Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Die Fehler der natwnallibercileil Partei respvndenz stellt mit großer Genugthuung fest, daß die Hoffnungen der Auch bezüglich der allgemeinen Politik läßt die Einigkeit der Partei zu Die Fehler der natwnallibercileil Partei respvndenz stellt mit großer Genugthuung fest, daß die Hoffnungen der Auch bezüglich der allgemeinen Politik läßt die Einigkeit der Partei zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213470"/> <fw type="header" place="top"> Die Fehler der natwnallibercileil Partei</fw><lb/> <p xml:id="ID_1098" prev="#ID_1097"> respvndenz stellt mit großer Genugthuung fest, daß die Hoffnungen der<lb/> „Zünftler" auf eine ihren Interessen entsprechende Vorlage im Reichstage zu<lb/> schänden geworden seien, man höre in maßgebenden Kreisen nichts von einem<lb/> derartigen Gesetzentwurf. Was wird wohl der ehrsame Handwerker denken,<lb/> wenn er diese Bemerkung in seiner Zeitung liest? Aber daran denken die<lb/> Herren in Berlin nicht. In wie hohem Maße man in den Kreisen der Hand¬<lb/> werker das Gefühl hat, daß beim Nationalliberalismns kein Verständnis für<lb/> diese Fragen zu finden sei, zeigt sich denn auch deutlich bei den Wahlen. Bei<lb/> der Wahlmännerwahl in Frankfurt am Main am 6. Oktober dieses Jahres<lb/> haben sich, obwohl es sich um einen demokratisch-freisinnigen und einen uatio-<lb/> nalliberalen Kandidaten handelte, die Handwerker der Abstimmung enthalten<lb/> und damit den Sieg des erstern herbeigeführt. Wir billigen die auf einen<lb/> Beschluß des Handwerkervereins iir Frankfurt erfolgte Wahlenthaltung der<lb/> Handwerker nicht, finden es aber erklärlich, wenn sich die Handwerker sagen:<lb/> beide Parteien thun nichts für uns, warum sollen wir uns also in ihre»<lb/> Kampf mischen? Daß dieser bemerkenswerte Vorgang bei den maßgebenden<lb/> Politikern der nationalliberalen Partei keinen Eindruck gemacht hat, geht aus<lb/> der erwähnten handwerkerfeindlichen Äußerung der Nativnalliberalen Korre¬<lb/> spondenz hervor, und wir haben denn auch die Hoffnung aufgegeben, daß die<lb/> nationalliberale Partei in dieser Beziehung andre Bahnen einschlagen wird.<lb/> Ebenso wenig glauben wir, daß sie den falschen Grundsatz, daß in wirtschaft¬<lb/> lichen Fragen jedes Mitglied der Partei ungebunden sei, aufgeben werde,<lb/> und so werden denn die Befehdungen der Freihändler und Schutzzöllner im<lb/> eignen Lager fortdauern, wir werden nach wie vor in deu norddeutschen<lb/> nationalliberalen Blättern lesen, wie mau die Getreidespekulntiou in Schutz<lb/> nimmt, die man im Süden mit Recht nicht scharf genug verurteilen kann, und<lb/> was dergleichen Anzeichen der Uneinigkeit mehr sind, die wir hier nicht alle<lb/> aufzählen wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1099" next="#ID_1100"> Auch bezüglich der allgemeinen Politik läßt die Einigkeit der Partei zu<lb/> wünschen übrig; die Beurteilung des wichtigsten Ereignisses der letzten Jahre,<lb/> des Abganges des Fürsten Bismarck, ist durchaus nicht einheitlich gewesen:<lb/> der städtische und norddeutsche Nativualliberalismus erblickt darin einen dankens¬<lb/> werten Entschluß der Krone, im Süden wird man sich dagegen, so lange Bis¬<lb/> marck lebt, nicht daran gewöhnen können, seinen Sturz auch nur mit Gleich¬<lb/> mut als eine unabänderliche Thatsache hinzunehmen, die große Mehrheit der<lb/> Partei aber hält entschieden zu dem großen Staatsmanne. Wir werden viel¬<lb/> leicht bei der Militärvorlage die Folgen dieser Gesinnung erkennen. Einem<lb/> Bismarck Hütte die Partei die großen Forderungen ohne Zweifel bewilligt,<lb/> der jetzigen Negierung bringt man namentlich im Süden nicht das Vertrauen<lb/> entgegen, das zu einem solchen Opfer erforderlich wäre, und die norddeutschen<lb/> Nationalliberalen haben noch zu viel Neste freisinniger Anschauungen, als daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0356]
Die Fehler der natwnallibercileil Partei
respvndenz stellt mit großer Genugthuung fest, daß die Hoffnungen der
„Zünftler" auf eine ihren Interessen entsprechende Vorlage im Reichstage zu
schänden geworden seien, man höre in maßgebenden Kreisen nichts von einem
derartigen Gesetzentwurf. Was wird wohl der ehrsame Handwerker denken,
wenn er diese Bemerkung in seiner Zeitung liest? Aber daran denken die
Herren in Berlin nicht. In wie hohem Maße man in den Kreisen der Hand¬
werker das Gefühl hat, daß beim Nationalliberalismns kein Verständnis für
diese Fragen zu finden sei, zeigt sich denn auch deutlich bei den Wahlen. Bei
der Wahlmännerwahl in Frankfurt am Main am 6. Oktober dieses Jahres
haben sich, obwohl es sich um einen demokratisch-freisinnigen und einen uatio-
nalliberalen Kandidaten handelte, die Handwerker der Abstimmung enthalten
und damit den Sieg des erstern herbeigeführt. Wir billigen die auf einen
Beschluß des Handwerkervereins iir Frankfurt erfolgte Wahlenthaltung der
Handwerker nicht, finden es aber erklärlich, wenn sich die Handwerker sagen:
beide Parteien thun nichts für uns, warum sollen wir uns also in ihre»
Kampf mischen? Daß dieser bemerkenswerte Vorgang bei den maßgebenden
Politikern der nationalliberalen Partei keinen Eindruck gemacht hat, geht aus
der erwähnten handwerkerfeindlichen Äußerung der Nativnalliberalen Korre¬
spondenz hervor, und wir haben denn auch die Hoffnung aufgegeben, daß die
nationalliberale Partei in dieser Beziehung andre Bahnen einschlagen wird.
Ebenso wenig glauben wir, daß sie den falschen Grundsatz, daß in wirtschaft¬
lichen Fragen jedes Mitglied der Partei ungebunden sei, aufgeben werde,
und so werden denn die Befehdungen der Freihändler und Schutzzöllner im
eignen Lager fortdauern, wir werden nach wie vor in deu norddeutschen
nationalliberalen Blättern lesen, wie mau die Getreidespekulntiou in Schutz
nimmt, die man im Süden mit Recht nicht scharf genug verurteilen kann, und
was dergleichen Anzeichen der Uneinigkeit mehr sind, die wir hier nicht alle
aufzählen wollen.
Auch bezüglich der allgemeinen Politik läßt die Einigkeit der Partei zu
wünschen übrig; die Beurteilung des wichtigsten Ereignisses der letzten Jahre,
des Abganges des Fürsten Bismarck, ist durchaus nicht einheitlich gewesen:
der städtische und norddeutsche Nativualliberalismus erblickt darin einen dankens¬
werten Entschluß der Krone, im Süden wird man sich dagegen, so lange Bis¬
marck lebt, nicht daran gewöhnen können, seinen Sturz auch nur mit Gleich¬
mut als eine unabänderliche Thatsache hinzunehmen, die große Mehrheit der
Partei aber hält entschieden zu dem großen Staatsmanne. Wir werden viel¬
leicht bei der Militärvorlage die Folgen dieser Gesinnung erkennen. Einem
Bismarck Hütte die Partei die großen Forderungen ohne Zweifel bewilligt,
der jetzigen Negierung bringt man namentlich im Süden nicht das Vertrauen
entgegen, das zu einem solchen Opfer erforderlich wäre, und die norddeutschen
Nationalliberalen haben noch zu viel Neste freisinniger Anschauungen, als daß
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