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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Der langweilige Aainmerherr

Dornens an waren. Er war auch nich in Holstein geboren, wo die Leute
manchmal ein büschen ernsthaft sind; er kam von hinter die Elbe her,
da wo die Berge stehen und wo veritabeln Wein aufn freien Felde
wachsen soll. Ob das wahr is, kann ich nich sagen; das weiß ich abers:
mein Junker sein Vater war kein reichen Mann, wenn er auch Wem trinken
konnte wie Wasser, und unser Geldbeutel hat jeden Tag in Jahr die leib¬
haftige Swindsucht gehabt. Und gar kein Geld zu haben, das is sum
Junker ein furchtbar unangenehmes Gefühl. Das waren damals sehr flechte
Zeiten. Einer von die Franzosens, der in Frankreich was zu sagen hatte, der hieß
Napolium und der hatte viele Adlichens und vornehme Herrens aus dem Lande
gejagt und mochte nich, daß die deutschen Fürstens diese Verjagten aufnahmen.
Ich glaub beinahe, daß er auch an unsern Eutiner Herzog so was geschrieben
hat, genau kann ich es abers nich sagen. Denn ich war ja man ein Reit¬
knecht, und wenn ich auch mit mein Kammerjunker ganz natürlich sprach, so
hat mich doch der Herzog niemals was verzählt. Abers er hat doch oft ein
verdrießliches Gesicht gemacht über die vielen Franzosens, die mit einmal in
Eutin waren und nich wieder fortgingen. Sie kosteten auch ein Berg Geld,
und wer anders als unser Herzog konnte ihnen was geben? Abers weil er
selbst nich viel hatte, so konnte er ihnen man bloß was geben, wenn er seine
Junkers ein büschen knapp hielt, und so kam es, daß mein jungen Herrn sein
Geldbeutel noch leerer war als sonstens.

Die Franzosens nahmen allens, was sie kriegen konnten; sie sagten man
bloß Merssi, und denn meinten sie was Großes gethan zu haben. Am
slimmsten war son alter Kerl, der das ganze Gesicht voll Falten und ein
paar blanke swarze Augen hatt. Die andern nannten ihm den Herrn Vikomt,
und er saß oft bei mein Junker auf fein Zimmer ins Schloß zu Eutin, weil,
wie er sagte, mein Herr ein Vetter von ihn war. Ich konnt mich das um
nich denken, wie kann ein deutschen Herrn nen Vetter ins Franzenland haben?
Sie fragten mir abers gar nich, was ich glaubte. Sie waren ümmerlos zu¬
sammen und snackten, und pöhnndpöh kam ich denn auch dahinter, was meinen
Junker so bekannt machte mit den alten verdrehten Narren. Dieser Vikomt
hatt ein Tochter und ihr möcht mein Herr leiden, und als ich ihr das erste¬
mal sah, da wußt ich all Bescheid. Denn ich kennt den Gesmack von mein
Innrer. Nüdlich und fein war sie, mien klein süßen Stimme und gnitter-
swarzen Augen. Das Jahr vorher, da hatt mein Junker auch son kleine
Deern furchtbar gern leiden mögen, und diese sah beinah akkrat so aus, wie
die von vorigen Sommer. Sie war mit einmal fortgekommen von Eutin,
und mein Herr hat sich bannig angestellt bein Abschiednehmen und konnt sich
ein paar Tage gar nich veramüsiren. Da freut ich mir denn, wie ich die
kleine fremde Komteß zu Gesicht krieg, weil nu mein Junker wieder ein Spaß
hatt. Denn bei die Liebe is die Hauptsache, daß man Veränderung hat,


Der langweilige Aainmerherr

Dornens an waren. Er war auch nich in Holstein geboren, wo die Leute
manchmal ein büschen ernsthaft sind; er kam von hinter die Elbe her,
da wo die Berge stehen und wo veritabeln Wein aufn freien Felde
wachsen soll. Ob das wahr is, kann ich nich sagen; das weiß ich abers:
mein Junker sein Vater war kein reichen Mann, wenn er auch Wem trinken
konnte wie Wasser, und unser Geldbeutel hat jeden Tag in Jahr die leib¬
haftige Swindsucht gehabt. Und gar kein Geld zu haben, das is sum
Junker ein furchtbar unangenehmes Gefühl. Das waren damals sehr flechte
Zeiten. Einer von die Franzosens, der in Frankreich was zu sagen hatte, der hieß
Napolium und der hatte viele Adlichens und vornehme Herrens aus dem Lande
gejagt und mochte nich, daß die deutschen Fürstens diese Verjagten aufnahmen.
Ich glaub beinahe, daß er auch an unsern Eutiner Herzog so was geschrieben
hat, genau kann ich es abers nich sagen. Denn ich war ja man ein Reit¬
knecht, und wenn ich auch mit mein Kammerjunker ganz natürlich sprach, so
hat mich doch der Herzog niemals was verzählt. Abers er hat doch oft ein
verdrießliches Gesicht gemacht über die vielen Franzosens, die mit einmal in
Eutin waren und nich wieder fortgingen. Sie kosteten auch ein Berg Geld,
und wer anders als unser Herzog konnte ihnen was geben? Abers weil er
selbst nich viel hatte, so konnte er ihnen man bloß was geben, wenn er seine
Junkers ein büschen knapp hielt, und so kam es, daß mein jungen Herrn sein
Geldbeutel noch leerer war als sonstens.

Die Franzosens nahmen allens, was sie kriegen konnten; sie sagten man
bloß Merssi, und denn meinten sie was Großes gethan zu haben. Am
slimmsten war son alter Kerl, der das ganze Gesicht voll Falten und ein
paar blanke swarze Augen hatt. Die andern nannten ihm den Herrn Vikomt,
und er saß oft bei mein Junker auf fein Zimmer ins Schloß zu Eutin, weil,
wie er sagte, mein Herr ein Vetter von ihn war. Ich konnt mich das um
nich denken, wie kann ein deutschen Herrn nen Vetter ins Franzenland haben?
Sie fragten mir abers gar nich, was ich glaubte. Sie waren ümmerlos zu¬
sammen und snackten, und pöhnndpöh kam ich denn auch dahinter, was meinen
Junker so bekannt machte mit den alten verdrehten Narren. Dieser Vikomt
hatt ein Tochter und ihr möcht mein Herr leiden, und als ich ihr das erste¬
mal sah, da wußt ich all Bescheid. Denn ich kennt den Gesmack von mein
Innrer. Nüdlich und fein war sie, mien klein süßen Stimme und gnitter-
swarzen Augen. Das Jahr vorher, da hatt mein Junker auch son kleine
Deern furchtbar gern leiden mögen, und diese sah beinah akkrat so aus, wie
die von vorigen Sommer. Sie war mit einmal fortgekommen von Eutin,
und mein Herr hat sich bannig angestellt bein Abschiednehmen und konnt sich
ein paar Tage gar nich veramüsiren. Da freut ich mir denn, wie ich die
kleine fremde Komteß zu Gesicht krieg, weil nu mein Junker wieder ein Spaß
hatt. Denn bei die Liebe is die Hauptsache, daß man Veränderung hat,


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[0496] Der langweilige Aainmerherr Dornens an waren. Er war auch nich in Holstein geboren, wo die Leute manchmal ein büschen ernsthaft sind; er kam von hinter die Elbe her, da wo die Berge stehen und wo veritabeln Wein aufn freien Felde wachsen soll. Ob das wahr is, kann ich nich sagen; das weiß ich abers: mein Junker sein Vater war kein reichen Mann, wenn er auch Wem trinken konnte wie Wasser, und unser Geldbeutel hat jeden Tag in Jahr die leib¬ haftige Swindsucht gehabt. Und gar kein Geld zu haben, das is sum Junker ein furchtbar unangenehmes Gefühl. Das waren damals sehr flechte Zeiten. Einer von die Franzosens, der in Frankreich was zu sagen hatte, der hieß Napolium und der hatte viele Adlichens und vornehme Herrens aus dem Lande gejagt und mochte nich, daß die deutschen Fürstens diese Verjagten aufnahmen. Ich glaub beinahe, daß er auch an unsern Eutiner Herzog so was geschrieben hat, genau kann ich es abers nich sagen. Denn ich war ja man ein Reit¬ knecht, und wenn ich auch mit mein Kammerjunker ganz natürlich sprach, so hat mich doch der Herzog niemals was verzählt. Abers er hat doch oft ein verdrießliches Gesicht gemacht über die vielen Franzosens, die mit einmal in Eutin waren und nich wieder fortgingen. Sie kosteten auch ein Berg Geld, und wer anders als unser Herzog konnte ihnen was geben? Abers weil er selbst nich viel hatte, so konnte er ihnen man bloß was geben, wenn er seine Junkers ein büschen knapp hielt, und so kam es, daß mein jungen Herrn sein Geldbeutel noch leerer war als sonstens. Die Franzosens nahmen allens, was sie kriegen konnten; sie sagten man bloß Merssi, und denn meinten sie was Großes gethan zu haben. Am slimmsten war son alter Kerl, der das ganze Gesicht voll Falten und ein paar blanke swarze Augen hatt. Die andern nannten ihm den Herrn Vikomt, und er saß oft bei mein Junker auf fein Zimmer ins Schloß zu Eutin, weil, wie er sagte, mein Herr ein Vetter von ihn war. Ich konnt mich das um nich denken, wie kann ein deutschen Herrn nen Vetter ins Franzenland haben? Sie fragten mir abers gar nich, was ich glaubte. Sie waren ümmerlos zu¬ sammen und snackten, und pöhnndpöh kam ich denn auch dahinter, was meinen Junker so bekannt machte mit den alten verdrehten Narren. Dieser Vikomt hatt ein Tochter und ihr möcht mein Herr leiden, und als ich ihr das erste¬ mal sah, da wußt ich all Bescheid. Denn ich kennt den Gesmack von mein Innrer. Nüdlich und fein war sie, mien klein süßen Stimme und gnitter- swarzen Augen. Das Jahr vorher, da hatt mein Junker auch son kleine Deern furchtbar gern leiden mögen, und diese sah beinah akkrat so aus, wie die von vorigen Sommer. Sie war mit einmal fortgekommen von Eutin, und mein Herr hat sich bannig angestellt bein Abschiednehmen und konnt sich ein paar Tage gar nich veramüsiren. Da freut ich mir denn, wie ich die kleine fremde Komteß zu Gesicht krieg, weil nu mein Junker wieder ein Spaß hatt. Denn bei die Liebe is die Hauptsache, daß man Veränderung hat,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/496>, abgerufen am 22.12.2024.