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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Der langweilige Rammerherv

Denselbigten Abend habe ich meinen Junker sehr verändert gefunden, er hat
kein Wort mit mich gesuackt, was er sonstens doch immer that, und is ganz
komisch gewesen. Sonstens hat er ein klein Portrütt von die Komteß vor
sein Bett gelegt und noch einmal geküßt, diesen Abend dachte er garnich an
ihr. Mich war die Geschichte ja einerlei; abers ich fragte doch, ob ich nich
das Bild aufn Mantelsack kriegen sollt. Da nickte er denn auch, hat es abers
nich einmal angesehn. Weil ich mich un aus sein Benehmen kein Vers machen
kommt, hab ich auch nich weiter drüber nachgedacht. Denn mein Vater sein
Soester, was mein Tante war, die hat all ümmer gesagt, von Nachdenken
kriegte man nix als Koppsinerzen, und das is auch wahr.

Den andern Morgen ging ich ein büschen in Plön spazieren. Ich hatt
da ein Vetter, der war Slachter und wohnt aufn Strohberg, und ich wollt
ihm gerade besuchen, da begegnet mich Herr Rosenstein. O herrjes, Detlev,
sagt er, wo kommt ihr denn her? und that bannig verwundert, mir zu sehen,
obgleich ich mir doch mehr wundern konnte über ihm. Denn das is doch ein
ganze Pottschvn weiter von Hamburg nach Plon, als von Eutin nach Plön.
Weil er sich nu abers so grasig freute, mir zu sehen, und mir auch gleich
auf ne halbe Flasche Wein einlud, so dacht ich nich viel über sein Verwun¬
derung nach und ging mit ihn in ein klein stille Weinstube. Da gab es einen
Prachtvollen Wein, wie ich ihm noch niemals gesmeckt hatt, und als un Rosen¬
stein von die französche Prinzessin snackt und sagt, daß er ihr so lieb hätt
und ihren Brüutgam auch, und daß er die beiden Herrschaften woll beschützen
möcht, daß ihnen nix passirt, da werd ich denn ganz gerührt. Und wie ich
merk, daß Rosenstein noch gnrnich genau weiß, wo das Brautpaar is, ob in
Kiel, oder in Rendsburg, oder in Plön, da sag ich ihm natürlicherweise Be¬
scheid: daß sie hier sind und daß sie auch fürs erste bleiben, und daß wir
alle auf ihnen passen sollen. Und Rosenstein freut sich ganz fürchterlich, daß
die Herrschaften so gut aufgehoben sind, und giebt mich Geld für mein Junker,
damit er noch einen Brief an ihn schreiben sollt, wenn da irgend was Beson¬
deres los wär, denn, sagt er, ich will den beiden herrlichen Menschen doch
much zu ihrem Glück verhelfen!

Das klang nu wirklich schön, und wie ich von ihn fortging und so viel
Wein getrunken hatt, daß ich ordentlich ein büschen swindlig war, da dacht
ich noch, daß Rosenstein wirklich ein netten Menschen wär. Das Geld gab
'es an mein Kammerjunker, und er nahm es auch, abers bloß aus Gewohn¬
heit, und weil er an nix dachte. Denn wie ich nu weiter von Rosenstein
snacken will, sagt er, ich sollt stillsweigen, er wollt woll die Prinzessin ganz
"klein beschützen'.

Mit jeden Tag ward nun mein Herr komischer, gerade so, als wenn er
"ich so recht wach würd und ümmer in steif ging. Er aß ein büschen, er
Machte und sprach mit die Herrschafteus, legt sich slafen und stand wieder auf,


Der langweilige Rammerherv

Denselbigten Abend habe ich meinen Junker sehr verändert gefunden, er hat
kein Wort mit mich gesuackt, was er sonstens doch immer that, und is ganz
komisch gewesen. Sonstens hat er ein klein Portrütt von die Komteß vor
sein Bett gelegt und noch einmal geküßt, diesen Abend dachte er garnich an
ihr. Mich war die Geschichte ja einerlei; abers ich fragte doch, ob ich nich
das Bild aufn Mantelsack kriegen sollt. Da nickte er denn auch, hat es abers
nich einmal angesehn. Weil ich mich un aus sein Benehmen kein Vers machen
kommt, hab ich auch nich weiter drüber nachgedacht. Denn mein Vater sein
Soester, was mein Tante war, die hat all ümmer gesagt, von Nachdenken
kriegte man nix als Koppsinerzen, und das is auch wahr.

Den andern Morgen ging ich ein büschen in Plön spazieren. Ich hatt
da ein Vetter, der war Slachter und wohnt aufn Strohberg, und ich wollt
ihm gerade besuchen, da begegnet mich Herr Rosenstein. O herrjes, Detlev,
sagt er, wo kommt ihr denn her? und that bannig verwundert, mir zu sehen,
obgleich ich mir doch mehr wundern konnte über ihm. Denn das is doch ein
ganze Pottschvn weiter von Hamburg nach Plon, als von Eutin nach Plön.
Weil er sich nu abers so grasig freute, mir zu sehen, und mir auch gleich
auf ne halbe Flasche Wein einlud, so dacht ich nich viel über sein Verwun¬
derung nach und ging mit ihn in ein klein stille Weinstube. Da gab es einen
Prachtvollen Wein, wie ich ihm noch niemals gesmeckt hatt, und als un Rosen¬
stein von die französche Prinzessin snackt und sagt, daß er ihr so lieb hätt
und ihren Brüutgam auch, und daß er die beiden Herrschaften woll beschützen
möcht, daß ihnen nix passirt, da werd ich denn ganz gerührt. Und wie ich
merk, daß Rosenstein noch gnrnich genau weiß, wo das Brautpaar is, ob in
Kiel, oder in Rendsburg, oder in Plön, da sag ich ihm natürlicherweise Be¬
scheid: daß sie hier sind und daß sie auch fürs erste bleiben, und daß wir
alle auf ihnen passen sollen. Und Rosenstein freut sich ganz fürchterlich, daß
die Herrschaften so gut aufgehoben sind, und giebt mich Geld für mein Junker,
damit er noch einen Brief an ihn schreiben sollt, wenn da irgend was Beson¬
deres los wär, denn, sagt er, ich will den beiden herrlichen Menschen doch
much zu ihrem Glück verhelfen!

Das klang nu wirklich schön, und wie ich von ihn fortging und so viel
Wein getrunken hatt, daß ich ordentlich ein büschen swindlig war, da dacht
ich noch, daß Rosenstein wirklich ein netten Menschen wär. Das Geld gab
'es an mein Kammerjunker, und er nahm es auch, abers bloß aus Gewohn¬
heit, und weil er an nix dachte. Denn wie ich nu weiter von Rosenstein
snacken will, sagt er, ich sollt stillsweigen, er wollt woll die Prinzessin ganz
"klein beschützen'.

Mit jeden Tag ward nun mein Herr komischer, gerade so, als wenn er
"ich so recht wach würd und ümmer in steif ging. Er aß ein büschen, er
Machte und sprach mit die Herrschafteus, legt sich slafen und stand wieder auf,


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[0599] Der langweilige Rammerherv Denselbigten Abend habe ich meinen Junker sehr verändert gefunden, er hat kein Wort mit mich gesuackt, was er sonstens doch immer that, und is ganz komisch gewesen. Sonstens hat er ein klein Portrütt von die Komteß vor sein Bett gelegt und noch einmal geküßt, diesen Abend dachte er garnich an ihr. Mich war die Geschichte ja einerlei; abers ich fragte doch, ob ich nich das Bild aufn Mantelsack kriegen sollt. Da nickte er denn auch, hat es abers nich einmal angesehn. Weil ich mich un aus sein Benehmen kein Vers machen kommt, hab ich auch nich weiter drüber nachgedacht. Denn mein Vater sein Soester, was mein Tante war, die hat all ümmer gesagt, von Nachdenken kriegte man nix als Koppsinerzen, und das is auch wahr. Den andern Morgen ging ich ein büschen in Plön spazieren. Ich hatt da ein Vetter, der war Slachter und wohnt aufn Strohberg, und ich wollt ihm gerade besuchen, da begegnet mich Herr Rosenstein. O herrjes, Detlev, sagt er, wo kommt ihr denn her? und that bannig verwundert, mir zu sehen, obgleich ich mir doch mehr wundern konnte über ihm. Denn das is doch ein ganze Pottschvn weiter von Hamburg nach Plon, als von Eutin nach Plön. Weil er sich nu abers so grasig freute, mir zu sehen, und mir auch gleich auf ne halbe Flasche Wein einlud, so dacht ich nich viel über sein Verwun¬ derung nach und ging mit ihn in ein klein stille Weinstube. Da gab es einen Prachtvollen Wein, wie ich ihm noch niemals gesmeckt hatt, und als un Rosen¬ stein von die französche Prinzessin snackt und sagt, daß er ihr so lieb hätt und ihren Brüutgam auch, und daß er die beiden Herrschaften woll beschützen möcht, daß ihnen nix passirt, da werd ich denn ganz gerührt. Und wie ich merk, daß Rosenstein noch gnrnich genau weiß, wo das Brautpaar is, ob in Kiel, oder in Rendsburg, oder in Plön, da sag ich ihm natürlicherweise Be¬ scheid: daß sie hier sind und daß sie auch fürs erste bleiben, und daß wir alle auf ihnen passen sollen. Und Rosenstein freut sich ganz fürchterlich, daß die Herrschaften so gut aufgehoben sind, und giebt mich Geld für mein Junker, damit er noch einen Brief an ihn schreiben sollt, wenn da irgend was Beson¬ deres los wär, denn, sagt er, ich will den beiden herrlichen Menschen doch much zu ihrem Glück verhelfen! Das klang nu wirklich schön, und wie ich von ihn fortging und so viel Wein getrunken hatt, daß ich ordentlich ein büschen swindlig war, da dacht ich noch, daß Rosenstein wirklich ein netten Menschen wär. Das Geld gab 'es an mein Kammerjunker, und er nahm es auch, abers bloß aus Gewohn¬ heit, und weil er an nix dachte. Denn wie ich nu weiter von Rosenstein snacken will, sagt er, ich sollt stillsweigen, er wollt woll die Prinzessin ganz "klein beschützen'. Mit jeden Tag ward nun mein Herr komischer, gerade so, als wenn er "ich so recht wach würd und ümmer in steif ging. Er aß ein büschen, er Machte und sprach mit die Herrschafteus, legt sich slafen und stand wieder auf,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/599>, abgerufen am 03.07.2024.