Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Iveder Kommunismus noch Kapitalismus Kloster gehen noch ihre Söhne in die Schule schicken und geistlich werden Ebenso war den freien kleinen Gutsbesitzern oder Pächtern (dro(zuo1ä<zrd!, Was die Lebensweise der Landleute: Freibauern, Pachter und Leibeigne Man übte im dreizehnten Jahrhundert schon das Drainiren und Mergeln: die letztere
Kunst ging später ans Jahrhunderte verloren. Iveder Kommunismus noch Kapitalismus Kloster gehen noch ihre Söhne in die Schule schicken und geistlich werden Ebenso war den freien kleinen Gutsbesitzern oder Pächtern (dro(zuo1ä<zrd!, Was die Lebensweise der Landleute: Freibauern, Pachter und Leibeigne Man übte im dreizehnten Jahrhundert schon das Drainiren und Mergeln: die letztere
Kunst ging später ans Jahrhunderte verloren. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0525" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213639"/> <fw type="header" place="top"> Iveder Kommunismus noch Kapitalismus</fw><lb/> <p xml:id="ID_1623" prev="#ID_1622"> Kloster gehen noch ihre Söhne in die Schule schicken und geistlich werden<lb/> lassen; geschah es dennoch, so hatten sie eine Vnße zu zahlen. Die Häufig¬<lb/> keit solcher Bußen, die sich in die Wirtschaftsrechnungen eingetragen finden,<lb/> beweist, wie groß die Zahl der Söhne von Hörigen war, die sich der geist¬<lb/> lichen Laufbahn widmeten. Der Herr konnte den Hörigen weder von seinem<lb/> Grundstück vertreiben, noch ihm ohne gerichtliches Urteil sein Vieh oder sonstiges<lb/> Eigentum wegnehmen; zwar verbot es kein Gesetz, wohl aber ein Gewohnheits¬<lb/> recht, das zu verletzen nicht leicht jemand wagte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1624"> Ebenso war den freien kleinen Gutsbesitzern oder Pächtern (dro(zuo1ä<zrd!,<lb/> 00Mdo16ör», wrmut«) ihr Grundbesitz gesichert. Den Pächtern wurde das<lb/> Betriebskapital: Vieh und Werkzeuge, vom Herrn geliefert; Verluste durch<lb/> Viehseuchen u. dergl. wurden nach bestimmten Grundsätzen zwischen beiden<lb/> verrechnet. Weil das Laud sehr billig war — der Morgen vier bis fünf<lb/> Schilling, nach heutigem Gelde etwa fünfzig Mark—, so war das Betriebskapital<lb/> gewöhnlich dreimal so viel wert als der Acker. Während sich der Betrieb der<lb/> Landwirtschaft — Rogers beschreibt ihn genan — vom dreizehnten Jahrhun¬<lb/> dert bis in den Anfang des neunzehnten hinein nicht wesentlich ändert,*) ver¬<lb/> schlechtert sich die Lage dieser kleinen Bauern von sechzehnten Jahrhundert ab<lb/> beständig. Die Polizei und Gerichtsbarkeit ging an die Grafschaftsgerichte<lb/> über, die sehr streng verfuhren, und denen die kleinen Leute ohnmächtig und<lb/> rein passiv gegenüberstanden; die alten Gewohnheitsrechte wurden vergessen,<lb/> die Gemeindetrift und der Gemeiudewald eingezäunt und für Privateigentum<lb/> des Herrn erklärt. Schließlich wurde der Bauer ein stumpfsinniger Dulder.</p><lb/> <p xml:id="ID_1625" next="#ID_1626"> Was die Lebensweise der Landleute: Freibauern, Pachter und Leibeigne<lb/> im dreizehnten Jahrhundert anlangt, so war bei ihnen, ausgenommen in Miß-<lb/> machsjahren, von Not keine Rede. So viel Lebensmittel, als sie brauchten,<lb/> lieferte ihnen ihr Acker und ihr Vieh, und hätte einer ja einmal nicht genug<lb/> gehabt, so waren Brot, Fleisch und alle Arten von Fett spottbillig. Jeder<lb/> Hörige hatte nicht allein sein Schwein im Stalle, sondern auch sein Huhn im<lb/> Topfe; Geflügel aller Art: Enten, Gänse und Hühner, waren gemein, und<lb/> Eier fast wertlos. Mit Kapaunenfett schmierte man die Wagenräder; das<lb/> geschah nicht etwa ausnahmsweise einmal ans Übermut, sonder» es war etwas<lb/> gewöhnliches. Heute, meint Rogers, könnte man ebenso gut Haseufett zu<lb/> Wagenschmiere gebrauchen. Nur der Taubenschlag war ein Privilegium des<lb/> Grundherrn, und die Herren pflegten so viel Tauben zu halten, daß sich die<lb/> Bauern über deu Schaden beklagten, den diese anrichteten; dagegen kommen<lb/> keine Beschwerden über Wildschaden vor. Die Kost war also zwar reichlich<lb/> und gut, aber im Winter nicht gesund, weil sie da großenteils aus gesalzuem</p><lb/> <note xml:id="FID_39" place="foot"> Man übte im dreizehnten Jahrhundert schon das Drainiren und Mergeln: die letztere<lb/> Kunst ging später ans Jahrhunderte verloren.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0525]
Iveder Kommunismus noch Kapitalismus
Kloster gehen noch ihre Söhne in die Schule schicken und geistlich werden
lassen; geschah es dennoch, so hatten sie eine Vnße zu zahlen. Die Häufig¬
keit solcher Bußen, die sich in die Wirtschaftsrechnungen eingetragen finden,
beweist, wie groß die Zahl der Söhne von Hörigen war, die sich der geist¬
lichen Laufbahn widmeten. Der Herr konnte den Hörigen weder von seinem
Grundstück vertreiben, noch ihm ohne gerichtliches Urteil sein Vieh oder sonstiges
Eigentum wegnehmen; zwar verbot es kein Gesetz, wohl aber ein Gewohnheits¬
recht, das zu verletzen nicht leicht jemand wagte.
Ebenso war den freien kleinen Gutsbesitzern oder Pächtern (dro(zuo1ä<zrd!,
00Mdo16ör», wrmut«) ihr Grundbesitz gesichert. Den Pächtern wurde das
Betriebskapital: Vieh und Werkzeuge, vom Herrn geliefert; Verluste durch
Viehseuchen u. dergl. wurden nach bestimmten Grundsätzen zwischen beiden
verrechnet. Weil das Laud sehr billig war — der Morgen vier bis fünf
Schilling, nach heutigem Gelde etwa fünfzig Mark—, so war das Betriebskapital
gewöhnlich dreimal so viel wert als der Acker. Während sich der Betrieb der
Landwirtschaft — Rogers beschreibt ihn genan — vom dreizehnten Jahrhun¬
dert bis in den Anfang des neunzehnten hinein nicht wesentlich ändert,*) ver¬
schlechtert sich die Lage dieser kleinen Bauern von sechzehnten Jahrhundert ab
beständig. Die Polizei und Gerichtsbarkeit ging an die Grafschaftsgerichte
über, die sehr streng verfuhren, und denen die kleinen Leute ohnmächtig und
rein passiv gegenüberstanden; die alten Gewohnheitsrechte wurden vergessen,
die Gemeindetrift und der Gemeiudewald eingezäunt und für Privateigentum
des Herrn erklärt. Schließlich wurde der Bauer ein stumpfsinniger Dulder.
Was die Lebensweise der Landleute: Freibauern, Pachter und Leibeigne
im dreizehnten Jahrhundert anlangt, so war bei ihnen, ausgenommen in Miß-
machsjahren, von Not keine Rede. So viel Lebensmittel, als sie brauchten,
lieferte ihnen ihr Acker und ihr Vieh, und hätte einer ja einmal nicht genug
gehabt, so waren Brot, Fleisch und alle Arten von Fett spottbillig. Jeder
Hörige hatte nicht allein sein Schwein im Stalle, sondern auch sein Huhn im
Topfe; Geflügel aller Art: Enten, Gänse und Hühner, waren gemein, und
Eier fast wertlos. Mit Kapaunenfett schmierte man die Wagenräder; das
geschah nicht etwa ausnahmsweise einmal ans Übermut, sonder» es war etwas
gewöhnliches. Heute, meint Rogers, könnte man ebenso gut Haseufett zu
Wagenschmiere gebrauchen. Nur der Taubenschlag war ein Privilegium des
Grundherrn, und die Herren pflegten so viel Tauben zu halten, daß sich die
Bauern über deu Schaden beklagten, den diese anrichteten; dagegen kommen
keine Beschwerden über Wildschaden vor. Die Kost war also zwar reichlich
und gut, aber im Winter nicht gesund, weil sie da großenteils aus gesalzuem
Man übte im dreizehnten Jahrhundert schon das Drainiren und Mergeln: die letztere
Kunst ging später ans Jahrhunderte verloren.
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