte mir über sein blasses Gesicht und ruderte weit
fort von die hohen Herrschaftens.

Nu fingen ein paar von die jungen Leute an zu singen, die Herrens
sprühten die Damens mit Wasser, alle lachten, und da war viel Spaß. Es
war ein prachvolles Fest, meinten sie alle, bloß mein Junker sagte kein Wort.

Ans Kommando von einen von die Herrens ruderten wir nu nach die
Seite von See, wo der Mondenschein nich hinkam, und wo es ganz kohlswarz
dunkel war. Da sollten unsre bunten Laternens brennen. Abers da kam ein
Windstoß und pustete die meisten aus, worüber alle Herrschaftens lachten und
spektakelten. nassem kam es mich vor, als hörte ich son sonderbaren Schrei
von Sloßgarten her, und mein Junker fuhr auch in die Höchte und kuckte
sich um. Da abers zog ihn ein von die Damens wieder auf die Bank und
lachte über ihm, weil daß er son schreckhafte Natur hätt. Die Herrens wurden
dreist gegen die kleinen Fräuleins mit die swarzen Angers, und die lachten
zu allens. Mich kam es vor, als könnt die ganze Gesellschaft ihr Lebtag nich
wieder aus» Lachen kommen.

Es dauerte »ich lange, und wir ruderten all wieder ans Land. Ein Boot
nachu andern legt an die Brücke, und ein paar Dieners stehen da mit Wind¬
lichtern. Da kommt der alte französche Herzog auf uns zugelaufen. Das Wasser
läuft ihn an sein goldgestickten Sammtrock hinunter, und er kann nich sprechen.
Nur die Arme hebt er hoch, und denn stößt er ein Schrei aus, daß ich das
Zittern krieg. Und die Herrschaftens woll auch; denn mit einmal lachen sie
nich mehr und werden still, totenstill, bis ein paar anfangen zu beten und
auf die Knieens zu fallen.

Ich hatt kaum Zeit, mir umzusehn und zu merken, daß das blaue
Boot halb umgesmissen ins flache Wasser lag, und daß viele Fußtritte in den
Sand waren, da faßte mir mein Herr an den Hals. Es hatt woll dasselbigte
gesehen wie ich, und nu zog er mich hinter sich her durch deu dunkeln Wald,
wo man kein Handbreit vor Augen sehen konnt, über die Plätzens, wo der
Mond hell schien, und an all die weißen Puppens vorbei bis aus die Land¬
straße. Wie er in die Stockfiusterheit so deu Weg gefunden hat, kaun ich noch
heutigen Tags nich begreifen; er fand ihn abers, und die andern Herrschaftens
blieben stockstill an Wasserrand stehen und mochten kein Fuß vor den andern
setzen. Mein Herr lief durch die Banners und noch ein Strecke auf die Asche¬
berger Landstraße, daun stand er mit einmal still und ließ mir los. Deal er
hatte mir mitgesleift, ob ich wollt oder nich!

Detlev Marksen war aufgestanden und ging einige mal im Zimmer auf


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0602" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213716"/>
          <fw type="header" place="top"> Der langweilige Kammerherr</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1873" prev="#ID_1872"> warm ums Herz. Abers auf meinen Herrn mußte ich auch passen, der mit<lb/>
ein Berg andre Herrschaften um mir herum saß. Da waren hübsche Mädgens<lb/>
bei mit swarzen Angers und weißen Zahnens; abers mein Junker kuckte nich<lb/>
einmal nach sie. Er sah ümmer nach das blaue Boot mit die goldnen Liljen<lb/>
in die Flagge, und ich ärgerte mir über sein blasses Gesicht und ruderte weit<lb/>
fort von die hohen Herrschaftens.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1874"> Nu fingen ein paar von die jungen Leute an zu singen, die Herrens<lb/>
sprühten die Damens mit Wasser, alle lachten, und da war viel Spaß. Es<lb/>
war ein prachvolles Fest, meinten sie alle, bloß mein Junker sagte kein Wort.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1875"> Ans Kommando von einen von die Herrens ruderten wir nu nach die<lb/>
Seite von See, wo der Mondenschein nich hinkam, und wo es ganz kohlswarz<lb/>
dunkel war. Da sollten unsre bunten Laternens brennen. Abers da kam ein<lb/>
Windstoß und pustete die meisten aus, worüber alle Herrschaftens lachten und<lb/>
spektakelten. nassem kam es mich vor, als hörte ich son sonderbaren Schrei<lb/>
von Sloßgarten her, und mein Junker fuhr auch in die Höchte und kuckte<lb/>
sich um. Da abers zog ihn ein von die Damens wieder auf die Bank und<lb/>
lachte über ihm, weil daß er son schreckhafte Natur hätt. Die Herrens wurden<lb/>
dreist gegen die kleinen Fräuleins mit die swarzen Angers, und die lachten<lb/>
zu allens. Mich kam es vor, als könnt die ganze Gesellschaft ihr Lebtag nich<lb/>
wieder aus» Lachen kommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1876"> Es dauerte »ich lange, und wir ruderten all wieder ans Land. Ein Boot<lb/>
nachu andern legt an die Brücke, und ein paar Dieners stehen da mit Wind¬<lb/>
lichtern. Da kommt der alte französche Herzog auf uns zugelaufen. Das Wasser<lb/>
läuft ihn an sein goldgestickten Sammtrock hinunter, und er kann nich sprechen.<lb/>
Nur die Arme hebt er hoch, und denn stößt er ein Schrei aus, daß ich das<lb/>
Zittern krieg. Und die Herrschaftens woll auch; denn mit einmal lachen sie<lb/>
nich mehr und werden still, totenstill, bis ein paar anfangen zu beten und<lb/>
auf die Knieens zu fallen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1877"> Ich hatt kaum Zeit, mir umzusehn und zu merken, daß das blaue<lb/>
Boot halb umgesmissen ins flache Wasser lag, und daß viele Fußtritte in den<lb/>
Sand waren, da faßte mir mein Herr an den Hals. Es hatt woll dasselbigte<lb/>
gesehen wie ich, und nu zog er mich hinter sich her durch deu dunkeln Wald,<lb/>
wo man kein Handbreit vor Augen sehen konnt, über die Plätzens, wo der<lb/>
Mond hell schien, und an all die weißen Puppens vorbei bis aus die Land¬<lb/>
straße. Wie er in die Stockfiusterheit so deu Weg gefunden hat, kaun ich noch<lb/>
heutigen Tags nich begreifen; er fand ihn abers, und die andern Herrschaftens<lb/>
blieben stockstill an Wasserrand stehen und mochten kein Fuß vor den andern<lb/>
setzen. Mein Herr lief durch die Banners und noch ein Strecke auf die Asche¬<lb/>
berger Landstraße, daun stand er mit einmal still und ließ mir los. Deal er<lb/>
hatte mir mitgesleift, ob ich wollt oder nich!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1878" next="#ID_1879"> Detlev Marksen war aufgestanden und ging einige mal im Zimmer auf</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0602] Der langweilige Kammerherr warm ums Herz. Abers auf meinen Herrn mußte ich auch passen, der mit ein Berg andre Herrschaften um mir herum saß. Da waren hübsche Mädgens bei mit swarzen Angers und weißen Zahnens; abers mein Junker kuckte nich einmal nach sie. Er sah ümmer nach das blaue Boot mit die goldnen Liljen in die Flagge, und ich ärgerte mir über sein blasses Gesicht und ruderte weit fort von die hohen Herrschaftens. Nu fingen ein paar von die jungen Leute an zu singen, die Herrens sprühten die Damens mit Wasser, alle lachten, und da war viel Spaß. Es war ein prachvolles Fest, meinten sie alle, bloß mein Junker sagte kein Wort. Ans Kommando von einen von die Herrens ruderten wir nu nach die Seite von See, wo der Mondenschein nich hinkam, und wo es ganz kohlswarz dunkel war. Da sollten unsre bunten Laternens brennen. Abers da kam ein Windstoß und pustete die meisten aus, worüber alle Herrschaftens lachten und spektakelten. nassem kam es mich vor, als hörte ich son sonderbaren Schrei von Sloßgarten her, und mein Junker fuhr auch in die Höchte und kuckte sich um. Da abers zog ihn ein von die Damens wieder auf die Bank und lachte über ihm, weil daß er son schreckhafte Natur hätt. Die Herrens wurden dreist gegen die kleinen Fräuleins mit die swarzen Angers, und die lachten zu allens. Mich kam es vor, als könnt die ganze Gesellschaft ihr Lebtag nich wieder aus» Lachen kommen. Es dauerte »ich lange, und wir ruderten all wieder ans Land. Ein Boot nachu andern legt an die Brücke, und ein paar Dieners stehen da mit Wind¬ lichtern. Da kommt der alte französche Herzog auf uns zugelaufen. Das Wasser läuft ihn an sein goldgestickten Sammtrock hinunter, und er kann nich sprechen. Nur die Arme hebt er hoch, und denn stößt er ein Schrei aus, daß ich das Zittern krieg. Und die Herrschaftens woll auch; denn mit einmal lachen sie nich mehr und werden still, totenstill, bis ein paar anfangen zu beten und auf die Knieens zu fallen. Ich hatt kaum Zeit, mir umzusehn und zu merken, daß das blaue Boot halb umgesmissen ins flache Wasser lag, und daß viele Fußtritte in den Sand waren, da faßte mir mein Herr an den Hals. Es hatt woll dasselbigte gesehen wie ich, und nu zog er mich hinter sich her durch deu dunkeln Wald, wo man kein Handbreit vor Augen sehen konnt, über die Plätzens, wo der Mond hell schien, und an all die weißen Puppens vorbei bis aus die Land¬ straße. Wie er in die Stockfiusterheit so deu Weg gefunden hat, kaun ich noch heutigen Tags nich begreifen; er fand ihn abers, und die andern Herrschaftens blieben stockstill an Wasserrand stehen und mochten kein Fuß vor den andern setzen. Mein Herr lief durch die Banners und noch ein Strecke auf die Asche¬ berger Landstraße, daun stand er mit einmal still und ließ mir los. Deal er hatte mir mitgesleift, ob ich wollt oder nich! Detlev Marksen war aufgestanden und ging einige mal im Zimmer auf

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/602
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/602>, abgerufen am 22.12.2024.