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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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zuführen; er befürchtet aber, daß ans Arbeiterkreisen andre Forderungen ge¬
stellt werden möchten, um den Wettbewerb zu beseitigen. Der Rat Levasseurs
ist schon befolgt worden durch das Gesetz vom 26. Juni 1889, das die
in Frankreich gebornen Söhne von Fremden für Staatsangehörige erklärt.
Mit diesem Gesetze wird sich auch die Einwanderung wohl abfinden können;
wollte man aber noch weiter gehen und jeden Einwanderer nach einem ge¬
wissen Zeitraum als Staatsangehörigen beanspruchen, so würde die Ein¬
wanderung abgeschreckt werden, Frankreich würde seinen Ruf als großmütige
Nation einbüßen, und die Geburtenüberschüsse würden noch weiter sinken. Die
Befürchtung Levasseurs wegen der Anschauungen in Arbeiterkreisen hat sich
bereits bewahrheitet, wie frühere Vorgänge in Marseille und die jüngsten Vor¬
gänge im Pas de Calais zeigen. Als Nachteile der geringen Auswanderung
aus Frankreich bezeichnet Levasseur die mangelhafte Vertretung des Landes im
großen Welthandel draußen durch Kaufleute, Unternehmer, Handelsgchilfen u.s.w.;
bei solchem Wettbewerbe bewahrheite sich der Spruch: I,<Z8 adssnts out wujcmrs
tort. Überdies hätten die Kammern durch allzugroße Belastung der Einfuhr
im Zolltarif die Lage des französische" Handels im Auslande erschwert. Die
Ursache der geringen Auswanderung findet er in dem Umstände, daß Frank¬
reich in seineu Kolonien so wenig Gelegenheit zu landwirtschaftlichen Be¬
triebe biete.

In der Thatsache, daß die Überwanderung vom Lande in die Städte die
Ziffer der Geburtenüberschüsse weit überschreitet, während sich gleichwohl die
Erzeugnisse der Landwirtschaft fortdauernd vermehren, sieht Levasseur ein
erfreuliches Zeichen der Mehrung des allgemeinen Wohlstandes durch eine Ver¬
mehrung des durchschnittliche,, SchaffnngSvermögens, da eine geringere Anzahl
von Landwirten heute eine größere Menge von Lebensmitteln und Arbeits-
stvffen für eine größere Anzahl von Franzosen zu schaffen imstande sei. Diese
Auffassung ist mit den dringenden Klagen der Landwirte über Mangel an Ar¬
beitskräften nicht recht in Einklang zu bringen, und schließlich bleibt es auch
eine nicht minder ernste Thatsache, daß 1886 41 Departements, die doch auch
Städte haben, 1891 aber 55 Departements gezählt worden sind, deren Be¬
völkerung abgenommen hat.

Im Schlußwort zu seinem Werke sieht sich Levasseur zu dem Geständnis
genötigt, daß es eine Selbsttäuschung wäre, auf eine Vermehrung der Ge¬
burten in Frankreich zu rechnen, wodurch sich allerdings in dreißig Jahren
der Stand der Dinge vollständig ändern könne. Luxus und Bedürfnisse würden
sich nur mindern, wenn der Wohlstand abnehme, und das sei kein wünschens¬
wertes Ziel; es sei aber zu hoffen, daß die Fortschritte der öffentlichen Ge¬
sundheitspflege und die Fürsorge in den Familien die Sterblichkeit insbesondre
unter den Säuglingen verringern werde. Wer die Zustände der Provinz in
Frankreich kennt, die Pflichtausgaben der Gemeinden, zu denen nach dem Ge-


Grenzboten IV 1892 71

zuführen; er befürchtet aber, daß ans Arbeiterkreisen andre Forderungen ge¬
stellt werden möchten, um den Wettbewerb zu beseitigen. Der Rat Levasseurs
ist schon befolgt worden durch das Gesetz vom 26. Juni 1889, das die
in Frankreich gebornen Söhne von Fremden für Staatsangehörige erklärt.
Mit diesem Gesetze wird sich auch die Einwanderung wohl abfinden können;
wollte man aber noch weiter gehen und jeden Einwanderer nach einem ge¬
wissen Zeitraum als Staatsangehörigen beanspruchen, so würde die Ein¬
wanderung abgeschreckt werden, Frankreich würde seinen Ruf als großmütige
Nation einbüßen, und die Geburtenüberschüsse würden noch weiter sinken. Die
Befürchtung Levasseurs wegen der Anschauungen in Arbeiterkreisen hat sich
bereits bewahrheitet, wie frühere Vorgänge in Marseille und die jüngsten Vor¬
gänge im Pas de Calais zeigen. Als Nachteile der geringen Auswanderung
aus Frankreich bezeichnet Levasseur die mangelhafte Vertretung des Landes im
großen Welthandel draußen durch Kaufleute, Unternehmer, Handelsgchilfen u.s.w.;
bei solchem Wettbewerbe bewahrheite sich der Spruch: I,<Z8 adssnts out wujcmrs
tort. Überdies hätten die Kammern durch allzugroße Belastung der Einfuhr
im Zolltarif die Lage des französische» Handels im Auslande erschwert. Die
Ursache der geringen Auswanderung findet er in dem Umstände, daß Frank¬
reich in seineu Kolonien so wenig Gelegenheit zu landwirtschaftlichen Be¬
triebe biete.

In der Thatsache, daß die Überwanderung vom Lande in die Städte die
Ziffer der Geburtenüberschüsse weit überschreitet, während sich gleichwohl die
Erzeugnisse der Landwirtschaft fortdauernd vermehren, sieht Levasseur ein
erfreuliches Zeichen der Mehrung des allgemeinen Wohlstandes durch eine Ver¬
mehrung des durchschnittliche,, SchaffnngSvermögens, da eine geringere Anzahl
von Landwirten heute eine größere Menge von Lebensmitteln und Arbeits-
stvffen für eine größere Anzahl von Franzosen zu schaffen imstande sei. Diese
Auffassung ist mit den dringenden Klagen der Landwirte über Mangel an Ar¬
beitskräften nicht recht in Einklang zu bringen, und schließlich bleibt es auch
eine nicht minder ernste Thatsache, daß 1886 41 Departements, die doch auch
Städte haben, 1891 aber 55 Departements gezählt worden sind, deren Be¬
völkerung abgenommen hat.

Im Schlußwort zu seinem Werke sieht sich Levasseur zu dem Geständnis
genötigt, daß es eine Selbsttäuschung wäre, auf eine Vermehrung der Ge¬
burten in Frankreich zu rechnen, wodurch sich allerdings in dreißig Jahren
der Stand der Dinge vollständig ändern könne. Luxus und Bedürfnisse würden
sich nur mindern, wenn der Wohlstand abnehme, und das sei kein wünschens¬
wertes Ziel; es sei aber zu hoffen, daß die Fortschritte der öffentlichen Ge¬
sundheitspflege und die Fürsorge in den Familien die Sterblichkeit insbesondre
unter den Säuglingen verringern werde. Wer die Zustände der Provinz in
Frankreich kennt, die Pflichtausgaben der Gemeinden, zu denen nach dem Ge-


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[0569] zuführen; er befürchtet aber, daß ans Arbeiterkreisen andre Forderungen ge¬ stellt werden möchten, um den Wettbewerb zu beseitigen. Der Rat Levasseurs ist schon befolgt worden durch das Gesetz vom 26. Juni 1889, das die in Frankreich gebornen Söhne von Fremden für Staatsangehörige erklärt. Mit diesem Gesetze wird sich auch die Einwanderung wohl abfinden können; wollte man aber noch weiter gehen und jeden Einwanderer nach einem ge¬ wissen Zeitraum als Staatsangehörigen beanspruchen, so würde die Ein¬ wanderung abgeschreckt werden, Frankreich würde seinen Ruf als großmütige Nation einbüßen, und die Geburtenüberschüsse würden noch weiter sinken. Die Befürchtung Levasseurs wegen der Anschauungen in Arbeiterkreisen hat sich bereits bewahrheitet, wie frühere Vorgänge in Marseille und die jüngsten Vor¬ gänge im Pas de Calais zeigen. Als Nachteile der geringen Auswanderung aus Frankreich bezeichnet Levasseur die mangelhafte Vertretung des Landes im großen Welthandel draußen durch Kaufleute, Unternehmer, Handelsgchilfen u.s.w.; bei solchem Wettbewerbe bewahrheite sich der Spruch: I,<Z8 adssnts out wujcmrs tort. Überdies hätten die Kammern durch allzugroße Belastung der Einfuhr im Zolltarif die Lage des französische» Handels im Auslande erschwert. Die Ursache der geringen Auswanderung findet er in dem Umstände, daß Frank¬ reich in seineu Kolonien so wenig Gelegenheit zu landwirtschaftlichen Be¬ triebe biete. In der Thatsache, daß die Überwanderung vom Lande in die Städte die Ziffer der Geburtenüberschüsse weit überschreitet, während sich gleichwohl die Erzeugnisse der Landwirtschaft fortdauernd vermehren, sieht Levasseur ein erfreuliches Zeichen der Mehrung des allgemeinen Wohlstandes durch eine Ver¬ mehrung des durchschnittliche,, SchaffnngSvermögens, da eine geringere Anzahl von Landwirten heute eine größere Menge von Lebensmitteln und Arbeits- stvffen für eine größere Anzahl von Franzosen zu schaffen imstande sei. Diese Auffassung ist mit den dringenden Klagen der Landwirte über Mangel an Ar¬ beitskräften nicht recht in Einklang zu bringen, und schließlich bleibt es auch eine nicht minder ernste Thatsache, daß 1886 41 Departements, die doch auch Städte haben, 1891 aber 55 Departements gezählt worden sind, deren Be¬ völkerung abgenommen hat. Im Schlußwort zu seinem Werke sieht sich Levasseur zu dem Geständnis genötigt, daß es eine Selbsttäuschung wäre, auf eine Vermehrung der Ge¬ burten in Frankreich zu rechnen, wodurch sich allerdings in dreißig Jahren der Stand der Dinge vollständig ändern könne. Luxus und Bedürfnisse würden sich nur mindern, wenn der Wohlstand abnehme, und das sei kein wünschens¬ wertes Ziel; es sei aber zu hoffen, daß die Fortschritte der öffentlichen Ge¬ sundheitspflege und die Fürsorge in den Familien die Sterblichkeit insbesondre unter den Säuglingen verringern werde. Wer die Zustände der Provinz in Frankreich kennt, die Pflichtausgaben der Gemeinden, zu denen nach dem Ge- Grenzboten IV 1892 71

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/569>, abgerufen am 22.12.2024.